Import - Export: Flüchtig unverkäuflich
Ein Performancemeeting im Basler Kaskadenkondensator mit Ausstrahlung nach St. Gallen und Zürich.
«Was ist das Produkt Ihrer Performance? Haben Sie schon einmal eine Performance verkaufen können? Ist die Flüchtigkeit der Performance für den Verkauf förderlich oder hinderlich?» Die «Temporäre Agentur für Performance-Kunst» nahm die «Liste 05 - The Young Art Fair» - eine Parallelveranstaltung zur Art Basel - zum Anlass, über Verkäuflichkeit, Selbstdarstellung und Öffentlichkeit von Performances nachzudenken. Ein Fragenkatalog und die Möglichkeit, sich in einem kurzen Liveauftritt als Akteur oder Akteurin dieses Genres vorzustellen, liess kein einheitliches Bild der Szene erwarten. Die unzensurierte Aufzeichnung von Beiträgen lokaler und internationaler Provenienz erfasste eindrückliche Konzentrate gestischen Ausdrucks ebenso wie unbeholfene Versuche, sich für Augenblicke auf der Schaubühne der Kunst einen Platz zu sichern. Performance scheint auf als ein Feld mit offenen Grenzen. «Performancekünstler haben keine Lobby», sagt Pascale Grau aus eigener Erfahrung. Sie organisiert gemeinsam mit Judith Huber in Basel ein Performancemeeting. Denn: Weil sie keine Lobby haben, sind Performancekünstler in der Regel ihre eigenen VeranstalterInnen. Einen Teil ihres künstlerischen Engagements investieren sie in die Erfindung von Plattformen ausserhalb des institutionalisierten «Festlandes».
Gepäckwagen und Körper
Impex ist Titel und Leitmotiv der Veranstaltungsreihe, die am kommenden Wochenende stattfindet. Das Kürzel für Import/Export impliziert mehr als die Ein- und Ausfuhr von Handelsgütern. Es fragt nach den Bedingungen, unter denen Performances einen inhaltlichen oder materiellen Mehrwert erzeugen, und es sucht im internationalen Transfer von KünstlerInnen den Austausch im weitesten Sinn. Drei Gastspiele gingen dem Wochenende voraus. Ende März liess sich der Zürcher Aktions- und Konzeptkünstler San Keller auf Impex ein. Gemeinsam mit der Künstlerkollegin Su Young Park schob er einen ausgedienten zweirädrigen französischen Gepäckwagen die vierzig Kilometer von Altkirch nach Basel, um hier über diesen Transfer zu berichten. An die Geschichte über den Fund des Gepäckwagens fügte sich die Erzählung über die erste Etappe einer Reise mit offenem Ausgang: die Einladung in den Kaskadenkondensator hat ein Projekt ins Rollen gebracht, das weitere Destinationen ins Auge fasst. Einen Monat später gelang der in Basel wohnhaften Künstlerin Kathrin Borer eine innige Auseinandersetzung mit der vorgegebenen Thematik, indem sie sie ganz am eigenen Körper abhandelte. Mit Augenbinde und Plastiktüte unterband sie zunächst den Blickkontakt, dann den Kreislauf ihres Atems. Isoliert und als Täterin und Opfer zugleich steigerte sie die Spannung, um sie in einer überraschenden Wendung plötzlich zu entladen. Birgit Ramsauer schliesslich stützte ihre in UV-Licht entstehende Versuchsanordnung auf den «Import» von Gegenständen, die das Publikum ihr zutrug. Die Geste blieb unscharf, wurde aber nicht ohne Kommentar entlassen: Der Kaskadenkondensator sucht und pflegt einen Werkstattcharakter, auch indem er dem Risiko des Scheiterns im offenen Dialog begegnet. Einmal mehr erwies sich die Verbindung von Performance und differenzierter Kritik als ein Glücksfall, der zur Präzisierung anstiftet und Unvollendetes weiterdenken lässt.
Performancekunst im Aufwind?
Seit sieben Jahren hält der «Kasko» das Gespräch über Performances in Gang. Damit leistet er für die Schweizer Szene Basisarbeit, die allmählich auf ein wachsendes Interesse trifft. Uninteressant für den Kunstmarkt, nicht reproduzierbar und an den Hochschulen keiner einzelnen Sparte zugehörig, bleibt Performance vom Engagement einzelner DozentInnen abhängig. Die Theorie hat Nachholbedarf oder, so Pascale Grau: «Das Schlachtfeld der Performance zu bearbeiten, wäre himmeltraurig notwendig.» Es braucht eine Theoriebildung, die mit interdisziplinären Methoden der Praxis zuarbeitet, ohne aktuelle Tendenzen spartenübergreifend mit öffentlichkeitswirksamen Schlagworten einzuebnen. Die Notwendigkeit zeigt erste Ergebnisse: Unter dem Titel «Performativ!» versucht ein im letzten Jahr von Sibylle Omlin herausgegebenes Lesebuch eine Zusammenfassung von Entwicklung und Perspektiven der Schweizer Performancekunst; die Einrichtung eines interdisziplinären Lehrgangs an der Berner Hochschule lässt neue Unterrichtsgefässe erwarten; ein Forschungsschwerpunkt über «Zeit im Bild» im Rahmen des Nationalfondsprojekts «eikones» an der Universität Basel wird auch Performancekunst bedenken.
Schweiz - England
Das Performancemeeting sucht den Austausch mit Grossbritannien. Der zweite, konzentrierte Teil von Impex verlegt das Thema des Austauschs auf die Pflege von Netzwerken und damit auf die organisatorische Ebene. Die Veranstaltung am Wochenende verästelt sich, basierend auf der Idee, wonach sich einzelne Akteure mit einer zweiten Position aus ihrem künstlerischen Umfeld zusammentun. Jede britische Zweiergruppe trifft so auf eine Schweizer Performerin, einen Schweizer Performer. Ein eigentliches Bouquet von Positionen ist zu erwarten, unter ihnen die von Robin Deacon und Gillian Dyson (GB), Geneviève Favre oder Gisela Hochuli (CH). Jeder Beitrag bleibt eine Überraschung bis zum Moment der eigentlichen Intervention: «Jede einzelne Handlung», hatte Kathrin Borer in der Ankündigung ihres Beitrags formuliert, «ist ein entsicherter Moment.» Am Samstagnachmittag nimmt ein Podiumsgespräch mit den auswärtigen KünstlerInnen und Special Guests (Heinrich Lüber, Paola Junquiera und Claire Goodwin) das Thema beim Wort: Netzwerke aus beiden Nationen spannen vielleicht den Bogen zur britischen Live Art Agency, zum Piano Nobile in Genf, zu Exex in St. Gallen, um dann die Bühne wieder freizugeben.
An der Grenze zwischen Bekanntem und Unbekanntem, an einer Sprachgrenze auch, ist ein Publikum gefragt, das die Unmittelbarkeit nicht scheut. Interessierte, die ihre Beobachtungen auf unsicherem Terrain mitzuteilen bereit sind. GesprächspartnerInnen, die - für einen Abend nur, für zwei Tage und im besten Fall darüber hinaus - die vermeintlich «sicheren Werte» für sich zu prüfen bereit sind und die im engen Dialog mit PerformerInnen ein Vokabular entwickeln, um freizulegen, was die Basis jeder Kommunikation ausmacht: Körper, Geste, Sprache, Blicke und ihre kluge Inszenierung.
Impex-Performancemeeting in: ST. GALLEN Projektraum Exex, Do, 23. Juni, 19 h (Frauenbad Dreilinden). BASEL Kaskadenkondensator, Fr, 24. Juni, 17 h; Sa, 25. Juni, 14 h. Infos: www.kasko.ch / www.visarteost.ch
«Aktualität der Performance-Kunst», Brita Polzer im Gespräch mit Dorothea Rust und Pascale Grau in: ZÜRICH Cabaret Voltaire, Di, 28. Juni, 20 h. Infos: www.cabaretvoltaire.ch