Steuerflucht: Ein fettes Bündel Noten im Handtäschchen

Nr. 34 –

Die Schweizer Finanzinstitute dürfen keine aktive Beihilfe zur Kapitalflucht und zur Steuerhinterziehung leisten - und tun es dennoch.

Die Firma MWB Vermögensverwaltung AG Zürich hilft deutschen Steuerflüchtigen, ihr Geld in die Schweiz zu bringen. Wie das ZDF-Magazin «Frontal 21» Ende Juli enthüllt hat, werden dabei Bestimmungen der Sorgfaltspflicht verletzt. Recherchen ergeben: Die Schweizer Behörden sehen trotzdem keinen Handlungsbedarf.

Der Filmbeitrag von «Frontal 21» zeigt, wie das Schmuggelgeschäft der MWB funktioniert. Aussendienstmitarbeiter der Firma reisen nach Deutschland, sammeln dort das Geld ein und übergeben es einem Kurier, der es mit dem Auto in die Schweiz bringt. «Der MWB-Berater macht deutlich, dass es ihn nicht interessiert, aus welchen Quellen das Geld stammt. Dabei müsste er das nach Schweizer Recht überprüfen», kommentiert der Sprecher ein mit versteckter Kamera gefilmtes Kundengespräch. Der MWB-Mann will einzig Kopien von Identitätsausweisen. Er fügt hinzu, dass die MWB mit der Credit Suisse (CS) zusammenarbeite.

Bei einem Besuch bei der empfohlenen CS-Filiale im ostschweizerischen St. Margrethen täuscht «Frontal 21» vor, unversteuertes Geld anlegen zu wollen. Ab 50 000 Franken steigt die Bank ein. Der CS-Berater erklärt, dass es ohne weiteres möglich sei, das Geld mit dem Auto unbemerkt über Österreich in die Schweiz zu schaffen. Es scheint offensichtlich, dass er damit gegen die Sorgfaltspflichtvereinbarung der Schweizer Banken verstösst, die eine aktive Beihilfe zur Kapitalflucht und Steuerhinterziehung verbietet.

Insgesamt sollen sich laut «Frontal 21» schätzungsweise 150 Milliarden Euro deutsches Schwarzgeld auf Schweizer Konten befinden. Kein Wunder, fordert Deutschland die Schweizer Regierung auf, im Rahmen der internationalen Abkommen gegen Geldwäsche endlich gegen den Bargeldschmuggel vorzugehen.

Im Gegensatz zu Deutschland ist die einfache Steuerhinterziehung in der Schweiz aber nicht strafbar. Für eine Zusammenarbeit mit einem EU-Land im Bereich der Geldwäscherei muss nach Schweizer Vorschriften als Vortat ein Verbrechen vorliegen, das sowohl in der Schweiz als auch im betreffenden EU-Land mit einem Freiheitsentzug von mehr als sechs Monaten bestraft wird. Seit 2003 gilt in Deutschland die gewerbsmässige Steuerhinterziehung als Vortat zur Geldwäscherei. In der Schweiz kommt hingegen nur der Steuerbetrug (Urkundenfälschung) als Vortat in Betracht.

Landet also Geld, das gegenüber dem deutschen Fiskus nicht deklariert wurde, gewerbsmässig auf Schweizer Bankkonten, ist dies nach deutschem Recht strafbar, in der Schweiz ist dieser Vorgang aber legal. Immerhin müssen die beteiligten Finanzinstitute die gesetzlichen Sorgfaltspflichten einhalten. Dabei handelt es sich um die Feststellung der Identität des Kunden oder der Kundin und des wirtschaftlich Berechtigten. Dafür genügt seit dem 1. Januar dieses Jahres die - nicht beglaubigte - Kopie des Ausweises. Bei «Geschäftsbeziehungen mit erhöhtem Risiko» und ab einer Summe von 100 000 Franken müssen auch der wirtschaftliche Hintergrund des Kunden (Beruf, Familien- und Einkommenssituation) und die Herkunft des Geldes abgeklärt werden.

Die Firma MWB war nicht zu einer Stellungnahme zum «Frontal 21»-Bericht bereit. Die zuständige Selbstregulierungsorganisation (SRO) hat aber zusammen mit der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei die Firma «genau geprüft» und keine Unregelmässigkeiten festgestellt. Der MWB-Mitarbeiter habe im Filmbeitrag sowohl die Identität des Kunden festgestellt als auch den wirtschaftlichen Hintergrund abgeklärt, teilt die SRO mit. Letzteres ist aus dem Filmbeitrag aber kaum ersichtlich, ebenso wenig eine Abklärung der Herkunft des Geldes.

«Falls sich der CS-Mitarbeiter in St. Margrethen so verhalten hat wie im Film dargestellt, entspricht dies nicht den internen Vorgaben der Bank», meint ein CS-Sprecher auf Anfrage. Hingegen liegt für die Bank kein Verstoss gegen strafrechtliche Normen oder Standesregeln vor. Ob seine Bank mit der MWB zusammenarbeite, konnte der CS-Sprecher wegen des Bankgeheimnisses nicht bestätigen. Generell müssten externe Vermögensverwalter die gleichen Sorgfaltspflichten wie die Bank selbst anwenden: «Jede Kontoeröffnung durchläuft mehrere interne Kontrollprozesse, die darauf ausgelegt sind, allfällige Verstösse gegen Vorschriften festzustellen. Dies geschieht unabhängig davon, ob ein eigener Kundenberater oder ein externer Vermögensverwalter die Eröffnungsdokumente einreicht», so der CS-Sprecher weiter.

Bei Verdacht auf Verstoss gegen das Geldwäschereigesetz muss die Justiz von Amtes wegen ermitteln. Die Eidgenössische Bankenkommission und die Zürcher Justizbehörden wollen keine Auskunft geben, ob sie das Verhalten der Credit Suisse in St. Margrethen untersuchen.

Die deutschen Appelle an die Schweiz, den Schwarzgeldschmuggel zu unterbinden, verhallen ungehört. Die Argumente des Bundesfinanzministeriums scheitern an der Schweizer Gesetzgebung. So nützt es auch wenig, wenn ein Ministeriumssprecher darauf hinweist, «das Einsammeln von Kundengeldern in Deutschland und anschliessende Bargeldkurierdienste bedürfen nach dem deutschen Kreditwesengesetz einer Erlaubnis». Wer diese Tätigkeit ohne Erlaubnis ausübt, macht sich in Deutschland strafbar. In der Schweiz sind grenzüberschreitende Geldtransporte grundsätzlich aber legal.

Die Schweiz ist der EU im Rahmen der Bilateralen II entgegengekommen und leistet künftig auch Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung im Bereich der indirekten Steuern. Bei den direkten Steuern hält die Schweiz aber zum Leidwesen Deutschlands und anderer Staaten an ihrem Sonderstatus fest. Der Schwarzgeldschmuggel wird trotz des neuen Steuerrückbehalts für Zinszahlungen an EU-Bürger weitergehen, denn die Schweizer Finanzinstitute wissen, wie man die Besteuerung umgeht.

André Rothenbühler

ist Mitarbeiter der Aktion Finanzplatz Schweiz, Basel.