Credit Suisse: Die Bank für alle

Nr. 8 –

Die häufigen Skandale um die Schweizer Grossbank Credit Suisse sind kein Zufall. Das Problem ist nicht das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter:innen, sondern die Geschäftsstrategie der Bank. Diese ist nur möglich, weil die Schweizer Gesetzgebung viel zu zahm ist.

Ob Diktator, Spion oder Menschenhändler: Die Credit Suisse war bei der Vergabe ihrer Konten grosszügig. Überraschend sind die jüngsten Enthüllungen des internationalen Recherchenetzwerks Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) nicht. Die Grossbank ist immer wieder über die Grenzen des Erlaubten hinausgegangen. Dank eines Whistleblowers erkennt man jetzt genauer, mit welcher Systematik die Bank vorgegangen ist.

Ganz offensichtlich zieht die CS Potentaten an. Schon der philippinische Diktator Ferdinand Marcos oder der nigerianische Herrscher Sani Abacha horteten vor der Jahrhundertwende Hunderte Millionen auf CS-Konten. Nun wissen wir, dass während des Arabischen Frühlings von 2011 auch die politischen Eliten aus Ägypten, Libyen, Syrien, Jordanien, Algerien und Oman Millionen auf CS-Konten bunkerten.

Auch die Beziehung zu korrupten Akteuren der fossilen Industrie scheint eng: Allein zwei Dutzend venezolanische Geschäftsleute, Politiker und Beamte, die in Verbindung mit dem staatlichen Ölkonzern PDVSA stehen, konnten bei der CS ein Konto eröffnen. Und eng war auch die Beziehung zu dubiosen Gestalten der Geheimdienstszene.

Laut der CS sind die Enthüllungen allerdings Schnee von gestern. Neunzig Prozent der im Leak erwähnten Konten seien inzwischen aufgelöst. Bei den anderen sagt sie, «dass die entsprechende Sorgfaltspflicht angewendet wurde». Sie sieht hinter der Veröffentlichung des Recherchenetzwerks eine «konzertierte Aktion», um ihr und generell dem Schweizer Bankenplatz zu schaden.

Toxische Firmenkultur

Die CS kann sich allerdings nicht damit herausreden, dass es sich um alte Geschichten handelt. «Grundlegende Regeln galten auch schon vor zwanzig Jahren», sagt David Mühlemann von der NGO Public Eye. Die Bank müsse wissen, wer der eigentliche Kunde sei. Bei politisch exponierten Personen müsse besonders sorgfältig abgeklärt werden, ob das Geld aus legalen Quellen stamme. Zudem war es auch schon vor zwanzig Jahren illegal, Geld zu waschen und Korruption zu begünstigen. Nehmen die Schweizer Strafbehörden ihren Job ernst, müssten sie also ermitteln.

Auch ist es fraglich, ob die CS heute so sauber dasteht, wie sie behauptet: Das OCCRP schreibt mit Verweis auf rund ein Dutzend anonyme Quellen innerhalb der Bank von einer «hochtoxischen Firmenkultur». Hohes Risiko werde belohnt. Bei Superreichen würden oft beide Augen zugedrückt. Auch die jüngsten CS-Skandale um den Hedgefonds Archegos und das Finanzunternehmen Greensill bestätigen diesen Befund. Von einer veränderten Firmenkultur ist nichts zu spüren. Dafür spricht auch, dass sich die Bank seit Jahren als klimafreundlich anpreist, gleichzeitig jedoch Milliardenkredite in die fossile Industrie pumpt.

Der Fisch stinkt vom Kopf her. Die Bank wird faktisch von einigen Investment- und Hedgefonds, dem katarischen Staatsfonds und dem saudischen Grosskonzern Olayan kontrolliert. Letztere beide hatten die Bank in der Finanzkrise von 2008 mit einer Milliardenspritze gerettet. Wenn die Grossaktionäre es wollten, hätten sie schon längst eine andere Firmenkultur etablieren können. Aber offenbar will man gerade eine Bank, die bis an die Grenzen des Erlaubten und darüber hinaus geht – selbst wenn deswegen der Aktienkurs einbricht.

Bankgeheimnis gilt noch immer

Um sich abzusichern, investiert die CS viel in ihr Renommee. Ob die Fussball-Superliga, Roger Federer oder das Zürcher Kunsthaus: Das CS-Logo ist immer präsent. Die Grossbank sponsert neuerdings auch die Universität St. Gallen mit zwei Millionen Franken jährlich. Bei der direkten Parteienfinanzierung ist die CS weit vor allen anderen Unternehmen: Eine Million macht sie dafür pro Jahr locker.

Auch wenn die CS global agiert: Die Schweiz ist zentral für die Bank, nicht nur wegen des sicheren Umfelds. Zwar kennt die Schweiz seit 2017 den automatischen Informationsaustausch, das heisst, Bankdaten von Ausländer:innen werden den jeweiligen Heimatländern zugestellt und umgekehrt. Doch für rund neunzig Länder gilt das nicht: Die meisten davon sind Schwellen- und Entwicklungsländer wie Venezuela und Ägypten.

«Faktisch gilt für diese Länder das Schweizer Bankgeheimnis noch immer», sagt Dominik Gross, Finanz- und Steuerexperte bei Alliance Sud. Ausserdem gebe es viele Möglichkeiten, den Informationsaustausch zu umgehen. Gross zeigt das am Beispiel eines nigerianischen Ölhändlers: «Ein Schweizer Anwalt kann für diesen einen Trust auf den Bahamas gründen. Der Händler taucht dabei nicht auf. Dennoch ist es diesem Trust dann möglich, ein Konto auf einer Schweizer Bank zu eröffnen.»

Kommt hinzu, dass die Kompetenzen der Aufsichtsbehörde Finma begrenzt sind. Zwar habe ein Wandel innerhalb der Finma stattgefunden, sagt Mühlemann von Public Eye. Doch: «Die Finma braucht schärfere Sanktionsmöglichkeiten, besonders gegen Wiederholungstäter.» Laut Dominik Gross braucht es schärfere Gesetze gegen Steuerhinterziehung. Ausserdem dürften Whistleblower:innen nicht länger kriminalisiert werden. Und es brauche einen wirklich globalen Informationsaustausch – damit das Schweizer Bankgeheimnis endlich Geschichte wird.