Strommarkt: Feuchter Brocken

Nr. 40 –

Die Liberalisierung setzt mittelgrosse Energieunternehmen unter Druck. Dem Elektrizitätswerk Nidwalden entstehen zudem aus dem Hochwasser hohe Kosten.

Die Nidwaldner Bevölkerung ist stolz auf ihr Elektrizitätswerk EWN. Das zeigte etwa die Ablehnung des so genannten EWN-Gesetzes vor drei Jahren. Es sollte dem Werk mehr «unternehmerische Freiheit» gewähren, doch das Stimmvolk wollte sich sein Mitspracherecht sichern, und so gehört das Unternehmen weiterhin ganz dem Kanton. Aber den kantonalen Strombedarf kann das EWN bereits seit den sechziger Jahren nicht mehr mit den eigenen Kraftwerken decken. Heute wird gerade noch 37 Prozent des verkauften Stroms selber produziert. Den grossen Rest liefern die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW). Und ein Teil ist Atomenergie aus kleinen «Unterbeteiligungen» des EWN.

Die CKW gehören zu 73 Prozent dem grossen schweizerischen Stromversorger Axpo und haben das erklärte Ziel, den Zentralschweizer Strommarkt zu beherrschen. Sie kontrollieren bereits weitgehend die Stromversorgung in den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri. An den Wasserwerken Zug sind sie mit zwanzig Prozent beteiligt, zudem unterhalten sie das Hochspannungsnetz der übrigen Innerschweiz. Die für Nidwalden sehr wichtigen Kraftwerke Engelbergeraa gehören je zur Hälfte dem EWN und den CKW.

Weggefegtes Verteilnetz

Dieses Jahr werden die NidwaldnerInnen noch deutlich mehr Strom vom grossen Partner CKW beziehen müssen. Wasser, sonst ein Segen für die Energieproduktion, hat am 22. August drei von vier Kraftwerken im Engelbergertal während Wochen lahm gelegt. Die Hochwasser füllten die Ausgleichsbecken mit Kies und Schlamm, beschädigten Anlagen und fegten das Verteilnetz im Engelbergertal weg. EWN-Direktor Christian Bircher schätzt die Kosten für die reine Schadensbehebung auf 1,5 Millionen Franken, die Kosten für zusätzliche Lieferungen der CKW auf «deutlich mehr». Eventuell könne das EWN dies aus Rückstellungen bezahlen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr betrug der Betriebsgewinn 7,7 Millionen, die Bilanzsumme belief sich auf 179,2 Millionen Franken. Eine Investition von 15,1 Millionen für eine neue Druckleitung steht an. Allerdings scheut man sich, all diese Kosten auf die KundInnen zu überwälzen: Sowohl das EWN wie auch die CKW haben sich mit tieferen Tarifen bereits auf eine liberalisierte Stromversorgung eingestellt.

«Die Zusatzkosten sind sicher ein riesiger Brocken fürs EWN», sagt Werner Geiger, der als Energiefachmann an der Ausarbeitung des Stromversorgungsgesetzes beteiligt war, das jüngst der Nationalrat beraten hat. Der Experte aus Ebikon schätzt aber, das Nidwaldner Werk könnte den Mehraufwand wegstecken - vorausgesetzt, die CKW liefern Strom tatsächlich zu den üblichen Tarifen. EWN-Chef Bircher behauptet, dies sei der Fall.

Geiger erachtet die Abhängigkeit des EWN von den CKW und der Axpo als kritisch. «Im Moment ist die Zentralschweiz aufgeteilt, aber es ist vorstellbar, dass der bernische Energieversorger BKW sich für diese Region interessiert.» Die CKW teilen offenbar diese Auffassung und entwerfen Gegenstrategien. Ihr Finanzchef Beat Schlegel: «Wir wollen weiter expandieren. Das könnte durch den Aufkauf von Gemeindewerken im BKW-Raum geschehen, und in der Zentralschweiz käme ein Netzzukauf infrage. Falls sich die kantonalen Werke in richtige Aktiengesellschaften wandeln, würden wir uns sicher Beteiligungen überlegen.»

Interessante Endverbraucher

Die Durchleitung bleibt laut EWN-Direktor Bircher auch nach einer Liberalisierung des Strommarkts bei den CKW. Das neue Stromversorgungsgesetz sieht dafür einen Preisrahmen vor. Doch ausser an diesem «Wegzoll» sind die Grossen vor allem an den EndverbraucherInnen interessiert. An diese versuchen sie durch den Netzaufkauf der Gemeinde- und mittleren Kraftwerke oder durch Preisdrückerei heranzukommen.

Rolf Zimmermann, Vertreter des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds in der Expertenkommission zum Stromversorgungsgesetz, befürchtet, die Grossen würden nun einen «Verdrängungswettbewerb mit tiefen Strompreisen anzetteln». Kleinere Energiebetriebe könnten dann mit dem Problem von schnell wechselnder Kundschaft konfrontiert sein. Laut Bircher hat das EWN aber vorgesorgt und langfristige Verträge mit dem Spital, der Verwaltung und den Flugzeugwerken Stans abgeschlossen. Rolf Zimmermann allerdings meint: «Geschäfte, die tiefere Preise stabileren vorziehen, werden trotzdem versuchen zu kündigen.» Und Werner Geiger sieht voraus: «Die Grossen werden sich die Rosinen herauspicken wollen, auf welche die mittelgrossen Werke angewiesen sind.»