Familienbetrieb: «Niemand redet mir drein»

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Seit fast vierzig Jahren betreiben Rosmarie Zuber und ihre Schwester im Baselbiet eine Schnapsbrennerei und einen Obsthandel. Bald soll die dritte Generation Zuber den Familienbetrieb übernehmen.

Obstbäume sind ihr Leben. Seit 37 Jahren betreibt Rosmarie Zuber - zusammen mit ihrer Schwester Yvonne - in Arisdorf eine Schnapsbrennerei und einen Obsthandel. Ihr Betrieb liegt in einem weiten, windgeschützten Talkessel knapp vier Kilometer südöstlich des Rheins. Der langgezogene Ort im nördlichen Tafeljura zählt weniger als zweitausend EinwohnerInnen und fast dreissig Bauernbetriebe. «Schauen Sie sich dieses Tal an. Das Klima ist ideal für Kirschbäume. Nirgends in der Schweiz gibt es so viele wie in dieser Region», sagt Rosmarie Zuber. Praktisch ihr ganzes Leben hat die 63-Jährige hier im Baselbiet verbracht. Gelernt hat Rosmarie das Geschäft von ihrem Vater, der die Ernst Zuber AG 1933 gründete. «In einem Familienbetrieb hilfst du von Kindsbeinen an mit», sagt die Unternehmerin. Das war für sie alles andere als eine unangenehme Pflicht: «Im Sommer in die Ferien zu verreisen, das war die schlimmste Strafe für mich, denn da war hier immer so viel los.» Der Vater übertrug seinen vier Töchtern auch Verantwortung. «Mit zwölf Jahren war ich bereits Sammelstellenleiterin», erinnert sich Rosmarie Zuber. Das bedeutete: das Obst von den Bauern abkaufen, wiegen und prüfen.

«Wir ergänzen uns perfekt»

Doch den Betrieb übernehmen, das wollte die zweitälteste Tochter nie. «Ich bin die Kreative in der Familie. Ich wollte Künstlerin werden.» Stattdessen besuchte sie die Handelsschule, leitete während einer Saison ein Hotel in Italien und arbeitete nach ihrer Rückkehr sieben Jahre in einem Reisebüro. Bis der Vater 1970 einen Schlaganfall erlitt. «Klar war immer, dass die Jüngste - Yvonne - mal den Betrieb übernimmt», sagt Zuber, «aber nicht alleine.» Die anderen Schwestern wollten nicht einspringen, also erklärte sich Rosmarie bereit, ein Jahr lang mitzuhelfen. Aus den zwölf Monaten wurden schliesslich 37 Jahre. Die fünf Jahre jüngere Schwester ist zuständig für alles Technische und für das Brennen des Schnapses, Rosmarie macht den Rest. Ihre Erklärung für die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit leuchtet ein: «Wir ergänzen uns perfekt, weil wir extrem verschieden sind. Sie kann, was ich nicht kann, und ich kann, was sie nicht kann. Ich rede ihr nicht drein und sie mir nicht.» In den fast vierzig gemeinsamen Jahren hat es laut Rosmarie Zuber noch nie einen Streit gegeben, der länger als ein paar Stunden anhielt. «Wir machen beide Fehler, aber wir halten sie uns nicht vor.» Das hat auch damit zu tun, dass Rosmarie lieber vorwärts als rückwärts schaut: «Was gestern passiert ist, interessiert mich heute nicht mehr.» Gab es in all den Jahren keine Krisen, nie das Bedürfnis, den Bettel hinzuschmeissen oder zu verkaufen? «Natürlich gab und gibt es schwierige Phasen oder ein schlechtes Erntejahr. Auch als ich mich scheiden liess, war das eine happige Zeit», sagt die dreifache Mutter.

Rosmarie Zuber möchte das Geschäft spätestens in zwei Jahren an eines ihrer Kinder übergeben. Ihre Schwester Yvonne ist kinderlos. Rosmarie Zubers jüngster Sohn - der 25-jährige Stephan - arbeitet bereits im Betrieb mit. «Er ist technisch sehr begabt», sagt Zuber. Tochter Gaby wiederum - sie arbeitet bei Feldschlösschen - wäre laut der Mutter ebenfalls geeignet, weil sie sehr gut degustieren kann. Was muss man laut Rosmarie Zuber sonst noch mitbringen, um ihr KMU mit sechs Festangestellten erfolgreich zu führen? «Du musst Freude am Obst haben und bereit sein, hart zu arbeiten. Du trägst ein grosses Risiko bei bescheidenen Margen. Und man muss nicht von der Universität St. Gallen mit irgendwelchen Tabellenkalkulationen daherkommen, sondern bis zum Abend dafür sorgen, dass die Ware weg ist.» Die Ware, das sind im Durchschnitt bis zu dreissig Tonnen Kirschen in der Hauptsaison, die in den Handel gehen oder zu Edelbrand und Likör verarbeitet werden. Gebrannt wird das ganze Jahr. Bis zur Weihnachtszeit sind die Kirschen dran, danach die Birnen. 85 Prozent der Früchte - Äpfel, Zwetschgen, Mirabellen, Quitten - liefern die LandwirtInnen aus der Region, die Aprikosen und Birnen stammen aus dem Wallis. Gleich in Mengen von 200 Litern liefern die Zuber-Schwestern ihren Schnaps an Confiserien. Den Rest verkaufen sie in Flaschen, beispielsweise an das Warenhaus Globus oder an verschiedene Fachgeschäfte. Ins Ausland liefert die Zuber AG nur wenige Produkte. Die grosse Expansion muss nicht sein, nicht auf Biegen und Brechen. Rosmarie Zuber spekuliert nicht gerne - und vor allem meidet sie die Abhängigkeit von den Banken.

Findige Strategien

Rund vier Millionen Franken erwirtschaften die Schwestern jährlich, zusammen mit ihren Angestellten. Früher gab es in der Region 28 Betriebe wie die Ernst Zuber AG, heute nur noch drei. «Entweder konnten die Unternehmer das Nachfolgeproblem nicht lösen, oder sie haben es versäumt zu investieren. Das passiert mir nicht, mein Geld stecke ich in meine Firma», sagt Rosmarie Zuber. Zudem entlässt sie niemanden, wenn es mal ein schlechtes Jahr gibt. «Dann versuche ich, die Angestellten eben anders zu beschäftigen.» So ist beispielsweise neben dem Obsthandel und der Schnapsbrennerei noch der Handel mit Spritz- und Düngemitteln dazugekommen.

Die Zuber-Schnäpse sind preisgekrönt, seit Jahren. Die jüngsten Medaillen wurden im Oktober von Distiswiss verliehen, der Vereinigung der drei Schweizer Berufsverbände der Spirituosenbranche. «Natürlich ist die Prämiererei eine schöne Sache, das kann man gut vermarkten», sagt Rosmarie Zuber. «Aber ich freue mich noch viel mehr, wenn jemand extra hierhergereist kommt, um unsere Produkte zu kaufen.» Hierher, das ist die alte Mühle von Arisdorf, ein wunderschönes, renoviertes und unter Denkmalschutz stehendes Gebäude. Ihr Vater hat früher nicht nur mit Obst gehandelt, sondern auch eine Kundenmühle betrieben. Heute werden in der alten Mühle die Schnäpse verkauft und Apéros im ehemaligen Lagerraum mit der gewölbten Decke veranstaltet. Hier stellt Rosmarie Zuber auch ihre Aquarellbilder aus, denn Künstlerin ist sie dann doch noch geworden. Das kommt dem Geschäft in Form von prachtvoll bemalten Flaschenetiketten zugute.

Wie schafft Rosmarie Zuber es nach so vielen Jahren, die nächste Aufgabe - diesmal das Weihnachtsgeschäft - immer noch mit Herzblut anzugehen? «Ich konnte immer machen, was ich wollte. Ich konnte etwas bewegen, was nicht nur mir zugute kam, sondern auch anderen. Ich habe einen volkswirtschaftlich wichtigen Beitrag geleistet», sagt sie. «Und ich kann meinen Enkelkindern einiges erzählen.» ◊