«Das Lachen der Hexe»: Dramaturgische Folter

Nr. 22 –

Historische Romane über Hexen und Hexenprozesse sind keine Seltenheit. Berühmt geworden ist Anna Göldin, die «letzte Hexe», der Eveline Hasler im Jahr 1982 ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Margrit Schribers Weg zu den Hexen führt in die Innerschweiz, genauer gesagt ins Muotatal. Dort heiratet Anna Schmidig 1706 den angesehenen Kastenvogt Hans Leonhard Gwerder, genannt Lienert (und übrigens nicht, wie der Klappentext fälschlicherweise anzeigt, dessen bösen Bruder Meinrad, der später Annas Vormund wird!). Anna kommt von ausserhalb, sie ist eine Fremde und zudem eine ganz ungewöhnliche Frau. Unter dem Schutz des Kastenvogts macht sie einen Handel auf und schliesst auf diese Weise das Muotatal an die Welt an. Einige Zeit geht alles gut, sogar den «Buckel» verzeiht man Anna, die mit ihrem unbändigen Lachen Sympathien gewinnt. Doch als Gwerder stirbt, greifen Missgunst und Neid um sich: Anna wird unter Vormundschaft gestellt, der Besitz wird ihr aberkannt. Schliesslich wird sie als Hexe verleumdet und «eingezogen»; 1753 stirbt sie in Schwyz an den Folgen der Folter.

Was Schribers Roman ungewöhnlich macht, ist die Konstruktion der Geschichte. In genau berechneten Vor- und Rückblenden spannt sie die LeserInnen mit Annas Schicksal auf die dramaturgische Folter: Obwohl man weiss, dass Annas Ende unausweichlich ist, hofft man bis zum Schluss auf Rettung. Dabei schmiegt sich Schriber in den Duktus der Zeit, ohne dialektal unverständlich zu werden, und kreiert eine Fremdheit, die schon deshalb beklemmend ist, weil das, was Anna passiert - Ausgrenzung, Verleumdung, Übergriffe -, auch zwei, drei Jahrhunderte später noch immer aktuell ist.

Margrit Schriber: Das Lachen der Hexe. Nagel & Kimche. Zürich 2006. 142 Seiten. Fr. 30.80