Frankreich: Die erlittene Zuwanderung

Nr. 24 –

Das neue AusländerInnengesetz von Innenminister Nicolas Sarkozy legt ZuzügerInnen neue Steine in den Weg.

Das Zentrum für administrative Verwahrung trägt im Volksmund den Namen «Ausländerdepot». Gemäss einer Zeitungsmeldung vom Dienstag soll es endlich geschlossen werden. Zumindest die Männerabteilung, für die Frauen wird es noch eine Weile dauern. In dieser Verwahrungsanstalt unter dem Pariser Justizplast warten «unerwünschte» AusländerInnen in Gruppen von zehn bis dreizehn Personen in dunklen Gemeinschaftszellen auf ihre Ausschaffung. Schon 1995 hatte eine Untersuchungskommission des Europarats von katastrophalen Hygiene- und Sicherheitsbedingungen gesprochen. Doch die Zustände dauerten, unmerklich verbessert, fort. Allerdings: Wenn das «Depot» endlich dichtmacht, dann deshalb, weil ein neues Ausschaffungsgefängnis mit grösserer Kapazität in der Nähe der Pferderennbahn im Pariser Stadtwald von Vincennes bereitsteht. Dort sollen über 280 Ausschaffungshäftlinge auf einmal festgehalten werden können, wenn auch unter sauberen Bedingungen.

EinwanderInnen aus Nicht-EU-Ländern haben unter Innenminister Nicolas Sarkozy nicht viel zu lachen. «Erlittene» und «ausgewählte Zuwanderung» lauten die beiden Schlüsselbegriffe seines neuen Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von AusländerInnen, das am 17. Mai in der Nationalversammlung und am Mittwoch vergangener Woche auch im Senat angenommen worden ist. «Erlitten», das bedeutet, dass Frankreich die Anwesenheit unerwünschter AusländerInnen hinnehmen muss. «Ausgewählt» dagegen darf sich nennen, wer Frankreich in Zeiten des Arbeitskräftemangels in bestimmten Sektoren eine besondere Fertigkeit anzubieten hat. Die Philosophie ist dieselbe wie jene des Bundesgesetzes über die AusländerInnen, über das am 24. September in der Schweiz abgestimmt wird und in dem es heisst: «Aufenthaltsbewilligungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit können nur Führungskräften, Spezialistinnen und Spezialisten und anderen qualifizierten Arbeitskräften erteilt werden.» In Sarkozys Gesetz, das mutmasslich im Juli in Kraft treten kann, lautet die Formel dafür «Kompetenzen und Talente».

Falsches Wohnquartier

Unerwünschten AusländerInnen wird künftig der Nachzug von Angehörigen erschwert. So werden die Wartefristen verlängert und zusätzliche verschärfte Bedingungen gestellt: Ein Ausländer, eine Ausländerin muss sich in die Gesellschaft integriert haben und über einen akzeptablen Wohnraum und Wohnort verfügen. Wer als integriert gilt, wird genauso vom jeweiligen Bürgermeister entschieden wie die Frage, ob eine Wohnung akzeptabel ist. Auch für mit französischen StaatsbürgerInnen verheiratete AusländerInnen wird es schwerer werden. Sie können erst sechs Monate nach Eheschliessung eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Nach nunmehr drei Jahren – früher waren es einmal sechs Monate – sollen sie die französische Staatsbürgerschaft beantragen können. Gewährt wird ihnen die aber nur noch, wenn sie wiederum den Integrationsnachweis erbringen.

Die Bedingungen im Asylbereich wurden schon vor einem halben Jahr drastisch verschärft. So werden nur noch Anträge behandelt, die binnen drei Wochen nach Einreise mit einer ausführlichen Begründung in Französisch formuliert worden sind.

Diskrete SozialistInnen

All diese Verschärfungen werden die Situation der schlecht qualifizierten Lohnabhängigen in Frankreich nicht verbessern. Die meisten Gewerkschaften haben begriffen, dass diese Form von Abschottung nichts bringt. Als die konservative Regierung im März beschloss, ab dem 1. Mai den Arbeitsmarkt für die BürgerInnen der acht osteuropäischen EU-Beitrittsländer nur selektiv zu öffnen – nur in Sektoren, in denen Arbeitskräftemangel herrscht – und ansonsten die Ausnahmebedingungen aufrechtzuerhalten, protestierten fast alle Gewerkschaften. Nicht die Anwesenheit ausländischer LohnempfängerInnen sei das Problem, erklärten sie, sondern das Verhalten der Unternehmen. Diese müssten deshalb zur Einhaltung allgemeiner Mindestbedingungen gezwungen werden.

Proteste gibt es auch gegen das neue Ausländergesetz. Dem «Bündnis gegen eine Wegwerf-Zuwanderung» gehören über 600 Vereinigungen an. Am 13. Mai demonstrierten 20000 bis 30000 Menschen in Paris gegen den Entwurf. Am vorigen Samstag waren es erneut rund 5000, und am Sonntag nahmen mehrere hundert an einem Protest-Picknick teil. Am 1. Juli sind weitere Aktionen geplant. Dabei hält sich die Sozialistische Partei – die grösste Opposition im Land – diskret zurück. Ihre Parlamentsfraktion stimmte zwar gegen die Verschärfungen in Sarkozys Entwurf. Aber ihre mutmassliche Präsidentschaftskandidatin im kommenden Jahr, Ségolène Royal, liess sich mit einem dringenden Termin entschuldigen und blieb der Abstimmung fern; zwei sozialistische Abgeordnete stimmten gar mit der Rechten.