Lex Koller: Die Umverteilungsmaschine

Nr. 24 –

Weil sie die Nachfrage nach Immobilien begrenzt, ist die Lex Koller ein taugliches Mittel, um den Anstieg der Mieten zu dämpfen. Jetzt soll sie abgeschafft werden. Die Zürcher SP-Gemeinderätin Jacqueline Badran versteht nicht, wieso die SP in ihrem neuen Wirtschaftskonzept nicht Stellung bezieht.

Die Lex Koller schränkt die Nachfrage nach Boden und Immobilien wirksam ein. Sie schliesst potenzielle KäuferInnen aus, die weder in der Schweiz wohnen noch hier ein Geschäft betreiben, sondern Immobilien nur als blosse Kapitalanlage erwerben wollen. Sie ist das einzige antispekulative Instrument, das wir in der Schweiz haben, denn eine Einschränkung der Nachfrage bei einigermassen konstantem Angebot hat eine preissenkende Wirkung.

Der Zweckartikel des Gesetzes ist allerdings unglücklich gewählt: «Dieses Gesetz beschränkt den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, um die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern.» Es geht aber nicht um Überfremdung - mit diesem Argument liessen sich die Beschränkungen in den sechziger und siebziger Jahren aber gut verkaufen (vgl. Kasten «Lex Koller»).

In den letzten Jahren wurde die Lex Koller verschiedentlich gelockert: So können seit dem 1. April 2005 Personen im Ausland Anteile an börsenkotierten Schweizer Wohnimmobiliengesellschaften erwerben. Auf Drängen der FDP soll die Lex Koller nun ganz abgeschafft werden.

Die BefürworterInnen ignorieren, dass damit ein massiver Anstieg der Nachfrage und Preiserhöhungen verbunden wären. Sie sagen, das Gesetz sei ein alter Zopf, der Zweitwohnungsbau in den Tourismusgebieten sei auch mit flankierenden raumplanerischen Massnahmen in den Griff zu bekommen. Zudem würde die Aufhebung zu wesentlichen volkswirtschaftlichen Impulsen in der Bauwirtschaft führen.

Das ist Unsinn. Die Baubranche boomt, fast in der ganzen Schweiz sind die Baugesuche in den letzten Jahren auf Rekordwerte geklettert - und dies trotz der Lex Koller. Natürlich kann der Zweitwohnungsbau in besonders exponierten Tourismusgebieten wie Zermatt oder im Oberengadin durch raumplanerische Massnahmen kontrolliert werden. Sämtliche ImmobilienanalystInnen sind sich allerdings einig, dass AusländerInnen ohne Wohnsitz (respektive ohne Lebensmittelpunkt in der Schweiz) immer mehr auch in den grossen Städten Zweitwohnungen an guten Lagen nachfragen. Hier, wie auch generell zur Nachfragedämmung, versagt aber die Raumplanung als Instrument. Im Gegenteil: Sie schränkt in der Regel das Angebot ein. Folge davon ist, dass die lokale Wohnbevölkerung in den Tourismusgebieten kaum noch bezahlbaren Wohnraum findet.

Das Rezept der Immobilienbranche

Seit dem Börsencrash 2000/2001 ist vieles anders geworden. Die Finanzwelt setzt wieder auf den traditionellen Wert von Grund und Boden. Seither fanden riesige Kapitalumschichtungen statt: Die Immobilie als Geldanlage hat gegenüber Aktien und Obligationen massiv an Bedeutung gewonnen. Insbesondere haben indirekte Anlageinstrumente wie börsenkotierte Immobilienfonds und -gesellschaften zugenommen. In Deutschland kauften in den letzten Jahren britische und US-amerikanische Immobilienfonds riesige Immobilienbestände auf. So erwarb letztes Jahr eine amerikanische Beteiligungsgesellschaft für umgerechnet 5,4 Milliarden Franken 82 000 Wohnungen von der Versicherungsanstalt für Angestellte. Auch viele Grosskonzerne geben ihre einst aus sozialem Denken heraus gebauten Werkswohnungen unter dem Druck des Kapitalmarktes auf. Man rechnet damit, dass über eine Million Wohnungen in den nächsten Jahren deswegen die Hand ändern werden. Das Rezept der Immobiliengesellschaften ist denkbar einfach: Mit bis zu 90 Prozent Fremdkapital, das sie billig beschaffen können, werden die Käufe getätigt. Die Zinsen werden durch die Mieteinnahmen refinanziert. Den Gewinn erzielt man durch Verkäufe der einzelnen Wohnungen mit Aufschlägen bis zu 50 Prozent. Dementsprechende Traumrenditen wurden in den vergangenen Jahren erzielt: 2003 und 2004 betrug die Eigenkapitalrendite bis zu 45 Prozent. Im Jahr 2005 haben sich diese Werte etwas abgeflacht. ExpertInnen sind sich aber einig: Eine Kursblase ist nicht zu befürchten, da Einnahmen aus Immobilieninvestments für gewöhnlich durch langfristige Mietverträge gesichert sind.

In der Schweiz sieht die Lage nicht viel anders aus - langsam, aber stetig werden die Immobilienmärkte zu Kapitalmärkten umgebaut. Immobilien wandeln sich von Wertanlagen zu Ertragsanlagen. Die AkteurInnen werden grösser und mächtiger, die Kapitalakkumulation wächst explosionsartig. In den neunziger Jahren wurden aus Industrieunternehmen wie Maag und Feldschlösschen Immobiliengesellschaften. Grosskonzerne transferierten ihre Immobilien in Aktiengesellschaften, und selbst staatsnahe Unternehmen wie Swisscom und SBB professionalisierten ihr Immobilienmanagement. 1999 kam der erste steuerbefreite Immobilienfonds auf den Markt. 2000 gingen die drei Immobilienunternehmen Allreal, PSP und SPS an die Börse. 2005 folgte die Lockerung der Lex Koller, die AusländerInnen den Erwerb von Anteilen an Immobilienfonds ohne Meldepflicht erlaubt. Seit 2002 hat sich die Marktkapitalisierung von Schweizer Immobiliengesellschaften von rund drei Milliarden Franken auf sechs Milliarden Franken verdoppelt. Ihr Kapital muss in reale Objekte angelegt werden; erwartet wird eine Rendite von mindestens sechs bis acht Prozent.

Grösstes Armutsrisiko: die Miete

Vor allem wegen der beruflichen Mobilität steigt die inländische Nachfrage nach Zweitwohnungen in den Ballungsgebieten. Auch die steigende Scheidungsrate und die grössere Zahl von Singles lässt den Bedarf nach Wohnraum ansteigen. Die bereits erwähnte Zunahme von in- und ausländischen Immobilienfonds schafft einen zusätzlichen Nachfragedruck.

Man braucht keine gelernte Ökonomin zu sein, um zu begreifen, welche Konsequenzen dies auf die Boden- und Immobilienpreise und natürlich auch auf die Mieten haben wird. Dies obwohl die Zinsen historisch tief sind und so viele Wohnungen wie schon lange nicht mehr auf den Markt kommen. So stiegen die Mieten zwischen 1982 und 2004 um insgesamt 85 Prozent, während im gleichen Zeitraum der Landesindex der Konsumentenpreise nur um 46 Prozent anstieg. Die Bruttomietbelastung stieg auf gut 20 Prozent eines Haushaltseinkommens. 1990 lag sie noch bei rund 14 Prozent. Die Miete ist heute in einem Haushalt der mit Abstand grösste Kostenfaktor. Bei Haushalten mit geringem Einkommen erreicht die Bruttomietbelastung 35 bis 45 Prozent und ist somit das Armutsrisiko Nummer eins.

Anders als vom Bundesrat erwartet, wird die Aufhebung der Lex Koller keinen Wachstumsimpuls auslösen - im Gegenteil: Denn in der Schweiz gibt es nur bei der Binnennachfrage eine markante Wachstumsschwäche, und ausgerechnet die Binnennachfrage würde nach einer Aufhebung der Lex Koller weiter geschwächt. Analysen zum Phänomen der schwachen Binnennachfrage listen alle möglichen Ursachen auf, ignorieren aber die wichtigste: Die über die Teuerung steigenden Mietpreise fressen jegliche Reallohnsteigerungen weg. Wie soll da mehr konsumiert werden? Gut ein Drittel der zunehmenden Ungleichheit in der Schweiz ist auf die gestiegenen Mieten zurückzuführen, wie eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) aus dem Jahr 2002 zeigt. Die Mieten sind zum grössten Umverteilungsfaktor von unten nach oben geworden. Durch diese Entwicklung sind die Mittelschichten zunehmend vom Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum an gewünschten Lagen ausgeschlossen und werden an die Peripherie gedrängt. Gemeinnützige Wohnbauträger sind auf das Wohlwollen von Städten und Gemeinden angewiesen. Ob Miete oder Eigentum, diese Entwicklung zementiert zunehmend die Tendenz, dass es zwei volle Einkommen braucht, um eine Familie durchzubringen.

SP soll Lex Koller verteidigen

Im Wirtschaftskonzept der SP wird das vergangene Jahrzehnt als Jahrzehnt der Umverteilung analysiert. Gemeint sind Umverteilungen von den mittleren zu den hohen Einkommen - was auch zutrifft. Der Umverteilung zwischen dem Einkommen auf Arbeit und dem Einkommen auf Kapital wird aber zu wenig Beachtung geschenkt. Die SP beklagt zu Recht die Hochpreisinsel Schweiz, konzentriert sich dabei allerdings auf die Medikamentenpreise und die Krankenkassenprämien. Dabei schlagen die Mieten mit Abstand am meisten zu Buche.

Alles spricht dafür, dass wir uns vordringlich mit den Mieten und Immobilienpreisen beschäftigen und dafür sorgen, dass der Anteil am Haushaltseinkommen wieder deutlich sinkt. Schliesslich ist es die Kernaufgabe der Sozialdemokratie, dafür zu sorgen, dass die Einkommen aus Arbeit und Kapital nicht zu weit auseinander klaffen und die beiden Produktionsfaktoren einigermassen gerecht vergütet werden.

Deshalb darf die Lex Koller nicht abgeschafft werden, vielmehr sind die Lockerungen der letzten Jahre rückgängig zu machen. Eine nachfrageseitige Einschränkung ist ein nötiges Instrument, um die Preise zu dämpfen. Sollten Bundesrat und Parlament die Lex Koller tatsächlich aufheben, so soll die SP das Referendum dagegen ergreifen. Ich zumindest bin in die SP eingetreten aus der Überzeugung, dass man mit ehrlicher Arbeit Geld verdienen soll und nicht mit «Haben».


Die Lex Koller: Seit Beginn der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat der Bundesrat den Grundstückskauf von AusländerInnen erschwert. Von der Lex von Moos über die Lex Furgler und die Lex Friedrich bis zur heute noch gültigen Lex Koller wurden die Bestimmungen mal strenger, mal lockerer formuliert. Parallel dazu mobilisierte die Nationale Aktion mit dem Schlagwort vom «Ausverkauf der Heimat» nationalistische Ressentiments und brachte unter diesem Namen 1984 eine Volksinitiative zur Abstimmung, die mit 48,9 Prozent Ja-Stimmen nur knapp scheiterte. Wäre die Initiative angenommen worden, wären alle Grundstück- und Liegenschaftsverkäufe an nicht in der Schweiz ansässige AusländerInnen verboten worden. Der Bundesrat hat im vergangenen November beschlossen, die Lex Koller aufzuheben. Das Geschäft kommt nun ins Parlament.

Das SP-Wirtschaftskonzept: An ihrer Delegiertenversammlung vom 24. Juni in Delémont wird die SP ihr Wirtschaftskonzept verabschieden. Anfang 2005 hatte die Parteileitung einen Prozess eingeleitet, um den ökonomischen Sachverstand der Partei zu bündeln. Verantwortlich für das Konzept sind die beiden NationalrätInnen Susanne Leutenegger Oberholzer und Jean-Noël Rey. Alle wichtigen Wirtschaftsbereiche sind umfassend dargestellt, die Positionen der Partei sauber aufgelistet. Im Mittelpunkt stehen Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum. Das Wirtschaftskonzept ist realpolitisch ausgerichtet und hat eine mittelfristige Perspektive. Es ersetzt das Konzept von 1994, das unter der Federführung des damaligen Parteipräsidenten Peter Bodenmann entstanden war.

Die Zürcher SP-Gemeinderätin Jacqueline Badran ist Biologin und Ökonomin und beschäftigt sich hauptsächlich mit Wirtschafts- und Umweltthemen.