Die Uno und der Krieg gegen den Libanon:
Kommt eine Resolution, oder kommt sie nicht?: Wer warum blockt oder bockt
Vier elend lange Wochen dauert nun schon der Krieg zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im Libanon. Über tausend Tote und noch viel mehr Verwundete hat dieser Krieg bereits gefordert - zu neunzig Prozent unter der libanesischen Bevölkerung. Hinzu kommt die weitreichende Zerstörung libanesischer Städte sowie der zivilen Infrastruktur des Landes, das sich gerade erst von einem beinahe zwanzigjährigen Bürgerkrieg erholt hatte.
Dennoch hat es der Uno-Sicherheitsrat bislang nicht vermocht, sich auch nur auf eine einzige Resolution zu diesem Konflikt zu einigen. Auch die am letzten Wochenende nach Vorlage eines gemeinsamen Resolutionsentwurfs von Frankreich und den USA aufkeimenden Hoffnungen, der Rat werde jetzt wenigstens einmal für eine vorübergehende Kampfpause sorgen, haben sich bislang nicht erfüllt. Das Scheitern des Sicherheitsrates liefert wieder einmal Anlass zu pauschaler, undifferenzierter Kritik an der «unfähigen, ineffektiven Uno». So manche KritikerInnen, besonders in westlichen Hauptstädten und Medien, sehen erneut den Beweis erbracht, dass die Uno zumindest für die Beendigung und Befriedung kriegerischer Konflikte nicht mehr die geeignete Organisation sei und dass diese Aufgabe besser der Nato übertragen werden solle.
Wie häufig in den letzten fünfzehn Jahren seit Ende des Kalten Krieges übersieht derartige Pauschalkritik an der Uno auch im aktuellen Fall wesentliche Fakten.
Mehr als zwei Drittel der fünfzehn Mitglieder des Sicherheitsrates wollten schon vor drei Wochen eine Resolution mit der Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe verabschieden. In zwei weiteren Resolutionen wollten sie Israel zumindest milde kritisieren wegen der Tötung von vier unbewaffneten Uno-Soldaten durch einen «offensichtlich vorsätzlichen Luftangriff» (Uno-Generalsekretär Kofi Annan) sowie von mindestens 28 ZivilistInnen in einem Haus im südlibanesischen Kana. Alle diese Bestrebungen wurden von den USA aber per Veto-Androhung zunichte gemacht. Auf diese Weise verhinderte Washingtons Uno-Botschafter John Bolton sogar eine Untersuchung der beiden tödlichen Vorfälle durch die Uno.
Zwar hat die Bush-Regierung durch die Vorlage des mit Frankreich ausgehandelten Resolutionsentwurfes ihre Totalblockade des Sicherheitsrates inzwischen aufgegeben. Doch das ist kaum mehr als ein taktischer Schwenk. Denn faktisch läuft dieser Resolutionsentwurf weiterhin auf die Unterstützung der Politik der israelischen Regierung und ihrer Kriegsführung hinaus. Die Regierung Olmert lehnt eine «sofortige» Einstellung aller Kampfhandlungen ebenso ab wie den Abzug der inzwischen rund 15 000 israelischen SoldatInnen aus dem Südlibanon. Beides wird in dem Entwurf nicht verlangt. Der Entwurf fordert lediglich die «vollständige» Beendigung aller Feindseligkeiten und aller «offensiven Militäroperationen». Das lässt Israel die Möglichkeit zur Fortsetzung «defensiver» militärischer Handlungen.
Warum hat die französische Regierung diesen Resolutionsentwurf mit seiner einseitigen Parteinahme für die israelische Position überhaupt mit eingebracht? Eine Spekulation lautet, dass Paris fest mit der - inzwischen erfolgten - Ablehnung des Entwurfs durch Libanon und die Arabische Liga gerechnet hat. Ein ähnliches Kalkül hat womöglich auch Russland dazu bewogen, Zustimmung zum Resolutionsentwurf zu signalisieren, sich dann aber der ablehnenden Haltung des Libanons und der Arabischen Liga anzuschliessen mit der einleuchtenden Begründung, eine Resolution des Sicherheitsrates ohne Zustimmung des Libanons sei «nutzlos». Moskaus Kehrtwende dürfte auch in dem Kalkül erfolgt sein, Position und Einflussmöglichkeiten Russlands in der arabischen Welt wieder zu verbessern. Aus ähnlichen Motiven wird wahrscheinlich auch China seine Zustimmung zu dem ursprünglichen Resolutionsentwurf korrigieren und sich den Änderungsforderungen Libanons und der Arabischen Liga anschliessen.
Die Zustimmung Beiruts zu einer Uno-Resolution wird es nur geben, wenn in der Resolution der vollständige Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Südlibanon gefordert wird. Auch eine Kooperation der Hisbollah-Milizen zumindest in Form der Respektierung einer vom Uno-Sicherheitsrat verlangten Waffenruhe ist nur vorstellbar, wenn Israels Streitkräfte aus dem Südlibanon abgezogen werden. Diese Forderung aber lehnt die Bush-Regierung weiterhin kategorisch als «unverhandelbar» ab. Unterstützt wird diese erneute Vetodrohung Washingtons im Sicherheitsrat lediglich von Britannien. Die anderen Ratsmitglieder können sich dieser Drohung der USA zwar wieder beugen und eine Resolution ohne diese Forderung verabschieden. Eine solche Resolution hätte allerdings keinerlei Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Sollte die Mehrheit des Sicherheitsrates der Vetodrohung der Bush-Regierung jedoch nicht nachgeben, wird es vorerst keine Uno-Resolution geben. Egal, welches der beiden Szenarien Realität werden sollte: Sicher scheint, dass dieser Krieg noch viele Tage, wenn nicht sogar Wochen andauern wird.