Geld und Ethik: Gewinn fürs Gewissen
Wer Geld nachhaltig anlegen will, greift oft auf das Angebot der Hausbank zurück. Eine unabhängige Beratung ist leider rar, und Vergleichsmöglichkeiten fehlen auch.
Dass man auch mit Nachhaltigkeit Geld verdienen kann, haben mittlerweile die meisten Banken und Unternehmen begriffen. Hingegen tun sich viele schwer mit der sogenannten sozialen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility). Nestlé beispielsweise presst noch aus den ärmsten Slums den letzten Rappen heraus. Der Nahrungsmittelmulti, der letztes Jahr einen Reingewinn von über neun Milliarden Franken und einen Umsatz von fast hundert Milliarden Franken erzielte, hat beispielsweise in den brasilianischen Favelas fast 4000 Frauen rekrutiert, die dort Nestlé-Produkte verkaufen sollen - auf eigenes Risiko.
Wer als AnlegerIn in Nachhaltigkeit und soziale Unternehmensverantwortung investieren will, kauft entweder Aktien eines bestimmten Unternehmens oder einen Fonds. Dieser bildet einen bestimmten Markt oder eine Branche repräsentativer ab als das Wertpapier eines einzelnen Unternehmens.
Laut der Branchenorganisation Swiss Funds Association sind in der Schweiz über 600 Milliarden Franken in rund 5000 Anlagefonds investiert, aber nur etwas über vier Prozent dieser Gelder sind in rund fünfzig Fonds nachhaltig angelegt. Verglichen mit dem gesamten Anlagevolumen machen die ethisch-ökologischen Anlagen weniger als ein Prozent aus. Doch der Markt für nachhaltige Anlagen wächst - vor vier Jahren gab es nur halb so viele Anbieter entsprechender Produkte, und weniger als ein Zehntel des heutigen Betrages war nachhaltig angelegt.
Viele Definitionen
Vielleicht bewirken die weltweit zunehmenden Umweltprobleme und die immer grösser werdende Kluft zwischen Arm und Reich eine Veränderung des Investitionsverhaltens. Nicht nur private, sondern auch institutionelle AnlegerInnen wie Pensionskassen sollten mehr hinterfragen, was die Banken mit ihren Geldern anstellen. Die Geldinstitute führen zwar mittlerweile ganze Abteilungen, die sich mit Nachhaltigkeit und sozialer Unternehmensverantwortung befassen. Trotzdem gelten die ethisch-ökologischen Anlagen immer noch als Nischenprodukte, die sich offensichtlich nicht einer breiteren AnlegerInnenschicht vermitteln lassen. Oder gibt es noch andere Gründe? «Dieses Geschäft überlasse ich denen, die etwas davon verstehen», sagt beispielsweise Thomas Braun, Geschäftsführer der mehrfach ausgezeichneten Finanzboutique Braun, von Wyss und Müller. Das Problem beginnt für den erfolgreichen Fondsmanager bereits bei der Definition von Nachhaltigkeit. Denn die kann jeder definieren, wie er will. «Wer dieses Geschäft seriös betreiben will, muss sich tief in die Thematik einarbeiten. Wir wollen da nicht rumbasteln, sondern schicken interessierte Kunden gleich weiter an die Spezialisten», sagt Braun.
Davon sitzen beispielsweise eine ganze Menge bei der Bank Sarasin. Diese betreibt bereits seit 1989 eigene Nachhaltigkeitsanalysen. Sarasin war auch die erste Bank in der Schweiz, die 1991 mit der nachhaltigen Vermögensverwaltung begann und 1994 einen Nachhaltigkeitsfonds auflegte. Chef über die neunzehnköpfige Abteilung in Basel ist Andreas Knörzer. Er weiss, dass ethisch-ökologische Anlagen in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen haben: «Wir begannen mit zwanzig Millionen Franken, heute legt Sarasin vier Milliarden nachhaltig an.» Das ist tatsächlich eine stolze Steigerung, nur: Gemessen am von der Bank Sarasin verwalteten Gesamtvermögen machen diese ethischen Anlagen nur rund sechs Prozent aus.
Das Wachstum in den letzten zwei bis drei Jahren ist laut Knörzer vor allem einer grösseren Nachfrage vonseiten der Pensionskassen zu verdanken. Davon zählt die Basler Bank bereits einige zu ihren Kunden, so etwa jene der englischen Umweltbehörde, aber auch grosse Schweizer Kassen wie jene der Post und kleinere alternative Kassen wie die Stiftung Abendrot. Dazu kommen Kirchen und gemeinnützige Organisationen. Aber auch Privatkunden finden hier Beratung und Produkte. Knörzers Fazit: «Es läuft eigentlich gut, solange den ethischen Anlagen eine Nischenexistenz zugestanden wird.»
Was müsste sich ändern, damit solche Anlagen Standard werden? «Nachhaltige Anlagen müssen aktiv betreut werden», erklärt der Experte. Konkret heisst das: Eine massgeschneiderte Lösung kostet vergleichsweise mehr als «Massenware», also beispielsweise Fonds, deren Aktien einen Index abbilden und die mit einem relativ kleinen Aufwand betreut werden können. Wer also auf alternative Anlagen setzt, kann seinen Profit nicht immer maximieren.
Ein Boom?
Auch die in Zürich und Wien ansässige Vermögensverwaltung und Anlageberatung von Elisabeth Höller spezialisiert sich seit mehr als zehn Jahren auf nachhaltige Anlagen. Ihr Unternehmen legte den ersten Ethikfonds im deutschsprachigen Raum auf. Doch solche Anlagen müssen auch verkauft werden. Laut Vermögensverwalterin Höller liegt hier häufig ein Problem: «Ich denke, der Erfolg wird im Privatkundenbereich erst dann kommen, wenn die Banken ihre Mitarbeiter entsprechend schulen. Stattdessen verunsichern sie die Investoren oft mit unklaren Informationen.»
Vor mehr als 15 Jahren gründete eine Gruppe von bewegten Linken die Alternative Bank (ABS), weil sie sich einen anderen Umgang mit Geld wünschte. Ethisch-ökologische Anlagen würden eigentlich perfekt in dieses alternative Konzept passen. Doch für die Errichtung eines einzelnen Fonds braucht es einige Millionen Franken und einen langfristigen Horizont. Und es braucht das entsprechende Know-how. «Wir vermitteln seit einigen Jahren ausgewählte Ökofonds von Sarasin und Raiffeisen», sagt Edy Walker von der ABS. Derzeit sei man daran, die Produktpalette im Anlagegeschäft auszubauen und eigene Produkte zu entwickeln, zum Beispiel die Vermittlung von Kapital an nicht börsenkotierte, ökologische oder ethische Unternehmen. «Die von uns selbst entwickelten Produkte stossen bei unseren Kunden auf grösseres Interesse als solche, die man überall kaufen kann», sagt Walker.
«Meines Erachtens steht der Boom bei den nachhaltigen Anlagen erst noch bevor», sagt Matthäus den Otter, Präsident von Swiss Funds Association, der 1992 gegründeten Branchenorganisation der Schweizer Fondswirtschaft. «Die Anleger müssen sich noch davon überzeugen lassen, dass Rendite und ethische Anlagen sich nicht gegenseitig ausschliessen.»
Der WWF hilft
Den ethisch-ökologischen Investitionen zu mehr Bekanntheit verhelfen könnten Umweltorganisationen wie der WWF. Mitte Januar 2007 lancierte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ihren ersten Nachhaltigkeitsfonds - in Zusammenarbeit mit dem WWF. Die Umweltschutzorganisation ist im Beirat bei der Auswahl von infrage kommenden Unternehmen vertreten. Dabei hat der WWF ein Vetorecht. Laut einer Medienmitteilung will die ZKB zusammen mit dem WWF die nachhaltige Produktlinie ausweiten. Die Nummer drei der Schweizer Banken erfüllt zwar damit «lediglich» ihren gesetzlichen Leistungsauftrag, der sie zu einem nachhaltigen Geschäften anhält, doch das Modell hat Potenzial: Immerhin hat der WWF einen hohen Glaubwürdigkeitsgrad und ist mit 200 000 Mitgliedern sehr bekannt. Wie viel die ZKB diese vorerst auf drei Jahre vereinbarte Zusammenarbeit kostet, will sie nicht preisgeben.
Die Ökonomin Petra Jörg hat eine 2005 veröffentlichte Doktorarbeit über das Anlageverhalten von AkademikerInnen in der Schweiz verfasst. Danach investieren die meisten Befragten ihr Geld als Erstes in ein eigenes Haus. Was danach übrig bleibt, legen sie konventionell an: dritte Säule (private Altersvorsorge), Sparkonto, einzelne Aktien (am liebsten solche aus der Schweiz), Obligationen und gemischte Fonds.
Bei vielen AnlegerInnen scheitert der Kauf eines ethisch-ökologischen Fonds nicht nur am fehlenden Interesse, sondern auch daran, dass das Angebot kompliziert und unübersichtlich ist. Zuerst muss man eine eigene Vorstellung von ethischem und nachhaltigem Wirtschaften entwickeln. Als Nächstes bräuchte es eine unabhängige Plattform, auf der das gesamte Angebot vergleichbar und idealerweise bewertet wäre. Stattdessen stellen Anbieter der Fonds gleichzeitig auch die BeraterInnen. Es gibt keine unabhängige Plattform, die die verschiedenen Produkte zeigt und vergleicht. Erschwerend ist dabei sicher auch, dass es viele verschiedene Definitionen von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung gibt.
Doch nicht nur das Geschäft mit den PrivatkundInnen muss erst noch in die Gänge kommen, sondern auch dasjenige mit den Pensionskassen. Bisher verwalteten diese ihr Milliardenvermögen nur selten nach ethisch-ökologischen Grundsätzen. Dass genau dies jedoch sehr wohl möglich ist, zeigen alternative Kassen wie Nest, Abendrot oder Ethos, die Schweizer Stiftung für nachhaltige Entwicklung: Auch wenn sich mit einer nachhaltigen Anlagepolitik vielleicht nicht die Profite maximieren lassen, so schauen doch anständige Renditen dabei heraus.