«Fabrikgespräch» vom 20. Juni 2007, Rote Fabrik, Zürich: «Klimaschutz und Klimageschwätz. Welche Massnahmen brauchen wir?»

Nr. 26 –

Was es zu tun gälte, damit die Klimaerwärmung nicht in eine Klimakatastrophe mündet, ist allen klar: Wir müssen drastisch weniger Treibhausgase produzieren. Doch statt von weniger sprechen alle nur von mehr: mehr Energieeffizienz. Mehr erneuerbare Energien. Mehr «umweltfreundliche» Autos. Reicht das? Oder müssten wir versuchen, das zu denken, was in einer marktliberalen Ökonomie tabu zu sein scheint: nämlich, mit weniger auszukommen? Und wenn ja: Geht das überhaupt?

WOZ-Wissenschaftsredaktor Marcel Hänggi diskutierte mit CVP-Nationalrätin Kathy Riklin, WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter und Journalist und Buchautor Hanspeter Guggenbühl.

Frau Riklin, Sie kandidieren für den Ständerat. Angenommen, Sie wären der Meinung, wir müssten uns angesichts des Klimawandels einschränken: Kann sich eine Politikerin, die in einer Majorzwahl gewählt werden will, überhaupt erlauben, das zu sagen?

Kathy Riklin: Ich hoffe, dass ich solche Positionen auch im Ständerat vertreten kann, wenn ich es für richtig halte. Bei der CO2-Abgabe hatte der Ständerat den Mut, Ja zu sagen. Deshalb denke ich, dass auch die kleine Kammer unpopuläre Massnahmen ergreifen kann, wenn es notwendig ist.

Sie haben 2003 eine Interpellation zu «CO2-Reduktionsmassnahmen im Strassenverkehr» eingereicht. Man merkte aus dem Text, dass Sie die bislang ergriffenen Massnahmen für ungenügend hielten. Wären Sie bereit, im Bereich der heiligen Kuh Strassenverkehr Einschränkungen zu verlangen?

Riklin: Wir brauchen vor allem eine CO2-Abgabe auch für den Verkehr. Im Kanton Zürich hätte ich da sicher sogar eine Mehrheit hinter mir. In anderen Kantonen eher nicht; das ist das Problem der Randregionen, die immer Angst haben, sie kämen zu kurz. Ich finde, man darf sich auch einschränken und überdenken, ob alles notwendig ist, was man macht; man kann auch mal das Fahrrad nehmen - das ist erst noch gut für die Gesundheit.

Patrick Hofstetter, der WWF International publizierte Anfang Mai eine Pressemitteilung unter dem Titel «Stoppt den Klimawandel: Es ist möglich!» Der Titel ist falsch: Die Erwärmung ginge auch dann noch längere Zeit weiter, wenn ab sofort keine menschgemachten Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangten. Der Ton der Pressemitteilung war sehr optimistisch; der WWF nannte sechzehn angeblich erfolgreiche Fälle von Klimaschutz aus der ganzen Welt, darunter einige fragwürdige. Aus der Schweiz wurde das Carsharing genannt. Zudem argumentierte die Pressemitteilung vor allem mit Kosten-Nutzen-Überlegungen; etwas, was ökologisch ausgerichtete Ökonomen kritisieren. Ist der WWF so sehr darum bemüht, zweckoptimistisch zu sein und den Goodwill aller zu gewinnen, dass er die ideologischen Scheuklappen der offiziellen Ökonomie übernimmt?

Patrick Hofstetter: Beim WWF Schweiz wurden einige heftige Kritiken an dieser Pressemitteilung laut, und wir haben uns entschieden, sie nicht auf Deutsch und Französisch weiter zu verbreiten - ich sage das, um Ihnen zu zeigen, dass unser Meinungsspektrum breit ist. Aber klar: Wir versuchen, zusammen mit der Wirtschaft, die teilweise noch neoklassisch denkt und rechnet, die Klimaerwärmung zu verlangsamen. Das rechtfertigt zwar keine falschen Titel, aber es rechtfertigt, mit der gleichen Sprache zu sprechen mit der Wirtschaft. Unser Ziel ist nicht, dass unsere 200000 Mitglieder in der Schweiz das Klima allein retten, sondern zusammen mit den anderen sieben Millionen Einwohnern. Wir wissen, dass die Bekehrten eine Minderheit sind - im Klimabereich gibt es da immerhin eine erfreuliche Entwicklung: 36 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer nannten den Klimawandel als eines der beiden wichtigsten Probleme, gegenüber noch 18 Prozent im Herbst; ich führe das auf den Al-Gore-Film und den warmen Winter zurück. Diese 36 Prozent sind weltweit Spitze - allerdings lag die Schweiz im Herbst weit zurück.

Sie sagten: Die Wirtschaft denke noch mehrheitlich neoklassisch. Denken nicht alle Unternehmer so?

Hofstetter: Selbstverständlich nicht. Wenn die alle neoklassisch rechnen könnten, sähe die Welt nochmals ganz anders aus … Unternehmertum hat sehr viel mit Vorurteilen, Werthaltungen und so weiter zu tun; die reine Gewinnmaximierung kommt dann am Schluss noch dazu, dessen müssen wir uns bewusst sein. Auch die Wirtschaft, wie die gesamte Gesellschaft, funktioniert nicht nach dem Homo-oeconomicus-Modell.

Hanspeter Guggenbühl, Sie haben in Ihrem Buch «Das Geschwätz vom Wachstum» [zusammen mit Urs P. Gasche, Orell Füssli, 2004] plausibel argumentiert, weshalb ewiges Wachstum nicht möglich ist. Ein jährliches Wachstum um 1,5 Prozent - was von vielen als ungenügend angesehen wird - brächte bis in fünfzig Jahren eine Verdoppelung der Wirtschaft; wüchse die Wirtschaft um 2 Prozent jährlich, müssten unsere Nachfahren in 200 Jahren fünfzig Mal soviel produzieren und konsumieren wie heute. Dieser Unmöglichkeit steht aber eine andere Unmöglichkeit gegenüber: Der wachstumskritische St. Galler Ökonom Hans Christoph Binswanger zeigt in seinem Buch «Die Wachstumsspirale» [2006] ebenso plausibel, dass eine arbeitsteilige Wirtschaft gar nicht nicht wachsen kann. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma zwischen zwei Unmöglichkeiten um?

Hanspeter Guggenbühl: Ich weiss nicht, ob die kapitalistische Wirtschaft tatsächlich einem Wachstumszwang unterliegt. Alle Ökonomen sagen es, alle Unternehmer sagen es, das ist aber eigentlich nicht so sehr mein Problem. Was ich weiss, ist, dass unsere Wirtschaft, selbst wenn sie stationär wäre, auf der Plünderung natürlicher Ressourcen basiert. Die Wirtschaft kann ohne Natur keinen Rappen Wertschöpfung hervorbringen. Die Natur hingegen kann auch ohne Wirtschaft leben. Was ist also prioritär? Die Natur. Ohne kapitalistische Wirtschaft hätten viele Leute natürlich auch ein Problem; ich weiss auch nicht, ob ein anderes Wirtschaftssystem besser damit umgehen könnte, aber man muss sehen: Wenn einige unserer wichtigsten Ressourcen nicht mehr vorhanden sind, wird das Problem des Wachstums sich von selbst lösen, weil die Wirtschaft dann nicht mehr weiter wird wachsen können. Die Frage, die sich die Ökonomen stellen müssten, lautet: Wie bewältigen wir die Schrumpfung? Das müsste eigentlich die zentrale Frage sein. Die natürlichen Ressourcen nehmen ab, deshalb müsste ja eigentlich auch der Verbrauch abnehmen. Aber die Wirtschaftssachverständigen sind dieser Frage gegenüber ratlos. Wenn Politik und Wirtschaft die Kunst wären, unsere Lebensumstände zu gestalten, dann müsste das die ganz zentrale Frage sein.

Frau Riklin, Sie wollen, dass wir den Klimawandel bekämpfen, Sie wollen aber auch Wachstum. Ein von Ihnen eingereichtes Postulat vom letzten Herbst trug den Titel «Informations- und Kommunikationstechnologie. Mehr Wachstum, höhere Produktivität». Können Sie Herrn Guggenbühl sagen, wie wir wachsen können und gleichzeitig den Ressourcenverbrauch reduzieren?

Riklin: Das ist nicht so einfach. Im Informatikbereich geht es ja um ein qualitatives Wachstum. Grössere Wertschöpfung muss nicht unbedingt mehr Ressourcenverbrauch heissen. Man kann ja die Stoffe auch wieder verwerten - das ist zwar heute noch ein grosses Problem, vor allem im Computerbereich, und da schäme ich mich, wenn ich sehe, was da mit unseren alten Geräten in Indien passiert - aber das sind die Herausforderungen. Ein gewisser Widerspruch ist sicher da. Die Gesellschaft will Arbeit unjd Wirtschaftswachstum, und da ist es sicher sinnvoll, gerade im Bereich dieser Technologien etwas zu machen, wir können dank Videokonferenzen Sitzungen virtuell stattfinden lassen, brauchen fast keine physische Post mehr, müssten theoretisch keine Papierberge mehr produzieren - in der Realität ist es dann wieder etwas anders. Es gibt da sicher Bereiche, wo wir dank Fortschritt theoretisch weniger Ressourcen verbrauchen würden.

Man hat in der Anfangszeit der Computerisierung tatsächlich vom papierlosen Büro gesprochen, doch heute wird so viel Papier verbraucht wie nie zuvor - wegen der Computerisierung. Ich konnte auch bis vor kurzem meine Zahlungen bei der Post mit einer Streichliste erledigen, nun habe ich ein elektronisches Kartenlesegerät zugeschickt bekommen. Das lässt mich am qualitativen Wachstum zweifeln.

Riklin: Da haben Sie Recht, und das ärgert mich auch, dass die Post und die Banken jetzt aus Sicherheitsgründen solche Lesegeräte verteilen; am Schluss hat man zu Hause immer mehr Geräte mit vielen ökologisch problematischen Inhaltsstoffen. Ich glaube, wir leben mit diesem Widerspruch, und am Ende muss das Ziel sein, einfache Lösungen zu finden.

Man kann den Widerspruch in Zahlen konkretisieren. Laut IPCC müssen wir den CO2-Ausstoss bis 2050 weltweit um 50 Prozent senken, in den Industriestaaten um 90 Prozent. Bei einem Wirtschaftswachstum von 2 Prozent pro Jahr wächst die Wirtschaft bis 2050 um den Faktor 2,5. Das heisst: Wir müssen bis dann pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts um den Faktor 25 weniger Fossilenergie verbrauchen. Der WWF hat ein Szenario gemacht, wie das möglich sein soll, den globalen Masterplan, zu dem es auch nationale Varianten gibt. Herr Hofstetter, was steht da drin?

Hofstetter: Der Klima-Masterplan verfolgt für die Schweiz tatsächlich diese Zielvorgaben: 30 Prozent weniger Treibhausgase bis 2020, 90 Prozent weniger bis 2050. Es gibt in diesem Plan eine grosse Zahl geänderter Rahmenbedingungen. Wir sehen knapp achtzig Massnahmen vor, von denen wir denken, dass sie hilfreich wären. Wir haben geschätzt, dass etwa zwei Drittel davon auch tatsächlich umgesetzt werden müssen, damit das Ziel erreicht werden kann. Was wir nicht explizit sagen, weil wir es nicht berechnen können, ist die Frage, wie hoch unter diesen Rahmenbedingungen das Wirtschaftswachstum wäre. Grundsätzlich denken wir, dass in vielen Bereichen ein Effizienzpotenzial von einem Faktor 10 besteht - nicht 25, aber Faktor 10; zudem gibt es die Substitutionsmöglichkeiten von fossil zu erneuerbar. Dort sind wir uns als Umweltorganisation bewusst, dass das sehr schnell wieder unerwünschte Zusatzwirkungen haben kann, deshalb haben wir kein 10 000-Watt-Szenario, das vollständig auf erneuerbaren Energien beruht, entworfen, sondern wir wollen zuerst den fossilen Bedarf so weit wie möglich reduzieren und dann den Rest erneuerbar decken.

Sie haben die wichtigsten Richtungen genannt: Effizienz und Substitution. Steht in dem Masterplan auch irgendwo das Wort «Verzicht» drin?

Hofstetter: Dieses unbeliebte Szenario ist explizit nicht vorgesehen; implizit wird es durch die meisten Massnahmen hindurch getragen. Neudeutsch sagt man nicht «Verzicht», sondern «Cap-and-Trade», das heisst, man beschränkt die zur Verfügung stehende Menge und lässt dann den Markt spielen. Wir haben solche Systeme beim Flugverkehr vorgesehen, beim Neuautokauf, bei elektrischen Geräten, das heisst, überall dort ist implizit der Verzichtgedanke drin, auch wenn wir das nicht explizit so nennen.

Hanspeter Guggenbühl, überzeugt Sie das?

Guggenbühl: Ich kenne nicht den ganzen Master-Plan. Aber der WWF war eigentlich der Einzige, der ein solches Szenario gemacht hat, das kein Wachstum vorsieht. Szenarien machen ja alle, auch das Paul-Scherrer-Institut hat eines gemacht und sagte einfach: die CO2-Mengen bis 2050 genügend zu reduzieren, ist unmöglich. Die Umweltorganisationen haben ein Szenario gemacht und sind dabei mit den Emissionen tatsächlich relativ weit herunter gekommen. Sie haben überall die beste verfügbare Technik vorausgesetzt, haben auch noch einige Technologiefortschritte angenommen. Ich habe mir die Annahmen genauer angeschaut, und siehe da: Der WWF ging davon aus, dass der Konsum stabil bleibe. Der WWF hat tatsächlich ein Szenario gemacht, das vielleicht sogar aufgehen kann, aber er hat eine stationäre Wirtschaft vorausgesetzt. Er hat das zwar auch nicht explizit gesagt, man möchte das Unpopuläre nicht so explizit sagen, aber die Annahme war, dass die Konsummenge nicht mehr weiter steige. Das finde ich immerhin schon einen Fortschritt. Bevor wir zur Schrumpfung des Verbrauchs übergehen, können wir mindestens mal dank Effizienz und erneuerbaren Energien etwas verbessern. Aber solange wir eben diese Wachstumsraten haben, bleibt es so, wie wir es empirisch schon lange verfolgen können: Es werden zwar markante Effizienzverbesserungen erzielt, aber der Zuwachs schlägt die Effizienz. Es gibt natürlich schon lange den Glauben an die Entkoppelung von Verbrauch und Wachstum. Gestern habe ich die neueste Weltenergiestatistik gelesen, und da sehen wir wieder: Die Weltwirtschaft ist 2006 um etwa 5 Prozent gewachsen, der Energieverbrauch um 2,4 Prozent. Und der dümmste Energieträger, nämlich Kohle, hat um 4 Prozent zugenommen. Das sind die Fakten.

Hofstetter: Wir stellen uns diese Fragen auch. Wir versuchen derzeit eine Studie zu erstellen darüber, wie viel Wachstum unsere Szenarien zulassen. Als wir dazu Experten und Expertinnen einluden fiel uns auf, dass diese dünn gesät sind. Leute wie Herman Daly, der sich mit Gleichgewichtsökonomie befasst, hat diese Fragen gestellt, für meinen Begriff aber erschreckend wenig gute Antworten gefunden. Es gibt weltweit recht wenig solche Leute. Bezüglich der Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum ist anzufügen, dass diese von 1970 bis 2000 tatsächlich stattfand, viel Wirtschaftswachstum und deutlich kleineres Energieverbrauchswachstum; aber in den letzten fünf Jahren ist das nicht mehr so, der Energieverbrauch nimmt fast gleich viel zu wie die Wirtschaftsleistung, was vor allem an den Entwicklungen in den Schwellenländern liegt.

Guggenbühl: Seit 1965 hat der Weltenergieverbrauch um 281 Prozent zugenommen, der Ölverbrauch um etwa 250 Prozent. Natürlich gibt es eine Entkoppelung, denn die Wirtschaft ist in derselben Zeit wahrscheinlich um etwa das Vierfache gewachsen. Aber dieser Energieverbrauch besteht aus der Plünderung. 86 Prozent des gesamten Weltenergieverbrauchs beruht auf Rohstoffen, die nicht nachwachsen. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass wir das Konsumniveau, das wir haben und das die ärmeren Länder anstreben, mit dem aufrechterhalten können, was nachwächst. Aber man versucht es natürlich. Um das Wachstumssystem zu retten, kommt man dann auf so perverse Ideen wie unsere Nahrung den Autos zu verfüttern - nur um dieses völlig ineffiziente Verkehrssystem zu erhalten. Ich als Velofahrer muss langsam darum kämpfen, dass meine Spaghetti nicht in Autotanks verschwinden.

Frau Riklin, offenbar nützen die bisher ergriffenen Massnahmen gegen den Klimawandel noch nichts. Mir fällt auf, dass immer von Anreizen die Rede ist, nie von Verboten. Alles muss marktgerecht sein. Niemand fordert Verbote oder etwa Baustopps für Strassen. Dabei haben Verbote in anderen Politikfeldern durchaus Hochkonjunktur: Ich denke an die Rauchverbote. Weshalb eigentlich zwingt man Zigarettenhersteller, auf die Päckchen zu schreiben «Rauchen tötet», während wir auf unsere Autos nicht schreiben «Autofahren tötet»?

Riklin: Statt von Verboten könnten wir ja von Normen sprechen, und ich glaube, der Weg führt jetzt schon in die Richtung von Normen. Ich war bei der Ausarbeitung des CO2-Gesetzes von Anfang an dabei, zu Beginn noch nicht als Nationalrätin, sondern als Mitglied einer Studiengruppe der CVP Schweiz. Die Wirtschaftsvertreter wollten unbedingt dieses CO2-Gesetz, denn das seien marktwirtschaftliche Instrumente; nur ja keine Verbote. Als wir dann sahen, dass wir das Ziel des Gesetzes mit freiwilligen Massnahmen nicht erreichen und eine CO2-Abgabe einführen sollten, brachten dieselben Leute plötzlich alle möglichen Ausreden. Unsere Gesellschaft lebt von solchen Ausflüchten. Ich denke, wir müssen Normen finden, Gebrauchslimiten beispielsweise. Das hat uns die EU klar vorgemacht, in der Schweiz sind wir völlig erlahmt. Wir haben unglaublich Mühe mit Verboten in der Schweiz. In einer liberalen Gesellschaft muss man den Leuten aber Grenzen setzen, die erreichbar sind, keine absoluten Verbote.

Guggenbühl: Ich bewundere ihren Optimismus, wenn Sie glauben, dass das eingehalten wird. Wir haben in unseren Gesetzen wunderschöne Ziele, beispielsweise betreffend die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene. Oder eben das CO2-Gesetz. Wir werden all diese Ziele nicht erreichen.

Hofstetter: Du willst damit sicher nicht sagen, dass wir aufhören sollen, Ziele zu setzen. Wir müssen beginnen, zielorientierte Massnahmen zu haben. Cap and Trade ist ein Instrument, das geeignet ist, vorgegebene Ziele zu erreichen, wenn man das Cap richtig festsetzt - im Beispiel Alpentransit ist das die Transitbörse, die nun vermutlich noch kommt, und der einzige Fehler daran ist, dass sie zehn Jahre zu spät kommt. Diese Art von Massnahmen ist grundsätzlich geeignet, einem Zielpfad zu folgen.

Fast alle Instrumente zielen auf den individuellen Verbraucher. Aber es gibt ja auch Strukturen, die uns zu einem bestimmten Verhalten zwingen. Neue Strassen üben einen gewissen Zwang aus, diese auch zu benutzen. Deshalb ist es doch widersprüchlich, die Autokäufer zu motivieren, weniger verbrauchsstarke Autos zu kaufen, und gleichzeitig neue Strassen zu bauen. Man weiss, dass ab einem gewissen Wohlstandsniveau die Zufriedenheit nicht mehr steigt; das hat auch damit zu tun, dass eben auch die Zwänge steigen. Herr Hofstetter, Sie haben sich mit Glücksforschung beschäftigt. Könnten wir auf ein tieferes Konsumniveau zurück, ohne dadurch unglücklich zu werden?

Hofstetter: In der Frage des Rückwärtsgehens fehlt die Empirie. Für unsere Zufriedenheit kommt es stark darauf an, wie viel der Nachbar verdient; wir vergleichen uns ständig. Die Psychologen sagen, dass schon der Gedanke daran, dass es uns in Zukunft besser gehen könnte, uns ein wenig glücklicher macht. Genau das würde ja entfallen, wenn wir unser Wohlstandsniveau einfrieren oder zurückfahren würden.

Guggenbühl: Ich meine auch, wir brauchen nicht unbedingt Verzicht. Es geht darum, wie unsere Meinungen in die Köpfe kommen. Wenn wir das negative Wort «Verzicht» brauchen, können wir in den Köpfen wenig erreichen, aber wir können es anders nennen: Ballast abwerfen, von Zwängen frei werden - das müsste der Schlüssel sein. Die Produktivitätssteigerung der Wirtschaft ist nur möglich, weil unser Konsum immer ineffizienter wird. Deshalb plädiere ich nicht für Konsumverzicht, sondern für effizienteren Konsum.