Flugzeuge: «Sie können rechnen - ich auch»

Nr. 40 –

Beim anstehenden Entscheid für neue Kampfjets geht es um sehr viel Geld. Die LobbyistInnen sind schon in den Startlöchern. Beispiele aus Österreich und Tschechien zeigen, dass Korruption ein treuer Begleiter derartiger Geschäfte ist.

Neue Kampfflugzeuge braucht die Schweiz. So jedenfalls sieht es der Bundesrat, der im Rahmen des Budgets 2008 acht Millionen Franken für Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung (PEB) beantragt. Die Annahme des PEB-Kredits wäre ein Vorentscheid zugunsten der eigentlichen Beschaffung, deren Kosten in die Milliarden gehen würden. Wenig erstaunlich also, dass die Rüstungskonzerne bereits heute um die Gunst der Militärs buhlen. Im Rennen sind die Modelle Eurofighter (EADS), Gripen (Saab), F/A-18 SuperHornet (Boeing) und Rafale (Dassault).

«Gemeinsamkeiten verbinden - besonders wenn es um Denkhaltungen geht. Schweden und die Schweiz sind sich in vielerlei Hinsicht ähnlich. Beides sind Staaten, die aus Überzeugung auf die Neutralität setzen», biedert sich die schwedische Saab in ganzseitigen Inseraten in der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift», dem Organ der Offiziersgesellschaft, an. Auch EADS schaltet dort seit Monaten grossflächige Anzeigen. Saab sponsert die militärischen Wettbewerbe Swiss Tank Challenge und das Swiss Raid Commando, und gleich drei der vier Bewerber (EADS, Saab und Dassault) gehören zu den SponsorInnen der diesjährigen Generalversammlung der Gesellschaft der Luftwaffenoffiziere.

Korruption in Österreich

Wenn mit grossen Werbeetats eine kleine Zahl von EntscheidungsträgerInnen beeinflusst werden soll, ist das Mittel mehr oder weniger direkter Zuwendungen verlockend. Dass die RüstungslobbyistInnen bei der Werbung für ihre Produkte auch mal die Grenze zur Korruption überschreiten, zeigt der Skandal um den Eurofighter-Kauf in Österreich. Nachdem InsiderInnen bei dem Vergabeverfahren lange Zeit Saab in Führung gesehen hatten, fällte die Schüssel-Regierung bei einem Kanzlerfrühstück im Juli 2002 überraschend eine Entscheidung zugunsten des EADS-Kampfjets. Ein Untersuchungsausschuss unter der Leitung des sicherheitspolitischen Sprechers der Grünen, Peter Pilz, brachte in der Folge Erschreckendes ans Tageslicht.

Von LobbyistInnen gesponserte Buffets und Yachttouren gehörten noch zu den kleineren Vergehen. So hatte EADS-Lobbyist Erhard Steininger im Vorfeld des Eurofighter-Kaufs 86700 Euro - rund 140000 Franken - an die Werbeagentur der Frau von Generalmajor Erich Wolf überwiesen, angeblich für ein Marketingkonzept für Airshows. Nur: Vom Konzept existiert bis heute kein Wort.

Mehr Geld floss an «100 % Communications», die PR-Agentur des ehemaligen FPÖ-Bundesgeschäftsführers Gernot Rumpold und seiner Frau. 6,6 Millionen Euro (rund zehn Millionen Franken) erhielten die Rumpolds von EADS, um für den Eurofighter zu werben. Doch ihre effektiven Aufwendungen beliefen sich auf nur 2,3 Millionen Euro. Was mit den übrigen 4,3 Millionen Euro passiert ist, konnte auch der Untersuchungsausschuss nicht restlos klären, der im Juli dieses Jahres seine Arbeit nach 48 Sitzungen und über 6000 Protokollseiten abgeschlossen hat. Klar ist: Die Rumpolds bekamen den EADS-Auftrag wegen ihrer Nähe zur FPÖ, die damals gemeinsam mit Schüssels ÖVP regierte.

Die Korruptionsaffäre in Österreich ist kein Einzelfall. In Tschechien hat Saab im Vorfeld des Verkaufs ihres Gripen grosszügige Zahlungen an Mittelsmänner geleistet. Ake Svensson, der Vorstandsvorsitzende von Saab, antwortete an der Jahresversammlung wie folgt auf die Frage nach der Höhe der Zahlungen: «Ein Prozent von sieben Milliarden Kronen sind 70 Millionen. Dann sind fünf Prozent Provision eben das Entsprechende. Sie können rechnen, und ich auch.» Svensson bestritt, dass ein Teil der umgerechnet über 60 Millionen Franken an tschechische PolitikerInnen geflossen sei. Eine plausible Erklärung für die Millionenprovision blieb er jedoch schuldig.

Auch die anderen BewerberInnen um den Schweizer Kampfjetauftrag haben keine weisse Weste. Boeing wurde im Mai 2006 in den USA wegen Korruption zu einer Geldstrafe verurteilt, und Dassault soll 2002 in Südkorea bestochen haben (wobei die Dassault-Verantwortlichen die Version in Umlauf brachten, die Schmiergeldzahlung sei von der Konkurrenz inszeniert worden, um Dassault aus dem Rennen zu werfen).

Könnte sich Ähnliches auch in der Schweiz zutragen? Natürlich gilt die Unschuldsvermutung auch für Rüstungsindustrielle und Militärs. Gut möglich, dass sich der Schweizer EADS-Lobbyist Franz Egle geschickter verhalten wird als sein österreichischer Kollege Steininger. Immerhin hat Egle, ein ehemaliger Trotzkist, der dann zum Pressesprecher von alt Bundesrat Flavio Cotti wurde, bislang beim Lobbying für Samih Sawiris' Milliardenprojekt in Andermatt keine Fehler gemacht. Doch Österreich ist keine Bananenrepublik - in der Rangliste von Transparency International liegt unser Nachbarland bezüglich Korruptionsfreiheit nur vier Plätze hinter der Schweiz auf Rang 11. Und das Verhältnis von Armee und Rüstungsfirmen ist auch in der Schweiz familiär.

Interessenkonflikte

Die Schlüsselrolle bei der Wahl des Flugzeugtyps für die Schweiz spielen Alfred Markwalder, Chef des Kompetenzzentrums Beschaffung und Technologie, Armasuisse, und Jakob Baumann, Planungschef der Armee. Pikant: Baumann ist gleichzeitig Mitglied des Verwaltungsrats der bundeseigenen Rüstungsfirma Ruag, die je nach Typenentscheidung vom Flugzeugkauf profitieren könnte. Zum einen produziert Ruag Aerospace Teile für die amerikanische F/A-18. Zum anderen wird bei Rüstungskäufen im Ausland vom Verkäufer verlangt, seinerseits für denselben Betrag Güter aus der Schweiz zu beziehen. Auch die Ruag könnte in den Genuss solcher «Kompensationsgeschäfte» kommen. Interessenkonflikte sind also programmiert.

Sowohl Baumann als auch Markwalder sind Vorstandsmitglieder der Schweizerischen Gesellschaft Technik und Armee (STA), die sich auf ihrer Website als «unabhängiges Bindeglied zwischen Armee, Beschaffungsbehörden, Wirtschaft und Wissenschaft» vorstellt und «einen aktiven Beitrag zur Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses» von Militär und Rüstungsindustrie leisten will. Die Vernetzung von Rüstungslobby und Armeespitze in privaten Vereinen erinnert an Österreich, wo der militärisch-industrielle Komplex laut Peter Pilz einer «grossen Familie» gleicht.

Bei der Öffentlichkeitsarbeit wird die STA von zwei weiteren Vereinen unterstützt, deren Websites von der rechtskonservativen PR-Agentur Farner betreut werden, die 1993 die Kampagne gegen die Stopp-F/A-18-Initiative geführt hatte: Vom Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik (asuw), dem 17 ParlamentarierInnen und mehrere Mitglieder der STA angehören, sowie vom Verein Sicherheit und Wehrwissenschaft (VSWW). Letzterer bereitete mit der Publikation eines Berichts unter dem Titel «Luftwaffe vor dem Grounding?» das Terrain für den bundesrätlichen PEB-Antrag vor. Um ein Grounding der Luftwaffe abzuwehren, müsse «eine frühzeitige Aufklärungsarbeit und Kampagnenvorbereitung sichergestellt werden», schrieb der VSWW. Die Aufklärung allfälliger Unregelmässigkeiten bei dem Vergabeverfahren wird anderen überlassen sein - falls es überhaupt zu dem Kauf kommt. Die Argumentation des Bundesrates, wonach die Luftwaffe neue Maschinen benötige, um ihre luftpolizeilichen Aufgaben zu erfüllen, steht jedenfalls auf wackligen Beinen, hat die Luftwaffe doch schon für die heutige Flotte zu wenig PilotInnen. Und eine konkrete Beschaffungsvorlage, die etwa 2010 kommen soll, wird die GSoA mit einer Volksinitiative zu stoppen versuchen.




Tom und Andreas Cassee sind politische Sekretäre bei der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA.

Die belebende Wirkung der GSoA

Meistens stehen SP und Grüne in politischen Auseinandersetzungen Seite an Seite. Die gewichtige Ausnahme ist die Sicherheitspolitik. Dort gibt es zwar auch Berührungspunkte - wie die Ablehnung militärischer Einsätze im Landesinnern. Aber an den Auslandeinsätzen der Armee scheiden sich die Geister. Die SP ist tendenziell dafür, die Grünen sind definitiv dagegen. Diese Differenz hängt auch mit der GSoA zusammen, die auch 25 Jahre nach ihrer Gründung die ausserparlamentarische friedenspolitische Opposition prägt. Und mittlerweile auch im Parlamentsbetrieb eine Stimme hat - diejenige des grünen Zuger Nationalrates Josef Lang. Seit er vor vier Jahren gewählt worden ist, haben sich die links-grünen Gewichte innerhalb der Sicherheitskommission geändert. Die sogenannte «SP Militar» - die altgedienten SicherheitspolitikerInnen um Barbara Haering und Boris Banga - sehen sich herausgefordert. Der Konflikt um die Auslandeinsätze hat sich in den letzten Jahren akzentuiert, weil sich die Verhältnisse geändert haben. Im links-grünen Spektrum waren in den neunziger Jahren militärische Einsätze mit einem Uno-Mandat wegen der Verhältnisse im Balkan unbestritten. Die Blauhelm-Vorlage scheiterte 1994 am Widerstand der isolationistischen Kreise. Auch die zweite GSoA-Initiative, die 2001 abgelehnt wurde, sah vor, bei der Abschaffung der Armee eine militärische Einheit für Auslandeinsätze beizubehalten.

In Ansätzen seit der Nato-Intervention im Kosovo, grundsätzlich dann aber 2003, hat sich das Blatt gewendet. Der Irakkrieg hat gezeigt, dass Militär weniger zum Schutz von hilfsbedürftigen ZivilistInnen eingesetzt wird als zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen. Das gab der GSoA Auftrieb - sie hatte sich in den neunziger Jahren stark mit zivilen Projekten in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien engagiert - und wirkt fort ins politische Tagesgeschäft. Im Parlament entsteht 2003 erstmals seit der Zwischenkriegszeit wieder eine nennenswerte pazifistische Opposition.

Wer hätte das gedacht? Eigentlich war die GSoA ein Projekt der achtziger Jahre mit dem Ziel, die Armee abzuschaffen. Das Ende des Kalten Krieges half dann ein Stück weit mit, als im November 1989 mehr als ein Drittel der Abstimmenden diese Forderung unterstützten. Und eine erfolgreiche Organisation löst sich selten auf: 1992 organisierte die GSoA das Referendum gegen die F/A-18 - mit in kürzester Zeit mehr als 500000 gesammelten Unterschrif-ten, ein Meilenstein der Referendumsdemokratie. Doch dann fiel sie in ein Loch. Mitbegründer Andreas Gross zog sich im Streit zurück und war gegen eine zweite Armeeabschaffungsinitiative. Mit dem Referendum gegen das Militärgesetz, das bewaffnete Auslandeinsätze möglich machte, rief sich die GSoA 2001 wieder in Erinnerung. Es gab, weil auch isolationistische Kreise das Referendum ergriffen hatten, nur eine knappe Niederlage.

Seit 2003 beeinflusst die GSoA indirekt vermehrt auch die SP-Basis. So etwa in der Fragen der Initiative für ein Verbot von Waffenexporten, die gegen den Willen der SP-Führung unterstützt wurde. Das sorgt bisweilen für böses Blut.

Man sollte allerdings die Rivalitäten nicht überbewerten. Die SP findet in der GSoA auch immer wieder eine wichtige Partnerin. So etwa lancieren beide Organisationen gemeinsam eine Initiative, die den Waffenbesitz strenger regeln und insbesondere die Unsitte abschaffen will, Armeewaffen zu Hause aufzubewahren.

Johannes Wartenweiler