Nahostkonferenz: Pokern ohne Einsatz

Nr. 47 –

Das Treffen im US-amerikanischen Annapolis ist ein Witz - aber ganz sicher kein lustiger.

George Bush war vergangenen Juli gerade dabei, eine Rede vorzubereiten. Er suchte nach einem Thema, das dieser ein wenig Substanz verleihen könnte. Etwas, das vom Fiasko im Irak und in Afghanistan ablenken würde. Etwas Einfaches, etwas Optimistisches und etwas, das problemlos geschluckt würde. So kam er wohl auf die Idee, führende PolitikerInnen zu einem Treffen einzuladen, um den israelisch-palästinensischen Friedensprozess voranzutreiben. Wir treffen uns, also sind wir. Und so hat der US-Präsident seine Initiative lanciert - ohne strategische Planung, ohne sorgfältige Vorbereitungen. Deshalb ging Bush in seiner Rede vom 16. Juli auch nicht in die Details: kein klares Ziel, keine Agenda, keine Liste der Beteiligten. Schon das zeugte von mangelnder Ernsthaftigkeit des Unterfangens.

Doch der Präsident hatte gesprochen, jetzt musste gehandelt werden. Die ExpertInnen aller Seiten begannen hektisch, sich auf das vage Ereignis vorzubereiten. George Bush und Aussenministerin Condoleezza Rice wollten beweisen, dass die USA sich sehr um Frieden und Demokratie bemühen. Dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter war es nicht gelungen, den israelisch-ägyptischen Frieden auch zu einem israelisch-palästinensischen Frieden zu machen. Bill Clinton war in Camp David gescheitert. Wenn Bush nun erfolgreich wäre, würde das nicht zeigen, wer der Grösste von allen ist?

Auch der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert benötigt dringend einen politischen Erfolg. Er muss sein Scheitern im Libanonkrieg im Sommer des vergangenen Jahres verdrängen und sich von den zahlreichen Korruptionsvorwürfen in Israel befreien. Zudem möchte er beim Händeschütteln mit dem König von Saudi-Arabien fotografiert werden. Bis jetzt ist dies noch keinem israelischen Ministerpräsidenten gelungen. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas möchte beweisen, dass er dort Erfolg hat, wo sein Vorgänger Yassir Arafat scheiterte: als gleichwertiger Partner der führenden PolitikerInnen der Welt akzeptiert zu werden.

Den Hoffnungen dieser PolitikerInnen nach zu urteilen, könnte es eine grosse Konferenz werden - wenn nicht all diese Hoffnungen Hirngespinste wären. Denn keine der drei Parteien hat politisches Kapital: Bush hätte Druck auf Israel ausüben müssen, um in Annapolis Erfolg zu haben. Aber der US-amerikanische Präsident ist dazu nicht in der Lage. Die USA stecken ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl mitten im Wahlkampf, und die republikanische wie die demokratische Partei stehen wie Bollwerke gegen jeglichen Druck auf Israel: Die jüdische und die evangelikale Lobby werden gemeinsam mit den Neokonservativen nicht erlauben, dass auch nur ein kritisches Wort gegen Israel geäussert wird. Olmert ist sogar in einer noch schwächeren Position: Seine Koalition hält nur, weil es in der Knesset derzeit keine Alternative gibt. Sie schliesst Elemente mit ein, die man in anderen Ländern als faschistisch bezeichnen würde (aus historischen Gründen mögen die Israelis diesen Terminus nicht). Der israelische Ministerpräsident wird von seinen Partnern daran gehindert, Kompromisse einzugehen - selbst wenn er wollte. Kürzlich hat die Knesset beschlossen, dass es eine Zweidrittelmehrheit braucht, wenn die Grenzen von Grossjerusalem verändert werden sollen. Olmert kann also nicht einmal eines der am Rande liegenden palästinensischen Dörfer aufgeben, die 1967 an Jerusalem angegliedert wurden. Seine KoalitionspartnerInnen erlauben ihm nicht, sich den Kernproblemen auch nur zu nähern. Und auch Mahmud Abbas kann sich nicht von den Bedingungen distanzieren, die Yassir Arafat - dessen dritter Todestag vergangene Woche begangen wurde - festgelegt hat. Wenn er das täte, stürzt er. Die drei Pokerspieler werden sich also an einen runden Tisch setzen und so tun, als würden sie ein Spiel beginnen - aber niemand setzt auch nur einen Cent.

Der majestätische Berg, der diese Konferenz einmal zu sein schien, wird immer kleiner. Es ist wie die Umkehrung der Naturgesetze: Je mehr wir uns ihm nähern, desto kleiner sieht er aus. Was für viele zuerst wie ein Mount Everest aussah, wurde zu einem gewöhnlichen Berg, dann zu einem Hügel, und jetzt ist er kaum noch ein Ameisenhaufen.

Ich stelle mir vor, wie Bush sich nachts in seinem Bett wälzt und die Ghostwriter verflucht, die ihm den elenden Satz über das Treffen in den Mund legten. Seine Flüche werden sich mit denen von Olmert und Abbas vermischen. Als die führenden Politiker der jüdischen Gemeinschaft in Palästina daran waren, am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeitserklärung Israels zu unterschreiben, war das Dokument noch nicht fertiggestellt. Sie unterzeichneten ein leeres Blatt. Ich fürchte, dass etwas Ähnliches in Annapolis geschehen wird. Und dann werden alle in ihre jeweiligen Länder zurückkehren - und einen tiefen Seufzer der Erleichterung ausstossen.