USA: Grüne Jobs statt Gefängnisse

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Er kämpft gegen neue Gefängnisse, will sein Land grüner machen und übt sich am Weltwirtschaftsforum in Davos in Small Talk. Dem kalifornischen Aktivisten Van Jones ist es gelungen, überraschende Allianzen zu schmieden.

Der 39-jährige Van Jones bewegt sich im Gewühl des Davoser Weltwirtschaftsforums (Wef) so selbstsicher wie der CEO einer grossen Bank. Er wird seit mehreren Jahren hierher eingeladen und gehört zu den «Young Global Leaders» – den Führungskräften der Zukunft – welche am Wef vernetzt werden sollen. Van Jones lacht, als er erzählt, wie er sich bei seinem ersten Besuch in Davos fühlte: «Ich habe in Gesprächen gesagt, dass ich mich für Jugendliche einsetzte, die aus dem Gefängnis kommen und einen Job suchen. Die Reaktion darauf war meist ‹aha, danke, und bye-bye›.» Doch inzwischen ist Van Jones am Wef kein Sonderling mehr. Er stosse auf zunehmendes Interesse: «Jetzt sage ich, dass ich mich für grüne Jobs für Jugendliche aus den Städten stark mache, und die Leute sagen ‹oh, super› und wollen mehr darüber erfahren. Unser Motto ‹Green for All› klingt einfach gut.»

Tatsächlich hat es Van Jones geschafft, politische Forderungen zusammenzubringen, die weit auseinanderliegen – gerade in den USA. Einerseits vertritt der gelernte Jurist das Amerika der Unterschichten: Hier herrschen Armut und fehlende Aufstiegschancen. Und wie in keinem anderen Land der Welt landen die Unterprivilegierten in den Gefängnissen. Ende 2006 sassen in den USA 2,25 Millionen Menschen hinter Gitter – mehr als je zuvor. Die Gefahr, ins Gefängnis zu kommen, ist für Schwarze mehr als sechsmal grösser als für Weisse. Van Jones hat vor zwölf Jahren in der von AfroamerikanerInnen geprägten kalifornischen Stadt Oakland das Ella Baker Center für Menschenrechte gegründet. Das Zentrum macht Polizeiwillkür öffentlich, bietet Inhaftierten und Angeklagten juristische Unterstützung, fordert Massnahmen zur Gewaltprävention in den Städten, aber auch die Schliessung von Jugendgefängnissen.

Grüne Bay Area

Andererseits setzt sich Van Jones auch für ökologische Anliegen ein und sitzt in den Aufsichtsgremien verschiedener Umweltorganisationen. Jones weiss, dass die Unterprivilegierten kaum ein ökologisches Bewusstsein haben: «Deren Hauptsorgen sind ökonomischer Natur. Was diese Leute brauchen, sind Ausbildungs- und Arbeitsplätze.» Doch wieso diese Anliegen nicht mit ökologischen Zielen verknüpfen? Die AktivistInnen des Ella Baker Centers haben genau in diesem Punkt im kleinen wie im grossen Rahmen erfolgreiche Arbeit geleistet: In Oakland haben sie letztes Jahr die Stadtbehörden überzeugt, eine viertel Million Dollar in ein Ausbildungsprogramm für Jugendliche zu investieren. In diesem sogenannten Green Color Job Corps kann man lernen, Sonnenkollektoren fachmännisch auf Hausdächer zu installieren. «In Kalifornien muss man bis zu drei Monate warten, bis ein dafür geeigneter Handwerker kommt», sagt Van Jones. Er ist überzeugt, dass es im Bereich Umwelttechnik noch sehr viele neue Jobs geben könnte – speziell in Kalifornien, wo sich die Solarindustrie angesiedelt hat und saubere Energiegewinnung inzwischen von den Behörden stark gefördert wird.

Eine Pionierrolle spielt besonders die Gegend um San Francisco und Oak­land, die sogenannte Bay Area. Hier findet selbst die Grüne Partei einigen Zuspruch, während sie auf nationaler Ebene nur ein Schattendasein fristet. So wird die Stadt Richmond von der grünen Bürgermeisterin Gayle McLaughlin regiert. Richmond hat letztes Jahr für ein ähnliches Projekt wie jenes von Oakland eine Million Dollar pro Jahr gesprochen. Die 100 000 EinwohnerInnen zählende Gemeinde subventioniert auch HausbesitzerInnen, die Sonnenkollektoren auf ihr Dach installieren lassen, und zonte ein spezielles Entwicklungsgebiet für grüne Unternehmen ein.

125 Millionen Dollar

Doch auch in der grossen Politik mischt Van Jones inzwischen mit. Massgeblich aufgrund seines geschickten Lobbyierens hat die im US-Parlament tonangebende Demokratische Partei einen Passus in das Ende Jahr verabschiedete neue Energiegesetz eingefügt – den sogenannten Green Job Act. Diesem Passus zufolge sollen jährlich 125 Millionen Dollar Bundesgelder für die Aus- und Weiterbildung von bis zu 30 000 ArbeiterInnen im Umweltsektor fliessen. Zwanzig Prozent des Geldes sollen speziell Leuten zugutekommen, die in Armut leben. Van Jones denkt da etwa an Leute, die selber noch nie einen festen Job hatten und deren Eltern und Grosseltern auch nie längere Zeit für Lohn gearbeitet haben. «Diese Leute auszubilden, ist schwierig», sagt Van Jones. «Sie brauchen Hilfe, damit sie lernen, sich an einem Arbeitsplatz zurechtzufinden.»

Jones ist überzeugt, dass es im Umweltbereich Hunderttausende von neuen Arbeitsplätzen geben könnte: «In einem durchschnittlichen Wohnhaus in den USA lassen sich bis zu vierzig Prozent Energie einsparen, wenn man es richtig isoliert.» Doch dazu seien Fachleute erforderlich, die es derzeit schlicht nicht gebe. Mit staatlicher Unterstützung könnten Häuser energieeffizienter gemacht werden, was auch der krisengeschüttelten US-Bauindustrie zugutekäme und andererseits das Land unabhängiger vom Erdöl mache.

Van Jones grosses Geschick ist es, sogenannte Power-Allianzen zu schmieden, also BehördenvertreterInnen, AktivistInnen aus den Städten, UmweltschützerInnen, Gewerkschaften und Geschäftsleute zusammenzubringen. Dabei weiss er speziell im sonnigen Kalifornien «das grüne Kapital» auf seiner Seite, also die wachsende Ökoindustrie sowie deren InvestorInnen. «Die Idee, gleichzeitig die Umweltverschmutzung und die Armut zu bekämpfen, leuchtet vielen sofort ein.» Die sonst in der US-Gesellschaft übliche Spaltung in Hautfarbe und Klasse werde dabei überwunden. Van Jones sieht dabei Parallelen zur Kampagne des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Oba­ma. Auch dort fänden sich die unterschiedlichsten Leute zusammen: Junge, Schwarze, Weisse, Progressive und selbst gemässigte RepublikanerInnen. Alle wollten sie das Land in eine neue Richtung bewegen.

Doch Van Jones ist Realist: Während in Fragen des Umweltschutzes von den DemokratInnen einiges zu erwarten sei, würde sich im sozialen Bereich nur wenig ändern. Er glaubt nicht, dass die DemokratInnen mit der «Masseninhaftierung» aufhören würden, besonders nicht in Kalifornien, wo der Staat jährlich über sieben Milliarden Dollar in die Gefängnisindustrie pumpt. Neben Bildung ist das der zweithöchste Budgetposten. Auch hier geht es um viele Arbeitsplätze.