Standpunkt: FundamentalistInnen am Werk

Nr. 43 –

Die Skandalbank UBS darf ihre Medizin selber wählen.

Die handstreichartige Rettung der UBS nahm den ursprünglichen Plan des US-Finanzministers Henry Paulson zum Vorbild. Der Verkauf von Ramschpapieren wäre das bevorzugte Lösungsmodell der US-Bankenlobby gewesen. Doch dieser Plan wird in den USA nicht umgesetzt; das Parlament fügte einen Passus ein, der die direkte Kapitalisierung der Banken, also den Kauf von Aktien, ermöglicht. Zunächst sollen 250 Milliarden Dollar dazu verwendet werden, die Banken direkt zu kapitalisieren.

Damit folgen die USA wie europäische Staaten dem Vorbild Britanniens. Überall werden die staatlichen Mittel dazu verwendet, das Eigenkapital der Banken zu stärken, so dass sie die Abschreiber auf den «giftigen» Derivaten überstehen. Die Staaten können als Aktionäre direkt Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen und profitieren, falls sich die Banken erholen. Als Vorbild für diese Art der Bankenrettung dient Schweden. Durch eine temporäre Verstaatlichung der Banken hat das Land seine hausgemachte Bankenkrise Anfang der neunziger Jahre ohne Kosten für das Staatsbudget gelöst.

Wert nicht bestimmbar

Dass der Skandalbank UBS mit staatlichen Mitteln aus der Patsche geholfen wird, ist nicht das Problem. Die Bedeutung der UBS im Interbankenmarkt, auf dem Arbeitsmarkt und als Kreditgeberin hätten einen Kollaps zu gefährlich gemacht. Die Art der Rettung ist hingegen eine Katastrophe. Die Nationalbank gibt einen Kredit von 54 Milliarden Dollar an eine Zweckgesellschaft in der Steueroase Cayman Islands, die der UBS die faulen Derivate abnimmt.

Alle namhaften US-Ökonomen kritisierten am Paulson-Plan, dass der Wert der problematischen «Wertpapiere» gegenwärtig nicht bestimmbar ist. Da es keine Käufer gibt, gibt es auch keine Preise. Mit der Schweizer Lösung werden die Papiere zu jenem Wert übernommen, zu dem sie die UBS in ihrer Bilanz stehen hat. Wenig Vertrauen weckt in diesem Zusammenhang der Bericht der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) zur Subprime-Krise, der am Tag der Rettung publiziert wurde. Darin wird «ein zu unkritisches Vertrauen in die bestehenden Mechanismen zur Risikoerfassung» als «schwerwiegendes Versäumnis der Bank» kritisiert.

Den Rettungsplan hat eine Taskforce bestehend aus Eugen Haltiner (EBK), Philipp Hildebrand (Nationalbank) und Peter Siegenthaler (Finanzverwaltung) ausgeheckt. Haltiner hat bis zu seinem Wechsel ins Direktorium der Eidgenössischen Bankenkommission 2005 während mehr als dreissig Jahren für die UBS gearbeitet, und Hildebrand war Hedgefondsmanager, bevor er zur Nationalbank stiess.

Laut dem Mediencommuniqué der UBS (nicht aber laut jenen des Finanzdepartements und der Nationalbank) soll die Nationalbank bei Verlusten maximal hundert Millionen UBS-Aktien erhalten. Das entspricht gegenwärtig zwei Milliarden Franken. Alle Verluste darüber hinaus trägt die Nationalbank. Sie hat explizit keine Rückgriffsmöglichkeit auf allfällige Gewinne der UBS. Wie Peter Siegenthaler zu behaupten, dass sich die UBS-Rettung «letztlich selbst finanziert», ist entweder sträflich optimistisch oder schlicht gelogen.

Der grösste Teil des UBS-Giftmülls, den die Nationalbank übernimmt, sind Derivate, die sich auf private und geschäftliche US-Hypotheken beziehen. Ihre Verkäuflichkeit und ihr Wert hängt von der weiteren Preisentwicklung auf dem US-Immobilienmarkt ab. Die US-Immobilienpreise sind vor der Krise um 85 Prozent angestiegen. Inzwischen sind sie aber erst um 20 Prozent gefallen. Es braucht also wenig Fantasie für die Voraussage, dass sie in der sich abzeichnenden schweren Rezession noch weiter fallen werden. Damit bleiben die UBS-Papiere unverkäuflich, oder sie können nur mit weiteren Preisabschlägen verkauft werden. Trotz der Gefahr, völlig danebenzuliegen, sei die Schätzung gewagt: Die Nationalbank wird in diesem Deal mindestens zwanzig Milliarden Franken verlieren.

Nur keine Staatsbeteiligung

Der Plan des Bundesrates und der Nationalbank hat noch einen zweiten Teil. Die UBS kann ihren Anteil an der Zweckgesellschaft in der Höhe von sechs Milliarden Dollar nicht selbst aufbringen. Deshalb stärkt der Bund das Eigenkapital der UBS mit sechs Milliarden Franken. Aber nicht durch den Kauf von Aktien, sondern mit einer Pflichtwandelanleihe. Damit wird der Bund erst in zweieinhalb Jahren zum Aktionär der UBS.

Der Bundesrat verzichtet darauf, Einfluss auf die UBS zu nehmen. Andernfalls könnte eine politische Debatte darüber entstehen, wie die UBS in Zukunft aussehen soll. Wäre es nicht längst überfällig, das Investmentbanking abzustossen? Ebenso müsste der Verkauf des Private Bankings (Vermögensverwaltung für sehr reiche Kundschaft) geprüft werden. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, warum die grösste Vermögensverwaltungsbank der Welt eine Schweizer Bank sein muss.

Durch einen Verkauf könnte der Bund nicht nur seine Kosten decken, es entstünde auch eine sehr viel kleinere regionalisierte UBS, bei der das Schweizer Kreditgeschäft eine wichtigere Rolle spielen würde. Damit wäre endlich auch das Klumpenrisiko von zwei Grossbanken in der Schweiz entschärft.

Die UBS könnte weiter für die Herausforderungen der Zukunft fit gemacht werden. Für eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2050 sind weltweit Investitionen von über 50 Billionen Franken nötig. Statt Schuldenkarusselle zu finanzieren, könnte die UBS zur Umstellung auf einen energie- und rohstoffeffizienten, klimaschonenden Produktions- und Lebensstil beitragen. Die Chance, das Heft in die Hand zu nehmen, hat der Bundesrat letzte Woche vertan.

Andreas Missbach arbeitet bei der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern zum Thema Banken und Finanzplatz Schweiz.