Miriam Makeba (1932-2008): Am schönsten stark und weich

Nr. 47 –

Die Kämpferin gegen die Apartheid und wohl berühmteste Stimme Südafrikas ist vergangene Woche gestorben.


Ihr erster grosser Auftritt fiel ins Wasser. Miriam Makeba sollte vor ihrer Highschool ein Solo für den englischen König George VI. und seine Tochter Elizabeth singen, die auf Staatsbesuch in Südafrika waren. Doch dazu kam es nicht. Das lag nicht an dem vorgesehenen Lied, «Hausizi lomunt’ omnyama», das von der Unterdrückung der Schwarzen in Südafrika handelte. Makeba erklärt das in ihrer Autobiografie: «In jenen Tagen verstanden die Behörden nicht, worüber wir sangen, und solange wir nur lächelten und sangen, war alles in Ordnung.» Es lag wahrscheinlich einfach am schlechten Wetter. Miriam wartete im strömenden Regen vor ihrer Schule, doch als die Wagenkolonne des durchreisenden Monarchen sich endlich näherte, war sie auch schon wieder vorbeigebraust. «Sie verlangsamte nicht einmal», schreibt Makeba, «der König sah uns gar nicht und wir ihn auch nicht.»

Zulu-Harmonien und Jazz

Den Aufstieg des Mädchens zur weltweit gefeierten Sängerin und Anti-Apartheid-Aktivistin erlebte George VI. nicht mehr, er starb 1952. Geboren wurde Miriam Makeba 1932 im Township Prospect in Johannesburg, als Tochter einer Frau aus Swaziland und eines Mannes aus dem östlichen Kap. In den Townships sog sie Marabi-Klänge auf und schulte ihre Stimme an Ella Fitzgerald, Billie Holiday und der Südafrikanerin Dolly Rathebe. Mitte der fünfziger Jahre holten sie die bereits berühmten Manhattan Brothers als Sängerin. Die Manhattan Brothers, schreibt der Musikjournalist Lloyd Gedye, «verschmolzen den Sound von US-Bands wie den Mills Brothers und den Ink Spots mit Ragtime, Jive, Swing, Doo-Wop sowie mit afrikanischen Chorälen und Zulu-Harmonien». Auch die Girlband Skylarks, deren Leadsängerin sie zur selben Zeit wurde, mischte US-amerikanische und südafrikanische Traditionen.

1958 lernte die Sängerin Harry Belafonte kennen, der ihr den Weg ins Zentrum der US-Unterhaltungsindustrie ebnete. Der Musiker, Schauspieler und Bürgerrechtsaktivist wurde ihr grosser Bruder. Makebas Erfolg in den USA lag ein wenig auch am guten Timing: Die Bürgerrechtsbewegung hatte Fahrt aufgenommen, und viele AfroamerikanerInnen begannen, den afrikanischen Anteil ihrer eigenen Geschichte wahrzunehmen. Makeba sang bei Märschen des Bürgerrechtlers Martin Luther King jr., sie sang vor dem Präsidenten John F. Kennedy. Weil sie weltweit öffentlich gegen die Apartheid sprach, hatte ihr das Regime mittlerweile die südafrikanische Staatsbürgerschaft entzogen. 1960 durfte sie nicht einmal zum Begräbnis ihrer Mutter einreisen und lebte die folgenden dreissig Jahre im Exil.

Von den USA nach Guinea

Die Musikindustrie liess Makeba schlagartig fallen, als sie 1968 Stokely Carmichael heiratete, einen radikalen Vertreter der Black-Power-Bewegung. Für Carmichael war mit der Ermordung Martin Luther Kings im selben Jahr die Idee der Gewaltfreiheit gescheitert, und Radiosender und MusikveranstalterInnen fürchteten, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. Deshalb verliess das Paar die USA und zog ins westafrikanische Guinea.

Dessen Präsident Sékou Touré hatte dem Land eine Kulturpolitik der «authenticité» verschrieben, die womöglich einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der sogenannten Weltmusik geleistet hat. Westliche Instrumente sollten traditioneller afrikanischer Musik den Weg in die Moderne eröffnen. Makeba hatte immer schon in allen Sprachen gesungen, die ihr unterkamen: in ihrer Muttersprache Xhosa, der Sprache des berühmten «Click Song», ebenso wie auf Französisch, Jiddisch, Swahili und in vielen weiteren Sprachen. Abgesehen davon, dass Guineas erster Präsident zunehmend brutal und diktatorisch wurde - MusikerInnen wurden gut behandelt, sie bekamen sogar ein Gehalt wie Beamte.

Als Makeba an Paul Simons umstrittener «Graceland»-Tour teilnahm, welche 1987 die südafrikanische Musik ein für allemal in die westliche Welt trug, bekam sie Gegenwind von unerwarteter Seite. AnhängerInnen des African National Congress (ANC) boykottierten ein Konzert in London, weil Makeba den von ihr selbst immer wieder verteidigten Kulturboykott Südafrikas gebrochen habe.

Erst 1990, nachdem Nelson Mandela aus der Haft entlassen worden war, kehrte sie nach Südafrika zurück. Obwohl sie bewundert und verehrt wurde, konnte sie nicht mehr an ihre weltweiten Erfolge anknüpfen. 2005 erklärte sie den Abschied von der Bühne und war ab dann auf einer Abschiedstournee, die etwas länger geriet.

Unbekannt bei den Jungen

Miriam Makeba starb so, wie sie lebte, als Musikerin mit dem Herz einer Aktivistin. Das Konzert, während dessen sie zusammenbrach, fand nördlich von Neapel statt. Es war ein Konzert gegen das organisierte Verbrechen Italiens, zugleich in Solidarität mit dem bedrohten Schriftsteller Roberto Saviano und im Gedenken an sechs in Castel Volturno erschossene Immigranten aus Ghana, deren Tod Zeitungsberichten zufolge auf das Konto der Camorra geht.

Die Grösse Miriam Makebas wird nicht automatisch von einer Generation in die nächste getragen werden. Nicht weltweit, und nicht einmal in ihrem Heimatland Südafrika. Die Frau, welche die Stimme des Anti-Apartheid-Kampfs in der Welt war, wird hier von den Jüngeren kaum noch mit Namen gekannt. «Makeba, sagten Sie?», fragt die Buchverkäuferin ratlos, als sie nach der Autobiografie gefragt wird. «Miriam Makeba, hm», sagt ein junger Mann, «wenn ich ein Lied von ihr höre, dann erkenne ich es vielleicht.» Ihre Eltern hörten «solche Musik», sagt eine Dritte, aber nicht sie. «Wir hören eher US-amerikanischen R ’n’ B, Beyoncé und so was.»

Zum Glück gibt es historisch ambitionierte Projekte wie das der Plattenfirma Gallo Records, die mit drei neuen CDs an Makebas frühe Jahre erinnert. Schon in diesen ersten Aufnahmen sind die Vielseitigkeit und die Eigenheit ihrer Stimme zu hören: Sie konnte mädchenhaft sein, und kokett. Am schönsten aber klang Miriam Makeba und war vielleicht am meisten sie selbst, wenn sie mit starkem, weichem Mezzotimbre sang, manchmal bluesig und manchmal einfach nur mit überschäumendem Temperament.