Die Krise und die Linke: Demokratisieren statt privatisieren

Nr. 8 –

Wie viel Demokratie braucht die Wirtschaft? Wie sähe eine Wirtschaftsdemokratie aus? Die neuste Ausgabe des «Widerspruchs» liefert ein paar mögliche Antworten.

Dass die Zeiten sich ändern, merkt man spätestens, wenn die CVP ihre Meinung ändert. Die Partei versuchte dies am Wochenende, als sie sich an der Delegiertenversammlung vom «grenzenlosen Neoliberalismus» distanzierte und eine Rückbesinnung auf alte Werte wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Respekt forderte. Der Neoliberalismus hat keine Zukunft; diese Einsicht ist nun sogar bei der CVP angekommen. Ausgerechnet bei der Partei von Bundesrätin Doris Leuthard, deren erster Einflüsterer im Volkswirtschaftsdepartement der neoliberale Ideologe Aymo Brunetti ist.

Wie auch immer: Der Neoliberalismus hat in den letzten Jahren zusehends den Verstand und die Herzen der Menschen erobert, er war total. Und in dieser Hinsicht war diese entfesselte Form des Kapitalismus logisch und konsequent: Sie setzte auf die Privatisierung aller nur irgendwie privatisierbaren Bereiche, ohne Rücksicht auf Verluste. Man mag dieses System Neoliberalismus nennen oder Kasinokapitalismus, vielleicht auch Finanzkapitalismus 2.0, Tatsache ist, dass es spätestens letzten Herbst bankrottging, als es in einem letzten Streich die Demokratie aushebelte und ein ganzes Land verbankte. Seit die UBS am 16. Oktober 2008 mit Notrecht gerettet wurde (und viele Banken eine implizite Staatsgarantie geniessen), stellt sich für DemokratInnen in der Wirtschaftskrise die Demokratiefrage mehr denn je. Der neue «Widerspruch» ist dieser Thematik gewidmet.

Das demokratische Ritual

«Die (Neo)Liberalen wollen seit jeher Demokratie so wenig wie möglich, als unvermeidliches Übel, das dem eigentlichen ‹Reich der Freiheit›, der kapitalistischen Marktökonomie, nicht in die Quere kommen soll», schreibt Michael Krätke, Professor für politische Ökonomie in Lancaster und WOZ-Autor, in seinem Beitrag. Im neoliberalen Zeitalter habe die «geheiligte Trennung» von Politik und Ökonomie gegolten. «Solange die Wirtschaft nicht demokratisiert ist, bleibt die Demokratie unvollständig und unvollendet, stets in Gefahr, zum blossen Ritual heruntergebracht zu werden.» Linke Kreise forderten in den vergangenen Monaten denn auch vermehrt die Demokratisierung der Wirtschaft. Aber was bedeutet das überhaupt, eine Wirtschaftsdemokratie, in der Politik und Wirtschaft nicht voneinander losgelöst wären? Angesichts der staatlichen Bankenrettungen, Verstaatlichungen und Konjunkturprogramme eine Frage, die sich dringend stellt.

In erster Linie hiesse das, dass Wirtschaft aufhörte, eine private Sache zu sein. Die Antwort auf die Privatisierungswelle des Neoliberalismus wäre, so Willy Spieler, die «Demokratisierung aller demokratisierbaren Bereiche». Die Demokratie müsste neu erfunden werden, sie würde komplexer und vielfältiger. Sie verlangte mehr Partizipation der StaatsbürgerInnen, würde aber auch die Frage nach der Verantwortung verändern, weil BürgerInnen die Gesamtrichtung wie auch die Details der Wirtschaftspolitik mitbestimmten. Wie Michael Krätke ausführt, bedeutete dies aber nicht, dass alles besser würde: «Kollektive Entscheidungen können ebenso in die Irre gehen wie individuelle.»

Rettender Interventionskrieg

Lassen sich Finanzmärkte überhaupt demokratisch kontrollieren? Ein Blick auf die Lage der Finanzmarktaufsichten lässt Zweifel aufkommen. Welche Institutionen könnten die Märkte überwachen? Bereits bestehende wie die Uno, die WTO oder der IWF? Ganz neue? Diese Frage diskutiert der «Widerspruch» kontrovers, genauso wie die Frage, ob in einer Wirtschaftsdemokratie Banken verstaatlicht werden müssten.

Einen interessanten Punkt erwähnt Hans Schäppi in seinem Beitrag. Er kritisiert die zahlreichen und kostspieligen Staatsprogramme zur Bekämpfung der Krise. «Die heutigen keynesianischen ‹Rettungsprogramme›, mit denen ein überdimensionierter, parasitärer Finanzapparat subventioniert und aufrechterhalten werden soll, werden die Krise eher verschärfen.» Die Folge: Die nächste spekulative Blase, aus der man sich nur mit Kriegskeynesianismus, also einem weiteren Interventionskrieg, wird retten können. Dieser Ausblick ist Grund genug für die Linke, bei staatlichen Rettungsmassnahmen genau hinzuschauen.

Widerspruch: Demokratie und globale Wirtschaftskrise. Ausgabe Nr. 55. Zürich 2009. 240 Seiten. 25 Franken