100 Wörter: Zorn auf Unausgeschlafenheit

Nr. 12 –

Das Scheitern beim Ausüben an und für sich simpler Tätigkeiten konnte manchen in Rage versetzen, nicht aber Balthasar Zorn. Er stürzte mit Gelassenheit Treppen hinunter, knallte gegen Türpfosten, fiel von Fahrrädern und kochte Milch zu Klumpen. Er blieb ruhig, wenn ihm andere Leute die Hosen zerdampften, die Meinung zertraten oder das Schienbein ansengten. Was er aber nicht ertrug, war Unausgeschlafenheit. Wenn er jemanden in Verdacht hatte, den Schlaf nicht gebührend zu würdigen, verfolgte er ihn mit unerbittlicher Aufsässigkeit. Seine nachhaltige Methode, die Streber einzuschläfern, brachte ihn aber bald in den Ruch, ein Serienmörder zu sein, und er wurde postwendend hingerichtet.


Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.