Vor dem UBS-Prozess: Die UBS in der Zange

Nr. 28 –

Am Montag muss die Grossbank in Miami vor den Richter. Vergleiche werden in den USA erst geschlossen, wenn die Treppen des Gerichts in Sicht sind. Fordern die Vereinigten Staaten doch mehr Informationen statt bloss Milliarden?


Fallen dieser Tage in den USA die Buchstaben UBS, wird ein Schweizer in der Runde gerne mit einem hämischen Lächeln bedacht: Geschieht dem geheimniskrämerischen, reichen Land recht. Zur Kasse, bitte! Was viele US-AmerikanerInnen übersehen: Zum Angriff wurde nicht nur auf die UBS geblasen, sondern vor allem auf die SteuerbetrügerInnen in den eigenen Reihen, die den Staat Jahr für Jahr um Milliarden von Dollar bringen, indem sie ihr Geld in Steueroasen ablegen. Nach der laschen Verfolgung von Wirtschaftskriminellen unter George Bush will die Regierung von Barack Obama nun andere Akzente setzen: SteuersünderInnen sollen weder auf Ferieninseln noch in der Schweiz Ruhe finden.

Dass die reiche Schweiz irgendwie Dreck am Stecken haben muss, gehört hier fast schon mit zum Image des Landes. Eine seit Anfang des neuen Jahrtausends so aggressiv werbende und wachsende Bank wie die UBS musste erst recht Verdacht erregen. Jetzt wird «compliance» gefordert, die Einhaltung der Gesetze, die gelten, wenn man in den USA Geschäfte macht.

Der Experte der Columbia-Universität für Wirtschaftskriminalität, John Coffee, hält es für wahrscheinlich, dass die Bank die «paar Tausend» Namen der ärgsten SteuersünderInnen herausrücken muss. Damit wolle die Regierung aber nicht vornehmlich die UBS oder die Schweiz in Bedrängnis bringen – in erster Linie wird der Druck auf eine Deadline aufrechterhalten: Am 25. September haben in Amerika säumige Steuerpflichtige eine letzte Chance, sich bei den Steuerbehörden zum ermässigten Tarif zu melden. Die Regierung will so vor allem reiche BetrügerInnen aus dem Busch klopfen.

Gesucht: John Doe

Das zeigt sich an den einzelnen UBS-Kunden, von denen die US-Justiz schon Geständnisse vorweisen kann: Immobilienhändler Igor Olenicoff etwa, einst Nummer 522 der reichsten Privatpersonen der Welt, oder die millionenschweren Jachthändler Steven Rubinstein und Robert Moran. Mit einem «John Doe Summons», einer Vorladung gegen unbekannt, will man nun an 52 000 Daten von UBS-KundInnen kommen, die der Steuerhinterziehung bezichtigt werden. Der oft als Fischzug bezeichnete Versuch findet parteiübergreifend Unterstützung. Keine Gnade für MitbürgerInnen und AusländerInnen, die in Krisenzeiten Millionen horten, die dem Staat zustünden.

Fehler musste die Bank bereits Anfang des Jahres eingestehen, um in einem 780 Millionen US-Dollar schweren Abkommen eine strafrechtliche Verfolgung abzuwenden. Mit der Übergabe von zwei-, dreihundert Daten, dachte man, sei alles geritzt. Dann doppelten die US-Behörden mit dem John Doe Summons nach: Wenn eine kleine Zahl von Kontendaten zugänglich gemacht werden kann, warum keine grössere?

Die UBS bezeichnet die Zahl von 52 000 möglichen SteuerhinterzieherInnen als «aus der Luft gegriffen» und wollte durch eine Eingabe vor Gericht in Erfahrung bringen, wie viele Fälle den Behörden denn schon bekannt seien. Damit hätte die Bank der Steuerbehörde IRS gewissermassen in die Karten schauen und die Daten mit jenen vergleichen können, die man selber kennt. Einer Prüfung zufolge, die die UBS zu ihrer Verteidigung anführt, sind 99 Prozent der besagten Konten ohne Tadel. Bei mindestens 520 KontoinhaberInnen hegt die Bank selber Verdacht oder ist sich rechtlicher Unregelmässigkeiten gar bewusst. In der Antwort auf die gerichtliche Eingabe der UBS gaben die Steuerbehörden zu: «Die Anzahl von Konten, die die IRS auf anderen Wegen [als über den Rechtsweg] als verdächtig eruiert hat, ist viel kleiner als 52 000.» Das Gericht hat die Eingabe der UBS diese Woche abgelehnt.

Das heisse Poker

Ein Vergleich, so schlug es Bundesrat Hans-Rudolf Merz am Dienstag vor, könnte darin bestehen, dass die UBS für ihre schlimmsten SteuersünderInnen aufkommt, die Daten aber nicht überweist. In Zukunft soll ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) das Problem regeln. Ins DBA aufgenommen werden soll Artikel 26 des Musterabkommens der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit OECD, der einen Austausch von Informationen, die zur Einhaltung der Steuerkonventionen relevant sind, vorschreibt.

Wie viel ein solcher Freikauf der SteuersünderInnen kosten soll, ist offen. Ob sich die USA darauf einlassen wollen, ist ungewiss – der Tag der Gerichtsanhörung rückt näher; Zeichen dafür, dass sich die Verhandlung verzögern könnte, gibt es bis jetzt nicht. Die Schweiz hat sich jedenfalls schon mal einen Platz im Saal reserviert: Sie will nun nicht nur den Bundesbeamten, die als Zeugen vorgeladen wurden, rechtlich beistehen. Am Dienstag ging bei Gericht ein Schreiben ein, in dem der Bundesrat verlangt, auch an der mündlichen Erörterung des Falles vor Richter Alan Gold teilnehmen zu dürfen.

Das Poker um einen Vergleich wird laut Professor Coffee erst dieses Wochenende richtig heiss. Vergleiche würden üblicherweise erst dann gemacht, wenn man die Treppen des Gerichtes vor Augen habe. Er kann sich vorstellen, dass die beiden Parteien am nächsten Montag in Miami die Anhörung mit der Ankündigung eröffnen, einen Kompromiss gefunden zu haben, dem alle zustimmen können. An einem langen Rechtsstreit hätten jedenfalls weder die UBS noch die Schweiz noch die USA Interesse. Dies sagte auch Bundesrätin Doris Leuthard bei ihrem letzten Besuch in Washington, wo sie auf die Schweiz als bedeutende Handelspartnerin aufmerksam machen wollte. Die Schweiz habe «ihr Netzwerk gepflegt und Kontakte aufgebaut», durch die man nun auf ein «gutes Resultat» hoffe.

Internationale Handhabe

Geschickt hat das US-Justizministerium seinen Fall für die Steuerbehörden aufgebaut: Befiehlt der Richter die Herausgabe der Daten, klaffen Lücken im Schweizer Bankgeheimnis, und verängstigte UBS-KundInnen räumen ihre Konten. Kann die Bank einen Vergleich erreichen, setzt sie dennoch einen Präzedenzfall nach amerikanischem Recht, mit dem die US-Behörden auch gegen andere Banken vorgehen können. Wenn selbst die cleveren SchweizerInnen nicht aus der Zange kommen, wird es anderen Steueroasen nicht anders ergehen.

Auf dem Weg, BewohnerInnen der USA zu besseren SteuerzahlerInnen zu machen, sende eine Strafe für die UBS – egal wie hoch – nicht das richtige Signal, sagt John Coffee. Das Problem sei mit Geld nicht zu lösen. Die US-AmerikanerInnen wollten eine Handhabe, wie man international gegen Steueroasen vorgehen könne. «Die UBS ist nicht das Ziel dieser Untersuchung», so Coffee, «die Untersuchung ist ein Weg, Steuerhinterziehern derart Feuer unter dem Hintern zu machen, dass sie sich eines Besseren besinnen und dem Staat geben, was des Staates ist.»