«Ein guter Ort zum Sterben»: Im Sumpf vor Alchan-Jurt
Nach dem beeindruckenden Debüt «Die Farbe des Krieges» zieht der russische Journalist und Kriegsveteran Arkadi Babtschenko ein zweites Mal nach Tschetschenien.
«Ich bin nicht zurückgekommen aus dem Krieg», erklärte Arkadi Babtschenko bei einem Treffen in Basel im Frühjahr 2007 (siehe WOZ Nr. 21/07). Damals war gerade sein erstes Buch «Die Farbe des Krieges» in deutscher Übersetzung erschienen, der Bericht eines jungen Rekruten aus dem Ersten Tschetschenienkrieg, aufwühlend, sprachlich beeindruckend und von der Kritik hochgelobt. Dutzende Male hat Babtschenko diesen Satz seitdem wiederholt – vor sich selbst, seinen LeserInnen, den JournalistInnen. Der Krieg und seine Verarbeitung ist die Antriebskraft für sein Schreiben, steht wie ein Credo über seinem Werk.
Auch Babtschenkos zweites Buch, das in diesem Frühling auf Deutsch erschienen ist, basiert auf seinen Erlebnissen als Soldat in der abtrünnigen Kaukasusrepublik. War der Erste Tschetschenienkrieg in Babtschenkos Debüt nur Hintergrund für den grausamen Krieg, der im Innern der russischen Armee wütet – einer Armee, die ihre «Frischlinge» quält und sie nicht selten in den Tod treibt –, so handelt sein zweites Buch von seinen Erlebnissen als Söldner im Zweiten Tschetschenienkrieg, der 1999 unter Ministerpräsident Wladimir Putin begann und seit 2006 offiziell als beendet gilt.
Freiwillig töten
Der Inhalt ist schnell erzählt: In dem kleinen Dorf Alchan-Jurt, nahe der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, haben sich Rebellen verschanzt. Russische Truppen liegen im Sumpf vor Alchan-Jurt und belagern die «Tschechos». Unter ihnen der 23-jährige Artjom – Moskauer Jura-Absolvent und offensichtlich Alter Ego des Autors. Er hat seine Unschuld als junger Rekrut im Ersten Tschetschenienkrieg verloren und ist nun ein «Psycho», der «nicht mehr ohne Menschenfleisch» leben kann. Sein bequemes Moskauer Nachkriegsleben erschien ihm unerträglich leer, und so ist er freiwillig wieder nach Tschetschenien gekommen und lässt sich nun als Söldner fürs Töten bezahlen.
Artjom und seine Kameraden hungern, frieren und strotzen vor Dreck, der «fette tschetschenische Lehm» verklebt Haut und Gerät. Das sind die wahren Sorgen der Soldaten, und sie sind es in jedem Krieg, denn der Krieg ist «Alltagsgeschäft, business as usual».
Vielleicht hat die Begeisterung der Literaturkritik, die Babtschenkos erstes Buch mit Werken von Erich Maria Remarque oder Ernest Hemingway verglich, den Autor dazu bewegt, sich nun wirklich einmal an einem klassischen Kriegsroman zu versuchen. «Ein guter Ort zum Sterben» ist nahezu filmisch erzählt – mit vielen (zumindest in der deutschen Übersetzung) etwas holprigen Dialogen und detailverliebten, bisweilen etwas langatmigen Beschreibungen des soldatischen Alltags.
Ein Stück weit rehabilitiert
«Ich habe nicht über den Tschetschenienkrieg im Speziellen geschrieben, sondern ein allgemeines Buch über den Krieg», sagte Arkadi Babtschenko schon über sein Debüt. Denn er glaube, «dass alle Kriege nach dem gleichen Mechanismus funktionieren». Das mag stimmen – und doch wird die gewollte Allgemeingültigkeit seinem zweiten Buch zum Verhängnis, denn sie macht es beliebig.
Schreiben sei seine «psychische Rehabilitation», hat Babtschenko einmal in einem Interview gesagt. Mag sein, dass es ihn ein Stück weiter rehabilitiert hat, auch seine Erlebnisse als Söldner im Zweiten Tschetschenienkrieg literarisch zu verarbeiten. Für die LeserInnen – es sei denn, sie seien ausgesprochene FreundInnen von Kriegsliteratur – fehlt es dem Buch an zwingender Relevanz.
Arkadi Babtschenko: Ein guter Ort zum Sterben. Rowohlt Verlag. Berlin 2009. 124 Seiten. Fr. 27.30