Verbot von Kriegsmaterialexporten: Zurück in die Zukunft

Nr. 44 –

Neben der bundeseigenen Ruag zahlen auch die anderen drei grossen Rüstungsfirmen an den Abstimmungskampf. Dabei könnte ein Exportverbot eine Chance für die Rüstungsindustrie sein.


Früher stellte die Mowag Krankenwagen und Feuerwehrautos her. Das könne die Kreuzlinger Rüstungsfirma heute doch auch wieder tun. Als Andi Cassee, Sekretär der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), diesen Satz am Montagabend im Zürcher Marriott-Hotel sagte, brachte er die Diskussion um Kriegsmaterialexporte auf den Punkt: Es ginge auch anders.

Applaus erhielt er dafür freilich nicht. Gastgeber des Abends war der Industrieverband Swissmem, der das Podiumsgespräch zur Information seiner Mitglieder veranstaltete. Swissmem bekämpft die Vorlage «Für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten», über die am 29. November abgestimmt wird, gemeinsam mit Economiesuisse und den bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP. Das Publikum war geteilt in eine grosse, etwas ältere Mehrheit und eine jüngere Minderheit, die in der Menge auffiel wie ein Radschützenpanzer ohne Tarnanstrich. Im Zentrum des Abends stand die Frage: Vernichtet die Initiative Arbeitsplätze?

Die Karte Arbeitslosigkeit

Die Kampagne des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse spielt bisher vor allem die Karte Arbeitslosigkeit: Mit gläsernen Augen blickt ein Mann mit Dreitagebart vom Plakat, über seinem Gesicht prangt die Schrift «Arbeitsplätze vernichten?». Zwei Millionen Franken lässt Economiesuisse für den Abstimmungskampf springen, sagte der Sprecher Urs Rellstab dem «Blick». Laut Economiesuisse sei das «eine kleinere Kampagne». Nur: Woher hat der Wirtschaftsverband das Geld dafür?

200 000 Franken zahlt alleine die Ruag, die bundeseigene Rüstungsfirma aus Thun. Der entsprechende «Blick»-Artikel vom letzten Samstag sorgte für Empörung – «unappetitlich» finden es rechte, eine «Schweinerei» linke PolitikerInnen. Es gehe nicht an, dass sich die Ruag mit Steuergeldern gegen ein Volksanliegen einsetze. Ruag-Chef Lukas Braunschweiler kümmerte dies herzlich wenig. Freimütig bekannte er in der Sonntagspresse, dass die Ruag vielleicht auch ein «Nötli» an die PR-Firma Farner gezahlt habe, die im Sommer die GSoA bespitzelt hatte. Wer den Auftrag für die Bespitzelung zu verantworten hat, ist bis heute unklar. Die Behauptung Braunschweilers, Swissmem habe Farner PR beauftragt, weist der Branchenverband vehement von sich: «Farner hat kein Mandat von Swissmem.»

Zwei Millionen beträgt das Gesamtbudget des Gegenkomitees. Wie viel davon zahlen die Parteien? Die im Gegenkomitee vertretenen CVP, FDP und SVP winken ab oder wollen sich zu den Finanzen nicht äussern. Swissmem zahlt die Beiträge der Verbandsmitglieder in einen Fonds, der für Abstimmungskämpfe gebraucht wird. Diese Beiträge dürften allerdings kaum zwei Millionen ausmachen. Viel näher liegt die Vermutung, dass die Ruag nicht als einzige Rüstungsfirma einen Sonderbeitrag an die Kampagne bezahlt, sondern auch die anderen drei grossen: Rheinmetall Air Defence (ehemals Oerlikon Contraves), Pilatus und Mowag. Auf Anfrage der WOZ bestätigen denn auch alle drei Firmen, dass sie die Kampagne finanziell unterstützen. Auf die Frage, wie viel sie bezahlen, antworten aber alle gleich: «Kein Kommentar.» Jo Lang, GSoA-Vorstandsmitglied und grüner Nationalrat, sagt: «Ich gehe davon aus, dass die drei anderen Firmen auch so viel zahlen wie die Ruag.»

So oder so: Der Kampf um die Stimmen der WählerInnen ist einer mit ungleich langen Spiessen. 200 000 Franken beträgt das Gesamtbudget der GSoA für diesen Abstimmungskampf, Lohnkosten und Drucksachen eingerechnet. Das ist ein Zehntel von dem, was den GegnerInnen zur Verfügung steht. Eine erste Umfrage zeigt aber: 41 Prozent wollen die Initiative annehmen, 44 Prozent lehnen sie ab.

Die Ausgangslage für die InitiantInnen ist besser als erwartet, zumal zwei der drei Hauptargumente der InitiativgegnerInnen in den letzten Wochen entkräftet worden waren. Die heutige Gesetzgebung und Kontrolle durch den Bund reiche, sagt die Rüstungsindustrie. Die Kritik der siebzig RechtsprofessorInnen an Bundesrätin Doris Leuthard vor zwei Wochen hat diesem Argument aber praktisch den Boden unter den Füssen weggezogen.

Das Argument, die Sicherheit und Unabhängigkeit des Landes sei durch ein Verbot von Kriegsmaterialexporten nicht mehr gewährleistet, basiert auf einer romantisierenden Vorstellung der vom Ausland unabhängigen Schweizer Wehrfähigkeit (vgl. diesen Text). Das ist bereits heute ein Mythos: Firmen wie Oerlikon Contraves oder die Mowag in Kreuzlingen gehören längst ausländischen Konzernen in Deutschland und den USA.

Und so konzentriert sich der Abstimmungskampf auf das wirtschaftliche und in der Krise wohl verfänglichste Argument, die Initiative vernichte Arbeitsplätze. Wie viele das sein sollen, ist dabei unklar. Die GegnerInnen (und damit auch der Bundesrat) reden je nach Laune von 5000 bis 10 000 Arbeitsplätzen, die verloren gingen. Die höhere der beiden Zahlen allerdings ist eine willkürliche Einschätzung, die der bundesrätlichen Botschaft zur Initiative entstammt. Eine vom Bund beauftragte Studie besagt, dass bloss 5100 Arbeitsplätze verloren gingen. 3300 Arbeitsplätze seien direkt vom Export von Kriegsmaterial abhängig, 1800 indirekt bei den Zulieferern. Eine Umfrage des Bundesamts für Statistik zählte 2005 gar nur 2600 Beschäftigte im Rüstungssektor. 1995 waren es noch 4500 gewesen.

Umbauhilfe vom Bund

Für die InitiantInnen ist die Frage um die Arbeitsplätze auch eine ethische Frage: «Will man eine Wirtschaft für die Menschen? Oder will man die Arbeitsplätze um jeden Preis erhalten, auch wenn man damit Menschen tötet?» Ausserdem glauben sie nicht, dass alle Jobs in der Rüstungsindustrie gefährdet seien. Eine zehnjährige Überbrückungshilfe des Bundes soll den Rüstungsfirmen helfen, ihre Produktion auf zivile Güter umzubauen. Die Möglichkeiten dafür bestehen bereits. Rund fünfzig Prozent der Ruag-Produktion dient zivilen Zwecken. Und die Pilatus Flugzeugwerke in Stans mussten 2007 bei der Herstellung der (zivilen) Flugzeuge PC-12 Abstriche machen, weil sie mit der Serienproduktion von (militärischen) Flugzeugen des Typs PC-21 für die Schweizer und die singapurische Luftwaffe beschäftigt waren.

Eine Neuorientierung sei möglich, gar eine Chance für den ökologischen Umbau, sagt Greenpeace Schweiz. Grüne Zukunftstechnologien versprechen rund 60 000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich. Darum sei es an der Zeit, die Rüstungsindustrie beim Wort zu nehmen – und sie umzurüsten.