Sicherheit: Aufstand in der Bronx

Nr. 15 –

In Hitzkirch, wo die Interkantonale Polizeischule daheim ist, träumt man von einem nationalen Sicherheitszentrum – auch für private Sicherheitskräfte.


Auf einer Fläche von mehreren tausend Quadratmetern soll im Luzerner Seetal nicht irgendein, sondern «das Sicherheitszentrum der Schweiz» entstehen. Das «Security Center Seetal» könnte, glaubt man Mitinitiator Roland Hodel, «die träge Sicherheitslandschaft Schweiz» nachhaltig verändern – weil sowohl private Sicherheitsfirmen wie öffentliche «Blaulichtorganisationen» an einem Ort ausgebildet würden. Die Idee für das grössenwahnsinnig anmutende Projekt wurde ursprünglich von Exschweizergardekommandant Pius Segmüller vorangetrieben – inzwischen hat er sich aus dem Staub gemacht.

Ein richtiges Dorf

Auf dem Gelände und in den Gebäuden der ehemaligen Fruchtsaftfabrik von Hitzkirch soll das Security Center Seetal entstehen. Geplant sind mehrere Schiessanlagen und ein «Schiesskino» im Erdgeschoss sowie im ersten Stock auf 1700 Quadratmetern ein «Lernrevier»: ein richtiges Dorf mit Gemeindehaus, Klub, Laden und Einfamilienhäusern, ein Wohnquartier mit Einfamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern sowie ein Hinterhof, der Bronx heisst. Auch ein Bankgebäude und ein Bahnhof sollen errichtet werden. Üben will man unter anderem: «Abseilen, Fassadensicherung, Öffnungstechniken (Ramme und Türpresse), Weiterbildung für Interventionseinheiten und Hundeausbildung (Schutzdienst, Betäubungsmittel und Sprengstoff).»

«Angedacht» sind zudem Hallen für Amoktraining und Gewaltprävention und sogar ein Gleisanschluss für Ausbildungen im Zug. Ein Büchsenmacher soll eine Waffenwerkstatt vor Ort einrichten, und ein «namhafter Polizeiausrüster» plane eine Ausstellung samt Laden auf dem Gelände.

Initiantin des Projekts ist die Idee Seetal AG. Als «regionaler Entwicklungsträger», eine Art PR-Bude für das Luzerner Seetal, hängt sie via Kanton Luzern an Regionalfördergeldern des Bundes. «260 000 Franken sind bisher an das Projekt Kompetenzzentrum Sicherheit geflossen, davon die Hälfte aus Bundesmitteln», sagt Sven-Erik Zeidler von der zuständigen kantonalen Behörde. Weitere Gelder seien zurzeit keine beantragt, hingegen werde «sehr stark» mit Investoren verhandelt. «Wir befinden uns gerade in einer heissen Phase», sagte auch Hans Peter Stutz, Geschäftsleiter der Idee Seetal AG, im Februar zur WOZ. Deshalb wollte er damals keine Auskunft zum Projekt erteilen. Diese Woche war er nicht zu sprechen.

In Hitzkirch werden seit 2007 angehende PolizistInnen aus elf Kantonen ausgebildet. Die Infrastruktur der Interkantonalen Polizeischule (IPH) erreiche aber bereits ihre Kapazitätsgrenze; für praktische Weiterbildungen fehle der Platz, heisst es. «Deshalb», sagt Matthias Jurt von der IPH, «sind wir gegenüber diesem Projekt von privater Seite positiv eingestellt.» Liest man die Projektdokumentation, so tönt das Engagement der IPH bedeutend weniger passiv: So beteilige sie sich aktiv am Projekt und koordiniere die Mitsprache interessierter Polizeikorps bei der Gestaltung der neuen Infrastrukturen.

Roland Hodel, während siebzehn Jahren Mitglied der Zuger Spezialeinheit Luchs, davon zehn Jahre als deren Chef, ist eine Schlüsselfigur des Projekts. Er ist heute einerseits Instruktor an der Polizeischule, andererseits betreut er als privater Unternehmer das «Projekt Ypsilon», das die Infrastruktur des geplanten Zentrums nutzen will. «Wir stellen uns drei Nutzungsarten vor», so Hodel, «Vermietungen, Vermietungen mit Instruktion und ganze Ausbildungen für Sicherheitskräfte.» Hört man dem begeisterten Herrn Hodel zu, gewinnt man den Eindruck, er wolle hier künftig die halbe Schweiz drillen: Frauen könnten in der «Bronx» den Selbstschutz bei Überfällen üben, Schulleitungsgremien das Verhalten bei Amokläufen lernen. Er spricht von Kindern und Gewaltprävention, vor allem aber von Spezialeinheiten, privaten Sicherheitskräften und deren Aus- und Weiterbildung.

Geografische Annäherung?

Droht da nicht eine (weitere) Vermischung von polizeihoheitlichen und privaten Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich? Heinz Buttauer, Präsident des Polizeibeamtenverbandes, hat zwar noch nie vom Projekt gehört, gibt aber zu bedenken: «Es kann nicht angehen, dass die Privaten plötzlich sagen, sie seien gemeinsam mit Polizisten ausgebildet worden. Ich gehe davon aus, dass die Kurse strikt getrennt würden.»

Ein Einwand, den Roland Hodel nicht gelten lässt: «Viele Polizisten haben ein Problem mit privaten Sicherheitsdiensten. Dabei gibt es schon heute zahlreiche Schnittstellen.» Treffe sich während des Weltwirtschaftsforums in Davos etwa ein Minister, dessen Personenschutz von der Polizei wahrgenommen wird, mit einem UBS-Manager, der von privaten Bodyguards geschützt wird, müsse die Zusammenarbeit einfach klappen. «Wieso vollziehen wir die Annäherung nicht auch geografisch?» Zudem könnten im neuen Sicherheitszentrum ausgebildete Private ja nicht einfach behaupten, eine Polizeiausbildung genossen zu haben. «Deren Kurse werden anders heissen als die Kurse der Polizei», so Hodel.

Niemand will mitmachen

Man habe das Projekt nicht nur den Polizeikorps, sondern auch verschiedenen anderen Akteuren vorgestellt, sagt Hodler. Die Bahnpolizei etwa habe Interesse signalisiert. Angefragt habe man auch das Grenzwachtkorps und private Dienste, deren Namen man nicht nennen wolle.

Befragt man die potenziellen Investoren und anvisierten MieterInnen, ist weniger Begeisterung zu spüren. Bei der Bahnpolizei lässt der Leiter öffentliche Sicherheit via SBB-Medienstelle ausrichten: «Im Moment ist das kein Thema bei uns, für Gespräche sind wir aber immer offen.» Stefanie Widmer von der Zollverwaltung sagt, beim Grenzwachtkorps sei diesbezüglich niemand offiziell vorstellig geworden. Die Securitas bestätigt immerhin, dass sie angefragt wurde. «Das Projekt Ypsilon steht aber nicht zuoberst auf der Agenda», so Pressesprecher Urs Studer. Die Sicherheitsfirma Delta, die kürzlich wegen ihrer auch in der Freizeit prügelnden Mitarbeiter in die Kritik geraten ist, wollte gar nicht erst mit der WOZ über das Projekt sprechen.

Abgesetzt hat sich bereits Pius Segmüller, einst treibende Kraft hinter der Idee eines Kompetenzzentrums Sicherheit. Der CVP-Nationalrat, Exkommandant von Stadtpolizei Luzern und Schweizergarde sowie Exsicherheitschef der FIFA ist jüngst im Zusammenhang mit der Idee Seetal AG in die Schlagzeilen geraten. Die «Weltwoche» berichtete, Segmüller habe ein Projekt im Bereich Kompetenzzentrum Sicherheit aus der Entwicklungsfirma herausgekauft und die Arbeitsplätze der daraus entstandenen Swissec AG in den Kanton Baselland verlegt. Segmüller scheint nicht daran zu glauben, dass aus dem Luzerner Seetal ein Security Valley wird.