Umweltfreundliches Erdgas?: Das Erdgasauto nützt dem Klima nur wenig

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Erdgas ist weniger schlimm als Erdöl. Aber seine Umweltbilanz verschlechtert sich zunehmend.

Erdgas wird immer wieder als umweltfreundlicher Energieträger präsentiert. So gibt sich etwa der Schweizer Alpen-Club als Werbepartner der Gasindustrie her: Klubmitglieder, die ein Erdgasauto kaufen, erhalten Geld zurückerstattet. Denn Erdgas, heisst es in der jüngsten Ausgabe der Klubzeitschrift «Die Alpen», trage «wesentlich zur Verbesserung der Umweltbedingungen bei». Ausserhalb der Produktewerbung gilt Erdgas als Übergangslösung auf dem Weg zu einer Versorgung mit vollständig erneuerbarer Energie (in den siebziger Jahren sah man Erdgas schon einmal als Übergang – damals hin zu einer Versorgung mit atomarer Energie). Eine im Auftrag von Greenpeace Deutschland verfasste Studie kommt zum Schluss, dass Erdgas «der einzige konventionelle Energieträger ist, der als Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien noch gebraucht wird».

Verlorenes Gas

Was ist also dran am guten Ruf des Erdgases? Erdgas besteht aus Methan, bei dessen Verbrennung keine für den Menschen direkt gefährlichen Luftschadstoffe frei werden. Allerdings entsteht klimaschädigendes CO2, wenn auch deutlich weniger als bei der Verbrennung von Erdöl und Kohle. Rechnet man die Treib­hausgas-Emissionen dazu, die bei Gewinnung, Transport und Verarbeitung der Energieträger frei werden, verschlechtert sich die Bilanz aller fossilen Energieträger. Bei Erdgas gehen zudem während des Transportes und der Anwendungen rund zwei Prozent verloren, sagt Rolf Frischknecht vom Umweltbüro ESU-Services, der Erdgas für die Umweltdatenbank Ecoinvent bewertet hat. Weil Methan ein viel stärkeres Treibhausgas ist als CO2, tragen diese Verluste rund ein Viertel zur gesamten Treibhauswirkung von Erdgas bei. Dennoch bleibt Erdgas, auch wenn man die Gesamtrechnung anstellt, punkto Klimawirkung weniger schlecht als Erdöl.

Allerdings gibt es schwerwiegende Unsicherheiten, was die Zukunft angeht: Die Förderung von sogenannt unkonventionellem Erdgas belastet die Umwelt weit mehr als die herkömmliche Gasförderung. Es fallen grosse Mengen giftiger und radioaktiv verseuchter Abwässer an; Gas kann ins Trinkwasser gelangen. Laut Werner Zittel, Autor einer Studie zu unkonventionellem Erdgas, gelangt dabei auch mehr Methan in die Atmosphäre; die Treibhausgasbilanz verschlechtert sich also. Zahlen hierzu gebe es aber noch keine.

Der richtige Einsatz

In der erwähnten Greenpeace-Studie wird mit Erdgas gerechnet, das nicht aus unkonventioneller Förderung stammt. Der Mehrbedarf an Erdgas zur Stromproduktion würde durch Einsparungen bei den Gasheizungen kompensiert – weil viele Häuser noch viel besser isoliert werden können. Fördert man den Erdgasverbrauch indes ohne Gesamtstrategie, dürfte dies den Abbau von unkonventionellem Erdgas ankurbeln und zu entsprechend schlechteren Umweltwerten führen.

Zwar wird auch die Umweltbilanz des Erdöls immer schlechter: Die Produktion unkonventionellen Erdöls aus Teersand zerstört ganze Landschaften in Kanada, und je tiefer im Meer gebohrt wird, desto wahrscheinlicher werden Katastrophen wie die Havarie von Deep­water Horizon. Im Wettstreit um die weniger schlimme Umweltbilanz dürfte Erdgas die Nase vorn behalten. Doch dieser Wettbewerb spielt sich auf immer dreckigerem Niveau ab.

Damit Erdgas tatsächlich einen Fortschritt bringt, muss es zudem am richtigen Ort eingesetzt werden, erklärt der Leiter der Greenpeace-Studie, Dietmar Schüwer vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Nämlich in hocheffizienten Gas- und Dampfturbinenkraftwerken, in zentralen und dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie in flexiblen Gasturbinen. Solche Anlagen könnten beispielsweise Windkraftwerke mit ihren Produktionsschwankungen ergänzen, weil ihre Leistung je nach Windaufkommen relativ flexibel hoch- oder runtergefahren werden kann. Den Gasautos indes gewinnt die Studie wenig Positives ab: Im Verkehrssektor mit seinen sehr tiefen Wirkungsgraden sei die erreichbare ­Klimaschutzwirkung «relativ gering».

Unkonventionelles Erdgas

In der Erdgasförderung unterscheidet man zwischen Vorkommen von konventionellem und unkonventionellem Erdgas. Bei Ersteren ist das Erdgas in sehr porösem Gestein eingeschlossen. Wird es angebohrt, entweicht es. Unkonventio­nelles Erdgas dagegen liegt in dichtem Gestein. Um es zu fördern, muss dieses Gestein aufgebrochen werden. Das geschieht, indem man mit Sand und Chemikalien versetztes Wasser mit hohem Druck in das Trägergestein presst. Ausserdem braucht es je nach Dichte des Gesteins alle paar Hundert Meter Bohrlöcher, während Förderfelder mit konven­tio­nellem Gas mit einer einzigen Bohrung angezapft werden können.