Agrarpolitik 2014–2017: Grösser ist immer noch besser

Nr. 14 –

Klimawandel und drohende Energieknappheit machen die Landwirtschaft global immer verletzlicher. Wie reagiert das Bundesamt für Landwirtschaft?

Dürre, Überschwemmungen, Spekulation mit Nahrung, Agrotreibstoffboom in den USA, immer weniger Ackerland: Wer sich mit globaler Landwirtschaft befasst, ahnt Böses. Noch ist in Westeuropa vom Brot bis zum Lachs alles billig und im Überfluss erhältlich. Doch das könnte sich bald ändern.

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) plant eine Reform der Direktzahlungen. Die Vernehmlassung zur Agrarpolitik 2014 bis 2017 hat Ende März begonnen. Trägt das BLW den globalen Entwicklungen Rechnung?

Im Vernehmlassungsbericht zeigt es sich zumindest besorgt: «Bei vermehrtem Stress durch Hitze, Kälte, Trockenheit oder Nässe ist im Pflanzenbau mit zum Teil erheblichen Ertragsausfällen zu rechnen» – auch nähmen die Schädlingsprobleme zu. «Der Bewässerungsbedarf wird in der Schweiz aufgrund des Klimawandels ansteigen, was die Wassernutzungskonflikte verschärft.» Auch sei die Schweiz bei den Produktionsmitteln stark abhängig von Importen: «Beispielsweise stammen mehr als 95 Prozent des Schweizer Phosphorbedarfs aus aussereuropäischen Quellen.» Es sei absehbar, dass Treibstoffe und Dünger teurer würden. «Der landwirtschaftliche Kulturboden ist in der Schweiz ebenfalls sehr knapp.»

Mehr Kalorien …

Da kommen also einige Probleme auf die Landwirtschaft zu. Das BLW geht darauf ein: Die neue Agrarpolitik soll die Tierproduktion etwas weniger unterstützen, dafür den Ackerbau mehr – auch den Anbau von Futtergetreide, denn die steigenden Kraftfutterimporte seien «aus der Optik der Versorgungssicherheit negativ zu bewerten». Damit dürfte die Menge der produzierten Kalorien leicht steigen. Auch die Biodiversität, die Landschaftsqualität und der effiziente Einsatz von Treibstoff, Dünger und Chemikalien sollen stärker gefördert ­werden.

Dennoch: Das BLW scheint seine eigenen Prognosen nicht ernst zu nehmen. Denn auf die Frage, die sich aufdrängt – wie sollen die Schweizer BäuerInnen mit einem immer instabileren Klima und immer teureren Treibstoffen und Düngern langfristig wirtschaften? –, gibt es keine Antwort. Im Allgemeinen scheint es weiterzugehen wie bisher: «Die Umsetzung des technischen Fortschritts ermöglicht auch in der Schweiz eine weitere Steigerung der Arbeitsproduktivität sowie eine Zunahme der Erträge im Pflanzenbau und der Leistungen in der Tierproduktion.» Damit werde der Bedarf an Arbeitskräften weiter sinken. «Bei der Fütterungs-, Melk- und Entmistungstechnik sind weitere Automatisierungen möglich.»

Kein Wort davon, dass es für diese Automatisierungen noch mehr Energie braucht und die immer höheren «Leistungen in der Tierproduktion» nur dank Kraftfutterimporte möglich sind – die das BLW ja reduzieren will. Doch dieser Widerspruch zieht sich durch den ganzen Bericht. An der bisherigen Richtung wird nicht gerüttelt. Erstens: Grösser ist besser. Zweitens: Die Marktöffnung ist ein Naturgesetz.

… weniger Höfe

Die Förderung der Grossen wird sogar noch verstärkt. Bisher war die Höhe der Direktzahlungen beschränkt: Millionäre bekamen keine. Auch wurden die Beiträge ab einem Einkommen von 80 000 Franken, einer Fläche von vierzig Hektaren oder einem Tierbestand von 55 Grossvieheinheiten reduziert.

Nun will das BLW die Einkommens- und Vermögensgrenze aufheben – ausser für die sogenannten Anpassungsbeiträge, die den Übergang zum neuen System abfedern sollen und mit der Zeit abgebaut werden. Auch die anderen Beschränkungen sollen wegfallen. Denn sie «behindern den Wettbewerb und benachteiligen zukunftsgerichtete Betriebe». «Zukunftsgerichtet» wird also mit gross und kapitalkräftig gleichgesetzt. Gleichzeitig werden die Untergrenzen erhöht: Nur noch Betriebe mit mehr als 0,4 Standardarbeitskräften sollen Direktzahlungen erhalten (vgl. «Die Standard­arbeitskraft» im Anschluss an diesen Text). Wenn jedoch ein Bauer mit Millionenvermögen fürs Mähen von Steilhängen belohnt wird, warum bekommt dann eine Nebenerwerbsbäuerin für die gleiche Arbeit nichts?

Wenn diese Änderung durchkommt, werden mehr als 4000 Betriebe ihre Direktzahlungen verlieren. Mit der Umstellung auf aufwendigere Kulturen wie Beeren oder Kräuter werden es einige wieder über die «SAK-Grenze» schaffen. Doch so einfach, wie es BLW-Direktor Manfred Bötsch an einer Pressekonferenz im November 2010 darstellte – «Sie können etwas mehr Erdbeeren machen, dann sind sie wieder drin» –, wird es für die meisten nicht werden.

Eine Agrarpolitik, die die Landwirtschaft wirklich auf Energieknappheit und Klimawandel vorbereiten will, müsste gerade kleine Höfe stärker unterstützen, die auf mehr Handarbeit und regionale Märkte setzen. Sie würde den Bio­landbau mehr fördern – gerade ein Prozent der Direktzahlungen ist dafür vorgesehen –, denn Kunstdünger ist weder energieeffizient noch klimafreundlich. Sie wäre kritischer gegenüber dem Freihandel: Eine dauernde Zunahme von Exporten und Importen gibt es nur mit billiger Energie. Doch das BLW glaubt lieber an Technik – und an den magischen «Markt».

Die Standardarbeitskraft

Mit der Einheit Standardarbeitskraft (SAK) versucht der Bund, den Arbeitszeitbedarf in der Landwirtschaft zu erfassen. Für eine Hektare flaches Acker- oder Wiesland werden zum Beispiel 0,028 SAK gerechnet, für eine Hektare Rebterrassen hingegen 1 SAK. Eine Milchkuh zählt 0,043 SAK. Ein Hof muss heute mindestens 0,25 SAK haben, um Direktzahlungen zu bekommen.
Das Bundesamt für Landwirtschaft möchte diese Grenze im Berggebiet beibehalten, in der Tal- und Hügelzone aber auf 0,4 SAK erhöhen. Ausserdem sollen die Berechnungsgrundlagen dem technischen Fortschritt angepasst werden. Beides zusammen wird dazu führen, dass 4150 Bauernhöfe nicht mehr direktzahlungsberechtigt sind.