Agrarpolitik: Ökologie für den Export?

Nr. 5 –

Der Bundesrat hat die Botschaft zur Agrarpolitik der nächsten Jahre verabschiedet. Er berücksichtigt viele ökologische Anliegen – doch das Freihandelsdogma bleibt unangetastet.

Gute Neuigkeiten aus dem Bundeshaus: Die neue Agrarpolitik bringe den BäuerInnen mehr Geld als die alte, mache die Landwirtschaft produktiver und erst noch ökologischer.

Mehr Einkommen, mehr Kalorien und mehr Ökologie – geht das überhaupt? «Ja», sagt Lukas Barth, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). «Wir wollen dem Ackerbau grösseres Gewicht geben – damit die Landwirte mehr Kalorien direkt für die Menschen produzieren. Die intensive Tierproduktion soll dagegen weniger gefördert werden: Das verbessert die Ökobilanz. Gleichzeitig können die Produktionskosten gesenkt werden, und die Landwirte bekommen mehr Möglichkeiten, mit freiwilligen Programmen ihr Einkommen zu verbessern.»

Am Mittwoch hat der Bundesrat die Botschaft zur Agrarpolitik 2014–2017, kurz AP 14–17, verabschiedet. Darin eingeflossen sind viele Änderungsanträge aus der letztjährigen Vernehmlassung. Im Frühling kommt das Ganze nun ins Parlament, und in zwei Jahren soll die AP 14–17 in Kraft treten.

Mehr Gras, weniger Soja

«Das Konzept der AP 14–17 begrüsse ich sehr», freut sich Marcel Liner, beim Naturschutzverband Pro Natura zuständig für Landwirtschaftspolitik. Tatsächlich nimmt die AP 14–17 viele Anliegen von Grünen und Umweltorganisationen auf:

  •  Die direkte Unterstützung der Tierhaltung – ein Anreiz für intensive Tierproduktion – fällt weg. Die grüne Baselbieter Nationalrätin und Biobäuerin Maya Graf freut das: «Das bringt uns von der Quantität zur Qualität. Wir haben zu viele Tiere in der Schweiz, wir importieren zu viel Soja – mit schlimmen ökologischen und sozialen Folgen – und produzieren damit zu viel Milch und Fleisch.» Ziel müsse es sein, weniger Tiere zu halten, die dafür Schweizer Futter fressen. Das will der Bundesrat unterstützen: Ein Programm soll die «graslandbasierte» Milch- und Rindfleischproduktion fördern.
  • Vor allem im Berggebiet wachsen artenreiche Wiesen und Weiden zu, weil die Bewirtschaftung zu mühsam ist. Der Bundesrat will gegensteuern: mit höheren Hangbeiträgen, mehr Geld für die Sömmerung von Vieh auf Alpen und höheren Biodiversitätsbeiträgen in der Bergzone.
  • Das Programm «Regelmässiger Auslauf im Freien» (Raus) wird stärker unterstützt, ebenso der Bioackerbau.
  • Das BLW soll selber Beschwerde gegen die Einzonung von gutem Ackerland führen können. Für Land in Bauzonen gibt es keine Direktzahlungen mehr.
  • Ressourceneffizienzbeiträge sollen die Schadstoffbelastung reduzieren helfen. Zum Beispiel beim Ammoniak: Gedeckte Güllenlager und Schleppschlauchverteiler, die die Gülle nicht im hohen Bogen versprühen, sondern in dünnen Linien auf dem Boden ausbringen, verbessern die Luftqualität.

Maya Graf befürwortet die AP 14–17 grundsätzlich, weil die Direktzahlungen damit künftig stärker an Leistungen und weniger als bisher an die bewirtschaftete Fläche gebunden sind. Die grosse Frage ist allerdings, welche Bereiche wie stark gewichtet werden – und was das Parlament hier noch verändert.

In der jetzigen Botschaft ist der Bundesrat dem Bauernverband bereits entgegengekommen: Er verspricht mehr Versorgungssicherheitsbeiträge (VSB) als ursprünglich vorgesehen; sie sollen 39 Prozent der Direktzahlungen ausmachen. Die VSB stützen die Produktion und werden – wie die heutigen Flächenbeiträge – nach Hektaren bezahlt: Je grösser der Hof, desto mehr kriegt er. «Das widerspricht dem Konzept des Bundesrats, laut dem Leistungen abgegolten werden sollen», kritisiert Marcel Liner. Höhere VSB minderten ausserdem den Anreiz, bei den Ökoprogrammen mitzumachen.

Und die Rechte der Angestellten?

Valentina Hemmeler von der bäuerlichen Gewerkschaft Uniterre begrüsst, dass ein Teil der Massnahmen der AP 14–17, die den Strukturwandel hätten beschleunigen sollen, rückgängig gemacht wurde. Denn der Bundesrat wollte eigentlich den Mindestarbeitsaufwand, der einen Hof überhaupt zu Direktzahlungen berechtigt, erhöhen. Damit hätten rund 4000 der kleinsten Höfe die staatliche Unterstützung verloren. Dieser Plan wurde fallen gelassen.

Trotzdem fehle in der Vorlage vieles, kritisiert Hemmeler: Jungen QuereinsteigerInnen und Kollektiven müsse der Zugang zu Land erleichtert werden, landwirtschaftliche Angestellte bräuchten bessere Bedingungen. Uniterre hat ein anderes Ziel als der Bundesrat: Die BäuerInnen sollen wieder in erster Linie von ihren Produkten, nicht von Direktzahlungen leben können. Möglich werden soll das mit einer Steuerung der produzierten Mengen und fair ausgehandelten Preisen. «Aber heute haben wir keine Mehrheiten für unsere Vision», weiss Valentina Hemmeler.

Die Regulierung des Milchmarkts ist ein grosses Anliegen von Uniterre: «Die Folgen der tiefen Milchpreise sind für die Bauern dramatisch. Wenn nicht bald etwas geschieht, werden viele Strukturen zerstört», sagt Hemmeler. Dass die neue Agrarpolitik daran etwas ändert, glaubt sie nicht.

Mit der AP 14–17 wird die Verkäsungszulage weitergeführt: Der Bund bezahlt Verarbeitungsbetrieben fünfzehn Rappen pro Kilo Milch, das verkäst wird. Die Käsereien geben dieses Geld den ProduzentInnen weiter. Hintergrund ist der seit 2007 liberalisierte Käsehandel. Die Verkäsungszulage soll dafür sorgen, dass nicht der gesamte Milchpreis in den Keller fällt.

«Das funktioniert recht effizient», sagt Jürg Jordi vom BLW. «Nein, es funktioniert nicht mehr», meint dagegen Werner Locher, Landwirt in Bonstetten ZH und Sekretär der Milchbauernorganisation BIG-M. Die Überschüsse auf dem Milchmarkt gefährdeten auch die Käsebranche, auch für die Käsereimilch werde immer weniger bezahlt. Vor allem seit wegen des starken Frankens der Käseexport noch mehr unter Druck stehe. «Viele Verarbeiter machen aus der überschüssigen Milch irgendeinen 08/15-Käse und konkurrenzieren damit im Export andere Schweizer Käsesorten.»

Ohne die Verkäsungszulage wäre es noch schlimmer, sagt Locher. «Aber wenn wir nur so viel Milch produzieren würden, wie wir zu einem anständigen Preis verkaufen können, und wenn wir uns an der Grenze gegen Billigimporte wehren könnten, würden wir die Zulage nicht brauchen.» Doch davon ist der Milchsektor weit entfernt. Alle Versuche, die Mengen in den Griff zu bekommen, scheiterten in den letzten Jahren. Denn die Verarbeitungsbetriebe sind interessiert an Überschüssen, die zu tiefen Preisen führen. Und viele MilchbäuerInnen versuchen, die tiefen Preise mit einer Erhöhung der Produktion zu kompensieren.

Die dreissig Millionen Franken, die die Verkäsungszulage jährlich kostet, will der Bundesrat bei den Grundlagenverbesserungen einsparen: Darin enthalten sind etwa Investitionskredite, landwirtschaftliche Bauprojekte, Pflanzen- und Tierzüchtung. Maya Graf ist froh, dass nicht bei den Direktzahlungen gespart wird, hat aber trotzdem Bedenken: «Der Bund sollte die einheimische ökologische Pflanzenzüchtung stärker fördern, auch als Vorbereitung auf den Klimawandel.» Graf hat dazu letztes Jahr zwei Postulate eingereicht.

In einem bleibt der Bundesrat konstant: Er hält offene Agrarmärkte weiterhin für unvermeidlich – obwohl die Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO), die eine weitere Marktöffnung bringen soll, seit Jahren blockiert ist und auch die Verhandlungen für ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU stocken. Die AP 14–17 bringe «bessere Voraussetzungen für eine Bewältigung der Marktöffnung».

Die Schweiz als Produzentin von Ökoluxusprodukten für reiche EU-BürgerInnen? Marcel Liner von Pro Natura kann damit wenig anfangen: «Unser Ziel sollte es sein, zuerst die Schweizer Bevölkerung zu ernähren, statt möglichst viel zu exportieren und dafür auch mehr importieren zu müssen.»