100 Wörter: Endlich Regen
In einer für ihr kühles, aber trockenes Wetter bekannten Weltstadt regnet es seit Tagen aus Kübeln. Man erinnert sich an Sommerferien Mitte der achtziger Jahre, als der ganze Campingplatz an der Adria unter Wasser stand. Damals wie heute schwemmt der Regen, kaum dass er einmal heftig und untypisch für die Jahreszeit ausfällt, Untergangspropheten und Moralapostel an die Oberfläche, die von der trüben Aussicht profitieren wollen. Zum Glück sind die Leute diesmal nicht in den Sommerferien und daher beschäftigt, sodass die Unkenrufe ungehört verhallen. Schliesslich mag man eine Stadt nur dann wirklich, wenn sie einem in Regengüsse getunkt zu betören weiss.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.