100 Wörter: Plädoyer für Treibhäuser

Nr. 22 –

Die Gartensaison hatte vielverheissend begonnen. Die Gartencenter wurden regelrecht geplündert, und wer etwas auf sich hielt, pflanzte dieses Jahr mehr denn je zuvor, schöner als der Nachbar und exotischer als Hugo Trümmelbach. Dann aber blieb der Niederschlag so lange aus, dass selbst die Regenfässer verdorrten und die Güllenlöcher eintrockneten. Statt üppiger Blütenpracht wucherte die schiere Verzweiflung. Einzig die Sukkulentensammler freuten sich an der anhaltenden Dürre, aber was das für ein Menschenschlag war, das brauchte wirklich niemandem erklärt zu werden. Doch dann kam die Rettung in Form eines dreiwöchigen Landregens mit dazugehörigem Temperatursturz, bei dem erfror, was nicht bereits ersoffen war.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.