Kampfjets: «Wir müssen jetzt den SVP-Sitz angreifen»
Das Parlament und Militärminister Ueli Maurer wollen eine grössere Armee und neue Kampfjets. Der grüne Nationalrat und GSoA-Vorstand Jo Lang über rechte Seilschaften und den Entscheid, der die bürgerlichen Parteien bei den Wahlen Stimmen kosten könnte.
WOZ: Jo Lang, das Parlament hat sich für eine Vergrösserung der Armee und für den Kauf neuer Kampfjets entschieden. Wurde die Linke überrumpelt?
Jo Lang: Im Moment sind eher die anderen die Überrumpelten. Ich bin überzeugt, dass die Bürgerlichen nur einen Pyrrhussieg errungen haben. Sie werden bei den Wahlen den Preis dafür zahlen. Sie haben unterschätzt, welche Entrüstung es auslöst, dass sie diesen Entscheid am Volk vorbeigeschmuggelt haben. Aber es besteht eine gute Chance, dass wir den Entscheid über ein Referendum oder eine Initiative rückgängig machen werden.
Wie konnte es so weit kommen?
Die Wende in der Armeedebatte geschah im Frühling 2011. Herbeigeführt wurde sie durch verschiedene Beziehungsnetze, im Besonderen durch das PR-Büro Farner mit CVP-Ständerat Bruno Frick als Speerspitze und durch das Unternehmerforum Lilienberg mit SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger. Hinzu kamen die Schweizerische Offiziersgesellschaft und die Gruppe Giardino, eine militärische Milizorganisation. Diese Akteure hatten Erfolg, weil im Frühjahr zwei Bedingungen günstig waren: Einerseits gab es ein Zeitfenster mit rosigen Wirtschaftsaussichten. Andererseits war zu diesem Zeitpunkt laut Umfragen die Akzeptanz der Armee gestiegen. Vor diesem Hintergrund schritten sie zur Gegenoffensive: Zuerst ging es im Ständerat darum, die Armee zu vergrössern, das Budget zu erhöhen und die Kampfjets wieder aufs Tapet zu bringen – unter Wahrung der Volksrechte. Und später schufen sie eine Vorlage, die etwas günstiger war, aber die Volksrechte ausschloss.
Welche Rolle spielte dabei der Militärminister?
Ueli Maurer war bis im Frühjahr gegen die Beschaffung von Kampfjets. Er war nicht die treibende Kraft, das waren diese Netze. Deren innerster Kern besteht aus Teilen der CVP- und SVP-Delegationen in den Sicherheitspolitischen Kommissionen. Sie überzeugten erst die Delegationen, dann die Mehrheit der Kommissionen und erst zuletzt die eigenen Fraktionen.
Das Militärdepartement hat aber einen Beirat geschaffen, der ein erweiterter Stammtisch der helvetischen Tea Party ist. Damit meine ich etwa Farner PR und das Unternehmerforum Lilienberg, die einen militärpatriotischen Konservativismus mit knallharten Rüstungsinteressen verbinden.
Bundesrat Maurer verneinte Ihre Frage, ob Farner im Beirat sitze. Eine nachweislich falsche Information, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Hat Maurer gelogen?
Er hat zumindest geflunkert. Das PR-Büro Farner ist als Firma natürlich nicht direkt vertreten. Aber es verfügt über Arbeitsgemeinschaften und andere Vereine, die von ihm geführt werden – und denen Parlamentarier angehören. Und zwei dieser Vereine sind in diesem Beirat vertreten. Ab Beginn der Gegenoffensive im Frühjahr hat Ueli Maurer den Gesamtbundesrat systematisch hintergangen.
Hat sich Bundesrat Maurer damit disqualifiziert?
Ueli Maurer hat den Gesamtbundesrat ausgespielt und dazu noch die Volksrechte ausgehebelt: Damit ist er für mich erst recht nicht mehr wählbar.
Die SVP will im Dezember zwei Bundesratssitze.
Ich hielt die SVP zwar schon früher nicht für bundesratstauglich. Aber mit dieser Geschichte ist diejenige Fraktion in der Linken natürlich gestärkt worden, die der Meinung ist, die SVP habe im Bundesrat nichts zu suchen.
Ist Ihre Partei derselben Ansicht?
Die Grünen wollen die SVP und/oder die FDP angreifen. Nach dieser Geschichte ist für mich klar, dass wir den Sitz der SVP auf jeden Fall angreifen müssen.
Die GSoA hat sich doch diesen Entscheid auch selber eingebrockt. Sie hätte ihre Kampfjetinitiative nicht zurückziehen müssen. Waren Sie naiv?
Nein, wir haben dieses Szenario nie ausgeschlossen. Beim Rückzug der Initiative beschlossen wir für diesen Fall, das Referendum zu ergreifen und – sollten alle Stricke reissen – eine Initiative zu lancieren.
Das hat jetzt die SP für Sie übernommen.
Ich habe die Parteipräsidenten der Grünen und der SP bereits in der Sommersession darauf hingewiesen, dass die Herbstsession im Zeichen der Armee stehen wird, dass das ein Wahlkampfthema sein wird. Wenn sich Christian Levrat jetzt in dieser Geschichte engagiert, ist mir das willkommen. Die SP hat gegenüber den Grünen natürlich den Vorteil gehabt, dass die Delegiertenversammlung ausgerechnet in diesem Moment stattfand. Aber es ist auch der SP klar, dass diese Initiative und das Referendum über Bündnisse erfolgten. Und dass die GSoA, die bislang eine Schlüsselrolle spielte, dies auch künftig tun wird.
Was heisst das für die kommenden Monate?
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mehrheit des Bundesrats gegen Ueli Maurer dem Parlament einen referendumsfähigen Beschluss vorlegt, ist sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Parlament selber einen referendumsfähigen Beschluss fasst, ist ebenfalls ziemlich hoch. Ich bin auf jeden Fall für ein Referendum, da es leichter zu gewinnen ist als eine Initiative.
Aber weil es keine Garantie für ein Referendum gibt, ist es richtig, dass die GSoA, die SP und die Grünen mit möglichst vielen anderen Parteien und Organisationen eine neue Moratoriumsinitiative lancieren.