Philippinen: Operationsplan Nachbarschaftshilfe
In Rom und in der Stadt Kidapawan auf der südphilippinischen Insel Mindanao fanden Anfang der Woche die Trauerfeierlichkeiten für den 59-jährigen italienischen Priester Fausto Tenorio statt, der in den Morgenstunden des 17. Oktober erschossen worden war. Tenorio ist das 54. Opfer aussergerichtlicher Hinrichtungen seit dem Amtsantritt des philippinischen Präsidenten Benigno Aquino Ende Juni 2010.
Der Priester lebte seit 1978 auf den Philippinen und hatte sich als unerbittlicher Streiter für die Interessen der Lumad einen Namen gemacht, der indigenen Völker auf Mindanao. Tenorio und seine MitstreiterInnen setzten sich für den Bau von Schulen, Kindertagesstätten und Gesundheitseinrichtungen ein. Da die Region reich an Bodenschätzen ist, versuchten jedoch alle Regierungen im fernen Manila, ausländische InvestorInnen mit dem Versprechen auf lukrative Geschäfte im Bergbau und Agrobusiness dorthin zu locken. Den Minengesellschaften folgen stets «zum Schutz» abkommandierte Regierungstruppen oder paramilitärische Einheiten. Vor Ort arbeitende nichtstaatliche Organisationen sprechen in diesem Zusammenhang von «Entwicklungsaggression».
Integraler Bestandteil dieser Politik ist seit der Ära von Diktator Ferdinand Marcos (1966–1986) die Umsetzung staatlicher Aufstandsbekämpfungsprogramme. Damit sollen die muslimischen und kommunistischen Widerstandsbewegungen bekämpft werden. Das aktuelle Aufstandsbekämpfungskonzept trägt den Titel «Oplan Bayanihan» (Operationsplan Nachbarschaftshilfe), in ihm wird auch die Entwicklung der lokalen Infrastruktur propagiert. Tatsächlich geht es dabei jedoch darum, die (para-)militärische Präsenz für Informationszwecke zu nutzen und herauszufinden, welche Personen und Gruppen sich sozialpolitisch engagieren. Sind diese identifiziert, geraten sie in die Schusslinie antikommunistischer Propaganda oder werden – als «terroristisch» gebrandmarkt – gewissermassen liquidiert.
Die TäterInnen sind bis dato allesamt auf freiem Fuss. Laut Bischof Modesto Villasanta von der protestantischen United Church of Christ in the Philippines sei die Aquino-Regierung, was die Menschenrechtslage betrifft, keinen Deut besser als ihre Vorgängerin. «Wir sind sicher, dass noch immer die meisten aussergerichtlichen Hinrichtungen auf das Konto von Regierungsstellen gehen.» Rainer Werning