Fifa: Family Business
Fifa-Präsident Joseph Blatter hat Transparenz und grosse Reformen gegen Korruption angekündigt – und verschafft seinem Neffen lukrative Verträge.
Es war ein grosser Auftritt für den neuen Fifa-Mann: Walter de Gregorio, «Sportjournalist des Jahres 2010» und zuletzt tätig für «Das Magazin» und «Weltwoche», sass erstmals auf der anderen Seite, gleich neben dem Präsidenten, als dieser vor zwei Wochen auf dem Zürichberg der versammelten Sportpresse erklärte, wie die Fifa für mehr Transparenz sorgen möchte. Joseph Blatter rief – einmal mehr – eine Kommission und verschiedene Taskforces ins Leben, die bis zum Juni 2013 Reformen in der Fifa umsetzen sollen – ein «ehrgeiziger Zeitplan, ein Formel-1-Fahrplan», wie Blatter sagte. Dann kündigte der Präsident an, was er zuvor bereits gegenüber einzelnen, ausgewählten Journalisten hatte durchsickern lassen: Die Fifa beabsichtige, Dokumente im Fall ISL zu veröffentlichen.
Der Fall ISL ist die grösste bekannte Schmiergeldaffäre der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Die Sportrechtehändlerin ISL mit Sitz in Zug war jahrelang bevorzugte Partnerin der Fifa gewesen und hatte von 1989 bis zu ihrem Konkurs 2001 rund 140 Millionen Franken Schmiergelder gezahlt – auch an hohe Fifa-Funktionäre. Im Sommer 2010 zahlten zwei Fifa-Funktionäre 5,5 Millionen Franken Wiedergutmachung, damit die Zuger Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung im Zusammenhang mit der Affäre einstellte. In der Folge forderten diverse Zeitungen Einsicht in die Einstellungsverfügung – die Staatsanwaltschaft Zug gewährte sie, die Fifa erhob Einspruch und verhindert seither auf juristischem Weg, dass die Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen. Schon darum ist dem angeblichen Reformwillen der Fifa nicht zu trauen: Sie könnte die ISL-Dokumente längst freigeben – wenn sie denn wollte.
Doch da ist noch mehr.
An der Pressekonferenz Ende Oktober war viel von Transparenz die Rede, die Fifa präsentierte die Antikorruptionsorganisation Transparency International und Strafrechtsprofessor Mark Pieth als Garanten für die neue Seriosität im Weltfussballverband. Sie sollen der Fifa künftig beratend zur Seite stehen.
Aber Transparenz ist in der Fifa höchstens ein Modewort. Fernab der Kameras wird weiter nach dem Motto geschäftet: Family Business. Letzte Woche vergab der Weltfussballverband die Fernsehrechte für den asiatischen Raum von 2015 bis 2022, also für die Zeit, in der auch die beiden Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar stattfinden: Die Fifa verkaufte die Rechte für 1,85 Milliarden US-Dollar an die Infront Sports & Media AG. Infront ist eine weltweit führende Sportmarketingfirma mit Sitz in Zug. Und ihr Präsident und CEO ist seit April 2006 Philippe Blatter – Josephs Neffe.
Infront wurde nicht zum ersten Mal von der Fifa berücksichtigt. Bereits für die Weltmeisterschaften 2002 und 2006 konnte sie weltweit die TV-Rechte vermarkten. Und auch 2010 erhielt sie ihr Stück vom Kuchen. Infront ist in den vergangenen Jahren zu einem der grössten Player im Markt für Sportrechte geworden. Seit dem Konkurs der ISL im Jahr 2001 ist Infront im wahrsten Sinne des Wortes an deren Stelle getreten: Das Unternehmen hat den Sitz an derselben Adresse in Zug.
Infront ist auch an Match beteiligt, einem Zürcher Unternehmen, das Rundumpakete für Sportveranstaltungen anbietet, sogenannte Hospitality Packages. Das tat sie auch an der letzten WM in Südafrika. Dort waren die Preise viel zu hoch, was zu einer geringen Nachfrage führte, die in Folge Stadien halbleer liess. Das ärgerte sogar den Präsidenten Blatter, der damals im Schweizer Fernsehen zugab, es sei «nicht gut gelaufen». Deshalb werde man künftig den Ticketverkauf selber in die Hand nehmen. Tatsächlich gründete die Fifa daraufhin die Fifa Ticketing AG, die die Gesamtverantwortung für das Kartenprogramm für die kommende WM 2014 in Brasilien trägt. In der «operationellen Umsetzung» wird sie allerdings weiter von Match «unterstützt».
Die Fifa gab nun bekannt, wer danach bis 2023 die Hospitality-Rechte erhält: Es ist ausgerechnet Match, also die Firma, an der auch Philippe Blatters Firma Infront Anteile besitzt. Die Fifa teilt mit, Match sei aus ihrer eigenen «Branchenanalyse» als «bester Anbieter» hervorgegangen. Eine öffentliche Ausschreibung habe es zwar nicht gegeben, sagt die Fifa. Man habe aber «Sondierungsgespräche» geführt.
Im Sinne der angekündigten Transparenz hätte die WOZ diese «Branchenanalyse» gerne eingesehen. Die Fifa lehnte ab.