Medientagebuch: Ein gelungener Start
Linda Stibler über die neue Basler «TagesWoche»
In Basel wurde sie mit einiger Ungeduld erwartet: die neue «TagesWoche» – eine Zeitung, die versprach, mehr als eine Zeitung zu sein, nämlich ein Medium, das wöchentliche Informationen in gedruckter Form und tägliche Kommunikation online vermitteln soll. Dazu noch: Aus dieser Kommunikation im Netz soll sich ein zeitgemässer Dialog entwickeln. Die LeserInnen sollen sich einmischen; sie können auch neue Themen setzen.
Jetzt liegt die erste Printausgabe der «TagesWoche» vor, und seit einer Woche gibt es täglich Neuigkeiten im Netz. Der Zugang ist unkompliziert und einfach – selbst für Leute, die sich mit dem Internet schwertun. Und er ist uneingeschränkt, das heisst kostenlos, auch wenn ein freiwilliger Obolus gerne entgegengenommen wird. Die gedruckte Zeitung jedoch ist das tragende Standbein. Für sie muss ein ganz normaler Abopreis bezahlt werden.
Und wie sieht diese Zeitung aus, die jeweils am Freitag erscheint? Ist sie wirklich mehr als einfach ein neues Blatt im bereits gelichteten Blätterwald der Schweiz? Ja, die «TagesWoche» widersetzt sich dem Trend der billigen Effekthascherei und Sensationsmache. Die «TagesWoche» kommt in Inhalt und Aufmachung nicht marktschreierisch daher, sondern relativ bescheiden, unaufgeregt. Das mag für einige Leute gewöhnungsbedürftig sein, aber es ist auch ein Lichtblick. Die Themenwahl ist breit gefächert, sowohl im Lokalen wie im Nationalen und Internationalen.
Die einzelnen Beiträge vertiefen Aspekte, die in der Informationsflut bisweilen unterzugehen drohen. So zum Beispiel, wenn die griechische Finanztragödie unter dem Gesichtspunkt der jahrzehntealten Clanwirtschaft in der Politik beleuchtet wird. Es entstand ein schonungsloser Bericht, der aber alle Pauschalurteile vermeidet.
Eine neue Sachlichkeit wünschen sich die schweizerischen LeserInnen: Das folgert das neue Blatt aus dem jüngsten Wahlresultat. Und es will ihm entsprechen: Die Sprache ist sorgfältig und nicht respektlos. Auch das mögen manche langweilig finden, weil sie sich an das zur Mode gewordene Hickhack gewöhnt haben wie an eine Droge. Doch die Texte der «TagesWoche» sind oft von einem leisen Humor durchzogen, was die Langeweile sofort verschwinden lässt.
Die Zeitung hat ein neues Format – nicht das landesübliche Tabloid, sondern etwas grösser, aber immer noch handlich. Das Layout ist hell und freundlich. Die Bildqualität ist trotz des einfachen Auftritts hervorragend. Und die Fotos haben eine eigenständige Aussage.
Nein, sie seien keine Konkurrenz zur «Basler Zeitung», sagen die MacherInnen, wohl wissend, dass ihnen manche Probe noch bevorsteht. Ob sie die spezielle Qualität auch über längere Zeit durchhalten können? Ob der Dialog mit der NutzerInnengemeinde im Netz dauerhaft funktioniert?
Jedenfalls ist der Start gelungen. Und die meisten Medien in diesem Lande – öffentliches Radio und Fernsehen inbegriffen – äussern sich positiv. Auch die Basler Webzeitung «Onlinereports», für die das neue Medium tatsächlich eine herausfordernde Konkurrenz darstellt, findet anerkennende Worte. Chapeau!
Zwei Ausnahmen gibt es: Die «Basler Zeitung» macht sich mit einem jovial-bösartigen Kommentar über die Zeitung lustig, und die «Weltwoche» speit mit einfältig-grobem Humor Gift und Galle. Beide Kommentare stammen vom selben Autor.
Linda Stibler ist seit vierzig Jahren Journalistin in Basel.