«TagesWoche»: «Diese Zeitung ist und bleibt unverzichtbar»

Nr. 33 –

Vor Monatsfrist knallte es wieder mal bei der Basler «TagesWoche». Der Verwaltungsrat setzte den Geschäftsführer und den Redaktionsleiter ab. Und doch sind wieder positive Stimmen zu vernehmen.

Wer beeinflusst hier wen, warum und wie? Unternehmen Mitte in Basel, wo die Redaktion der «TagesWoche» zu Hause ist. Foto: Ursula Häne

Anfang Juli machte die «TagesWoche» wieder einmal Schlagzeilen: Der neue Verwaltungsrat des Basler Online- und Zeitungsprojekts hatte soeben den Geschäftsführer Tobias Faust und den Redaktionsleiter Dani Winter abgesetzt. Über die Hintergründe der Absetzung ist nichts bekannt. Sie geschah, nachdem sich die beiden erst zwei Jahre zuvor in einem internen Machtkampf durchgesetzt hatten: Während die eher «traditionellen» JournalistInnen um den (schliesslich kaltgestellten) Koredaktionsleiter Urs Buess für einen starken und hintergründigen Auftritt auch in der gedruckten Wochenausgabe einstanden, setzte eine andere Gruppe um den ehemaligen Basler Blogger Dani Winter auf «online first» und eine abgespeckte Printausgabe. Die Onliner gewannen – die VerliererInnen gingen entweder aus freien Stücken, andere mussten gehen.

Diffuse Einflussnahmen

Bei diesem Richtungsstreit spielte offenbar der informelle Einfluss von Georg Hasler eine entscheidende Rolle (siehe WOZ Nr. 18/2014 ). Als Intimus der «TagesWoche»-Mäzenin Beatrice Oeri stärkte der Unternehmer die Gruppe um Winter und Faust. Höchst umstritten ist, inwieweit es – wie mehrere Stimmen behaupten – einen diffusen Einfluss der anthroposophischen Bewegung, zu deren Umfeld Beatrice Oeri und Georg Hasler gerechnet werden, auf die Redaktionsarbeit gab. Fakt ist: Die Liegenschaft, in dem das Unternehmen Mitte im Basler Stadtzentrum untergebracht ist und in dem sich auch die Redaktion der «TagesWoche» eingemietet hat, gilt als anthroposophisches Epizentrum, sie befindet sich im Besitz der Stiftung Edith Maryon. Diese verfügt über ein Immobilienportfolio im Wert von 130 Millionen Franken und folgt einer Doktrin der anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner.

Doch genügt das im Fall der «TagesWoche», um von einem anthroposophischen Einfluss zu sprechen? Der nun abgesetzte Redaktionsleiter Dani Winter bestreitet das: «Selbst wenn das Haus, in dem sich das Unternehmen Mitte befindet, einer anthroposophischen Stiftung gehören sollte, kann man daraus keine Einflussnahme auf die Redaktion ableiten – das ist lächerlich.» Auch der Basler NZZ-Korrespondent habe hier schliesslich sein Büro. «Steht die NZZ deswegen unter anthroposophischem Einfluss?»

Ein ehemaliger Redaktor hingegen, der nicht namentlich genannt werden möchte, sagt: «Bei der Themensetzung war ein diffuser Einfluss spürbar. Aber ich habe mich nicht darum gekümmert und die Themen gewählt, über die ich schreiben wollte und auch konnte.»

Fragen der fehlenden Unabhängigkeit aufgrund von Einflüssen aus Kreisen der GeldgeberInnen gaben schon bald nach der Gründung der «TagesWoche» im Frühjahr 2011 Anlass zu Diskussionen. Urs Buess, der später in den Verlegerausschuss wegbefördert wurde und mittlerweile nicht mehr bei der «TagesWoche» arbeitet, antwortete vor vier Jahren in einem Gespräch mit der WOZ auf die Frage, ob ihm nicht mulmig sei bei dem Gedanken, von einer Mäzenin abhängig zu sein: «Nein, mir ist nicht mulmig. Die Situation ist äusserst transparent.»

Heute meint er rückblickend: «Ich war etwas naiv. Frau Oeri hat ja damals gesagt, sie werde sich nicht einmischen.» Das habe sie tatsächlich auch nicht getan. Doch Leute, die ihr nahestehen, hätten im Hintergrund durchaus Einfluss geltend gemacht. Auch wenn nach wie vor unklar ist, was im Hintergrund genau ablief. «Unsere Freiheit war nur eine vordergründige. Die Geldgeber hatten offenbar durchaus Interessen, die aber nicht deklariert waren.» Über Interna darf Buess nicht reden, er hat eine Schweigevereinbarung unterzeichnet.

Gibt es eine publizistische Idee?

«Dass sich dieses faszinierende Projekt so seltsam entwickeln würde, damit hätte ich niemals gerechnet», sagt Martina Rutschmann, die im Gründungsteam der «TagesWoche» war, nachdem sie zuvor zehn Jahre bei der «Basler Zeitung» («BaZ») und danach zwei Jahre bei einem Lokalradio gearbeitet hatte. Rutschmann, die nach der Absetzung von Urs Buess und nach der Ernennung von Dani Winter zur «Basellandschaftlichen Zeitung» wechselte, erinnert sich: «Der Anfang war toll. Wir waren erfahrene Journalisten, wir wollten eine politisch unabhängige Lokalzeitung machen, eine Alternative für Basel, wir wollten selbsttragend und unabhängig von Oeri werden. Heute ist mir nicht klar, welche publizistische Idee hinter der ‹TagesWoche› steht, ob es überhaupt eine gibt.» Der ehemalige «BaZ»-Chefredaktor Ivo Bachmann, der von 2011 bis im Juni 2014 Verwaltungsratspräsident der «TagesWoche» war, sei für sie ein Garant für Seriosität gewesen. Darum stieg sie ein.

Aber dann kam alles anders. Rutschmann erinnert sich an unverständliche Entscheide: Eines Abends zum Beispiel, nachdem sich in Basel fünf Überfälle ereignet hatten, verfasste ein Kollege eine nüchterne Meldung, worauf ihn Dani Winter gemassregelt habe. Begründung: Um Kriminalität kümmerten sich andere Medien. Winter selbst will dazu keine Stellung nehmen. «Ich habe so viele Entscheide getroffen, ich kann mich nicht an jeden erinnern», sagt er. «Ich beanspruche aber für mich, dass unter meiner Leitung das Stadtleben facettenreicher dargestellt wurde als davor.» Im Übrigen legt er Wert auf die Tatsache, dass er ein Angebot hatte, in einer anderen Funktion weiter bei der «TagesWoche» zu arbeiten. Er wollte nicht.

Martina Rutschmann schreibt die «TagesWoche» aber nicht ab: «Ich habe den Eindruck, der neue Verwaltungsrat macht gute Arbeit. Falls eine erfahrene externe Person die Leitung übernimmt und man sie machen lässt, hat das Projekt vielleicht noch eine Chance. Denn es gibt noch gute Kollegen dort.»

«Ein Buch mit sieben Siegeln»

Auch der Schriftsteller Guy Krneta, einer der InitiatorInnen der Aktion «Rettet Basel», die als Reaktion auf die Übernahme der «BaZ» durch Christoph Blocher und Co. und die darauf folgende Einsetzung von Markus Somm als Chefredaktor im Jahr 2010 ins Leben gerufen wurde, glaubt immer noch an die «TagesWoche»: «Die ‹TagesWoche› ist und bleibt unverzichtbar!» Die «bz Basel», die Stadtausgabe der «bz», hat sich nach Einschätzung von Krneta zu einer ernst zu nehmenden Regionalzeitung entwickelt, die sich zunehmend gegen die «BaZ» positioniere. Als dritte Stimme sei die «TagesWoche» für Basel aber wichtig. «Unter der Leitung von Somm ist die ‹BaZ› zum Kampagnenorgan der Blocher-SVP verkommen. Das hat nicht mehr viel mit Journalismus zu tun. Es gibt in Basel aber ein grosses Bedürfnis nach unabhängigem Recherchejournalismus. Und ich hoffe, dass die Leute nach wie vor bereit sind, dafür zu bezahlen.» Positiv wertet Krneta, dass die ursprünglich für vier Jahre zugesicherte Finanzierung der «TagesWoche» nun darüber hinaus besteht.

Für Krneta sind die Wirren und unternehmerischen Entscheide in der «TagesWoche» ein Buch mit sieben Siegeln: «Ich verstehe nicht genau, was da passiert.» Als Leser und Aktivist hat er allerdings eine klare Meinung: Unter Winters Leitung habe die «TagesWoche» an Profil gewonnen. Dass Urs Buess’ Rolle in den Medien, auch in der WOZ, derart positiv dargestellt werde, sei absolut nicht nachvollziehbar. «Wenn Fehler passiert sind, dann in erster Linie in der Anfangsphase», sagt Krneta. Er habe nie verstanden, warum die «TagesWoche» keine «Anti-BaZ» sein wollte und sich von «Rettet Basel» abgrenzte. In den letzten Jahren hätten die Berührungsängste aber abgenommen. Die «TagesWoche» habe sich dem ursprünglich proklamierten Community-Gedanken geöffnet. «Rettet Basel» sei wichtig gewesen, meint Krneta, um auf die neuen Besitzverhältnisse bei der «BaZ» und deren Konsequenzen für die demokratische Öffentlichkeit aufmerksam zu machen. «Insofern haben wir unsere Hauptaufgabe erfüllt.»

Dennoch bleibt «Rettet Basel» aktiv. In den letzten Monaten tourte Krneta mit der filmischen Intervention «Die Übernahme» durch die Schweiz – der Film von Edgar Hagen thematisiert die Übernahme der «BaZ» durch Blocher und ihre Folgen. Aktuell arbeitet «Rettet Basel» mit SP-Nationalrat Beat Jans und dem Medienanwalt Ludwig Schmid am Aufbau einer Anlaufstelle, die den Opfern von Medienkampagnen beistehen soll – und ihnen hilft, sich gegen Kampagnen zur Wehr zu setzen. «Der Fertigmacher-Journalismus der ‹BaZ› hat selbst bürgerliche Kreise aufgeschreckt.»

«Eindeutiger Mehrwert»

Auch der ehemalige Redaktor, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bewertet die aktuelle Entwicklung der «TagesWoche» als «sehr positiv, aber leider kommt das alles etwas spät». Die Redaktion leiste gute Arbeit und biete vor allem in der Kultur und im Sport einen eindeutigen Mehrwert im Vergleich zur «Basellandschaftlichen Zeitung» und zur «BaZ». Und, so der ehemalige Redaktor weiter: «Für mich und für fast alle Basler sehr wichtig: Die ‹Tageswoche› macht die beste FCB-Berichterstattung.»

Die Frage bleibt: Ist mit der Absetzung von Faust und Winter der behauptete Einfluss auf den redaktionellen Inhalt auch wirklich unterbunden? Der Anwalt Oscar Olano, der als neuer Verwaltungsratspräsident die Absetzung der beiden verantwortet, geniesst in Basel, wo immer man sich umhört, einen guten Ruf. Mit der Absetzung ist der informelle Einfluss geschwächt, den Georg Hasler nach Einschätzung ehemaliger MitarbeiterInnen ausgeübt hat. Künftig soll nun nur noch eine Person für die Leitung der «TagesWoche» zuständig sein. Noch ist die Stelle nicht besetzt. Darüber und über die Beweggründe der Absetzung hätte die WOZ gerne mit Olano gesprochen. In seiner schriftlichen Antwort ging er auf die Fragen nicht ein. Nur so viel: Er werde die WOZ informieren, sobald ein neuer Chefredaktor bestimmt sei.

Zwei Stiftungen dahinter

Die «TagesWoche», 2011 gegründet, erscheint täglich online sowie einmal wöchentlich als gedruckte Zeitung. Sie wird durch zwei Stiftungen finanziert. Die Stiftung Levedo, 2007 von Beatrice Oeri gegründet, einer Haupterbin des Pharmakonzerns Roche, will «zur kulturellen Vielfalt sowie zu einer offenen Gesellschaft beitragen». Sie ist international vor allem in den Bereichen Musik und Medien engagiert. Levedo finanzierte die ersten Projektarbeiten für die «TagesWoche» und stellte schliesslich auch die Mittel für die neue Stiftung für Medienvielfalt bereit.

Diese zweite Stiftung wurde im April 2011 gegründet. Ihr Zweck: ein «vielfältiges Medienangebot zugunsten einer offenen und toleranten Gesellschaft». Die Stiftung für Medienvielfalt unterstützt kleinere und grössere Medienprojekte in der ganzen Schweiz, unter anderem den Onlineauftritt des Ostschweizer Kulturmagazins «Saiten». Die «TagesWoche» ist ihr bislang grösstes Projekt. Die Stiftung ist alleinige Aktionärin der Neue Medien Basel AG, der Herausgeberin der «TagesWoche».