Klimakonferenz in Durban: Sparlampen vor dem Kollaps
Was, wenn einmal die «letzte Chance» ausgerufen, aber nicht genutzt wurde?
Ende November beginnt in Durban (Südafrika) der 17. Uno-Klimagipfel. Es ist der zweite nach der «letzten Chance», die 2009 in Kopenhagen vertan wurde. Von der «wichtigsten internationalen Konferenz seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs» sprachen damals viele. Und tatsächlich wäre «Kopenhagen» als Meilenstein in die Geschichte eingegangen, wäre denn herausgekommen, was hätte herauskommen müssen: ein Abkommen, das den Klimawandel begrenzt und die Kosten des Klimawandels und seiner Bekämpfung global gerecht verteilt. Ein Abkommen, das die Welt verändert.
Es wäre die letzte Chance gewesen, nach dem (viel zu schwachen) Kyoto-Protokoll klimapolitisch lückenlos weiterzumachen und vielleicht sogar die USA einzubinden. Die Voraussetzungen standen gut: Die USA hatten einen frischen Präsidenten, der für «Wandel» stand (wer erinnert sich noch?) und sich auf eine Mehrheit im Kongress stützen konnte. Die Finanzkrise hatte die Politik als Akteurin gegenüber den Märkten und ihren politikfeindlichen IdeologInnen – scheinbar – gestärkt. Der Klimawandel war in den Schlagzeilen.
Heute lähmt die Wirtschaftskrise eine völlig ratlose Politik, und ausgerechnet Professoren der Ökonomie, dieser als Wissenschaft auftretenden Zivilreligion, erscheinen als die besseren Politiker. Barack Obama schlägt sich mit republikanischen Mehrheiten herum und bangt um die Wiederwahl. Japan, Russland und Kanada haben sich vom Kyoto-Protokoll verabschiedet.
Aus den öffentlichen Debatten ist der Klimawandel weitgehend verschwunden. Wenn, um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen, der Kanton Zürich am 27. November über eine Flughafenvorlage abstimmt, dann war im Abstimmungskampf viel von Fluglärm die Rede. Eine grundsätzliche Diskussion darüber, dass Fliegen, nähme man den Klimawandel ernst, in Zukunft nicht mehr drinliegt, dass es mithin auch ökonomisch unsinnig wäre, Flughäfen auszubauen, glaubte man denn ernsthaft an den politischen Willen, die Katastrophe abzuwenden: Eine solche Diskussion hat nicht stattgefunden. Die BefürworterInnen des Ausbauverbots wollen ja nicht als wirtschaftsfeindlich gelten. Von Klimawandel zu sprechen, wäre da total uncool.
Uncool ist es auch, Katastrophenstimmung zu verbreiten. Die gute Laune angesichts des prächtigen Novemberwetters mit dem Hinweis auf die Rekordtrockenheit zu verderben. Man riskiert, dass die Leute in Apathie verfallen, womit auch niemandem gedient wäre. Also nur keine Panik. Und so glauben denn auch unter denen, die den Klimawandel nicht rundweg leugnen, immer noch viele, es gehe darum, das Überleben der Eisbären zu sichern, indem man Elektroauto fährt, Sparlampen kauft und CleantechlobbyistInnen ins Parlament wählt. Nur nichts überstürzen, sonst machen die BürgerInnen nicht mit.
Unterdessen übertreffen die Treibhausgasemissionen die schlimmsten Erwartungen. Wir gehen auf eine Erwärmung um sechs Grad bis Ende unseres Jahrhunderts zu. Südeuropa könnte so unwirtlich werden wie die Sahara. Längerfristig würde die grönländische Eisdecke schmelzen und den Meeresspiegel um mehrere Meter anheben. Ohne Gletscher in den Alpen, in den Anden oder im Himalaja geriete die Trinkwasserversorgung von mehr als einer Milliarde Menschen in Gefahr. Es drohen Ressourcenkriege, Hungerkatastrophen, der Kollaps staatlicher Strukturen.
«Beende deinen Artikel mit einem Ausblick, wie das Problem sich lösen lässt», heisst es oft, wenn ich über den Klimawandel schreiben soll, «wir wollen unsere LeserInnen nicht entmutigen.» Ich kann dem Wunsch immer entsprechen, denn es braucht nicht viel Fantasie – wenn auch mehr, als in der Politik üblich ist –, um sich eine Welt vorzustellen, die anders ist als unsere, ohne schlechter zu sein. Allein, man müsste handeln.
In Durban gilt es, die Aufgabe zu lösen, die «Kopenhagen» nicht gelöst hat. Sie ist einfach noch schwieriger geworden. Doch vielleicht geschieht ja ein politisches Wunder. Dann hätten wir noch einmal eine letzte Chance.