Fussball und andere Randsportarten: Gern etwas knapper
Pedro Lenz über die Hose des Dr. Sócrates
Vergangene Woche ist in Brasilien im Alter von 57 Jahren der Starfussballer Dr. Sócrates gestorben. Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira, wie er mit ganzem Namen hiess, verdankte seinen Ehrennamen Dr. Sócrates dem Umstand, dass er in jungen Jahren Medizin studiert hatte und deswegen in Fussballerkreisen als Intellektueller galt. Doch in erster Linie war Dr. Sócrates ein herausragender Fussballer, der sechzigmal für die Nationalmannschaft seiner Heimat auflief und an den Weltmeisterschaften 1982 und 1986 ein Millionenpublikum mit seiner Eleganz, seiner famosen Spielübersicht und seinen legendären Absatztricks entzückte. Wie andere Grosse seines Fachs soll Dr. Sócrates allerdings seinen Alkoholkonsum nie wirklich unter Kontrolle gebracht haben. Die Trinkerei hat ihn nun frühzeitig ins Grab gebracht.
Vor dreissig Jahren habe Dr. Sócrates in einem Interview gesagt, er wünsche sich dereinst an einem Sonntag zu sterben, an dem sein Herzensklub Corinthians Brasilianischer Meister werde. Der Wunsch des Doktors ging in Erfüllung, auch wenn er selbst es nicht mehr erfahren hat, da das entscheidende Spiel erst einige Stunden nach seinem Ableben stattfand. Der S. C. Corinthians Paulista gewann am letzten Sonntag zum fünften Mal die Meisterschaft und widmete den Titel dem einstigen Idol.
Als wir dieser Tage im Freundeskreis über sein trauriges Ableben gesprochen haben, bemerkte eine Freundin, ihr habe an Sócrates vor allem die enge Hose gefallen. In den späten siebziger und frühen achtziger Jahren spielten praktisch alle Fussballteams in engen Hosen. Und obwohl wir es in unserer Runde ein bisschen pietätlos fanden, über den eng verpackten Hintern eines Mannes zu reden, der eben erst verstorben war, blieben wir beim Thema Fussballerhosen. In Grossbritannien, sagte ein Anwesender, sei Weiss eine besonders beliebte Farbe für Fussballerhosen. Nur wenn die Hose am Anfang eines Matchs leuchtend weiss sei, sei am Ende des Spiels für alle klar ersichtlich, wer gekämpft und gegrätscht hat. Verlasse ein Profi nach Spielschluss das Feld mit einer Hose, die noch genauso weiss sei wie auf dem Mannschaftsfoto, dann wüssten alle Fans im Stadion sofort, dass der Betreffende ein fauler Hund sei oder ein Weichei oder beides.
Als Fan der Berner Young Boys konnte ich mit dieser Idee nicht besonders viel anfangen. Zum einen tragen die Young Boys seit über hundert Jahren schwarze Hosen, zum andern sahen wir bei uns im Stadion Wankdorf seit Jahren keinen Dreck mehr. Der Plastikrasen war so keimfrei, dass kein Stäubchen an den Kleidern der Spieler hängen blieb. Wenn in Bern ein Fussballer einen schmutzigen Dress hatte, dann musste es sich um Blut oder Rotz handeln.
Doch seit Hoffnungsträger Christian Gross als Trainer nach Bern gekommen ist, drängt er auf Naturrasen im Stadion. In diesen Tagen war nun endlich der Presse zu entnehmen, in der Winterpause werde in Bern tatsächlich ein Naturrasen verlegt. Das Meisterschaftsspiel vom vergangenen Sonntag sei das letzte auf künstlicher Unterlage gewesen.
Ab dem kommenden Jahr sollten auch die Berner Young Boys in weissen Hosen auflaufen, schlugen einige in der Runde vor. Weisse Hosen zu gelben Leibchen seien vielleicht farblich nicht die ultimative Lösung, aber wenigsten könnten wir dann, wie die Fans auf der Insel, den Kampfgeist der Spieler am Schmutz ihrer Hosen ablesen. Ihr sei es ziemlich egal, welche Farbe die Spielerhosen hätten, meinte die Verehrerin von Dr. Sócrates. Sie messe Fussballer nicht daran, wie oft sie während einer Partie im Dreck lägen. Viel wichtiger scheine ihr, dass die Shorts der Fussballer endlich wieder etwas kürzer und knapper geschnitten würden, Dr. Sócrates zu Ehren und ihr selbst zur Freude.
Pedro Lenz, 46, ist Schriftsteller und lebt in Olten. Fussballerisch hat er es nie zu einem Künstlernamen gebracht.