Buch: Zwischen Mata Hari und Eleonore Duse
Margrit Schriber: «Das zweitbeste Glück». Verlag Nagel & Kimche. Zürich 2011. 126 Seiten. Fr. 25.90.
Julie Helene Bider war nicht nur die Schwester des Flugpioniers Oskar Bider, sie war auch eine angehende Diva des Schweizer Films. Ihre erste Rolle spielte Leny 1917 in «Frühlingsmanöver», laut Eigenwerbung ein «pikantes schweizerisches Militär-Lustspiel»: Soldaten tauschen in einem Mädchenpensionat Uniformen gegen Nachthemden. Das Militär schäumte, Regisseur Charles Decroix wurde wegen «ausserdienstlichen Gebrauchs von Ordonnanzuniformen» angeklagt und bis Kriegsende interniert. Leny Bider spielte noch im selben Jahr die Hauptrolle im Schweizer Film «Der Bergführer», dann brach die Karriere ab, in der Mangelwirtschaft der Kriegsjahre fehlte es an Material.
In ihrem neuen Roman, «Das zweitbeste Glück», erzählt Margrit Schriber die Geschichte der Geschwister Bider, die gemeinsam in ihrem Heimatort Langenbruck bestattet wurden. Denn ein paar Stunden nachdem der Flugpionier Oskar Bider am 7. Juli 1919 tödlich verunglückte, nahm sich Leny in einem Hotelzimmer das Leben. Sie, die von der traditionellen Frauenrolle nichts wissen wollte, hatte kein befriedigendes eigenes Leben aufbauen können. Von dem, was sie im Mädchenpensionat gelernt hatte, blieb ihr die Fähigkeit, Kleider und Hüte zu entwerfen, aber am liebsten begleitete sie ihren Bruder auf seinen Flügen. Für ihn (und für das Schweizer Militär) spionierte sie sogar in England die Fortschritte der Luftfahrt aus.
Schriber vermittelt einen guten Eindruck der Atmosphäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Was dagegen abfällt, ist die Charakterisierung der Leny Bider, die irgendwo zwischen ihren Idolen Mata Hari und Eleonora Duse stecken geblieben ist. Die Autorin lässt eine Freundin des verstorbenen Vaters erzählen, deren Sohn angeblich sein Leben lang hinter Leny herlief, ihr täglich einen Strauss weisser Kamelien schickte, ohne von der Möchtegern-Diva beachtet zu werden. Das trägt wenig dazu bei, das Unglück der Leny Bider zu verstehen.
Eva Pfister