En passant: In China willkommen

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Die meisten ausländischen Familien von Beijing leben im Nordosten der Stadt in Villenvierteln, die Beijing Riviera heissen, Dragon Bay, Orchid Garden oder gleich Eurovillage. Ihre Kinder besuchen internationale Schulen, und die Mütter schreiben regelmässig E-Mails an die Schulleitungen, in denen sie etwa Luftfilter für jedes Klassenzimmer fordern. Denn: «Wenn es um die Gesundheit der Kinder geht, spielen wirtschaftliche Erwägungen doch keine Rolle!» Warum, so fragt man sich, sind derart besorgte Eltern überhaupt nach China gekommen?

Die ChinesInnen gehen da mit den AusländerInnen netter um. Vor kurzem besuchte meine neunjährige Tochter ihre beste Freundin in Dragon Bay. Ich hatte keine Lust, sie im 942er Bus zu begleiten (die Hin- und Rückfahrt dauert in den Beijinger Staus gut drei Stunden), und so kam sie alleine dort an, stand vor einem Schlagbaum – und fragte einen Chinesen, der zufällig an der Bushaltestelle stand, nach seinem Mobiltelefon: Sie wolle ihre Freundin anrufen, damit diese sie abholen komme. Sie bekam das Telefon sofort. Diese Geschichte erzählte ich später einem chinesischen Zeitungsredaktor – als Beispiel dafür, wie aufgeschlossen die ChinesInnen doch seien. Wie würde in Europa jemand reagieren, wenn ein kleines Ausländerkind um das Handy bittet? Der Redaktor meinte skeptisch: Das läge daran, dass meine Tochter weiss sei und Chinesisch spreche.

Nun würde mich interessieren, was er bei unserem nächsten Treffen sagt. Denn da hätte ich noch ein Beispiel – aus der südchinesischen Grossstadt Guangzhou, wo ich gerade war. Dort leben ebenfalls viele AusländerInnen – allerdings nicht vom Autoverkauf, sondern vom Export billiger Waren in ihre afrikanischen Heimatländer. Viele haben ihre Visa schon um Jahre überzogen. Als in ihrem Quartier die Behindertenorganisation Huiling, die unter anderem einen Kindergarten führt, damit anfing, auch geistig behinderte Kinder aufzunehmen, meldete die Hälfte der chinesischen Eltern ihre Kinder sofort ab. Um die leeren Plätze aufzufüllen, nahm Huiling afrikanische Kinder auf, woraufhin die chinesischen Eltern ihre Kinder prompt wieder anmeldeten – in der Hoffnung, dass ihr Nachwuchs durch den Kontakt mit den kleinen AusländerInnen besser Englisch lernt.

Da fragt man sich schon: Wo in Europa würden sich Eltern um einen Kindergartenplatz bewerben, weil es da so viele Kinder illegal im Land lebender AfrikanerInnen gibt?

Wolf Kantelhardt schreibt regelmässig aus Beijing.