Fumoir: Alex Frei will in die Politik
Esther Banz kennt die Neujahrswünsche der Mächtigen
Es war ein harter Schlag. Gerade hatte es sich Martin Bäumle mit seiner Frau und den Gästen im Ferienhaus vor dem Farbfernseher bequem gemacht, noch fünf Minuten bis zur «Tagesschau». Bäumle freute sich auf die Bilder von Silvesterfeierlichkeiten aus aller Welt, es würde sein Jahr und das seiner Partei werden, mit einem Feuerwerk zündender Ideen würden die Grünliberalen in Bundesbern für flotte Fortschritte sorgen, dem Klimawandel den Garaus machen und seinem geheimen Parteiprogramm (das auch sein Vorsatz für spätestens 2015 war) näher kommen: hundert Prozent Wähleranteil. Aber da tauchte Eveline Widmer-Schlumpf auf der Bildfläche auf. In einem dezent beleuchteten Raum mit antiker Wandleuchte und mysteriöser Glastür wandte sich die neue Bundespräsidentin ans Volk. Ein Volk, von dem immerhin fast zehn Prozent begeisterte AnhängerInnen seiner Person, Martin Bäumle, und seiner Partei, der Grünliberalen, sind. Also widerstand er dem Reflex, wegzuzappen – er wollte mithören, wenn die Bundespräsidentin zu seinen Fans sprach. Sie tat dies zunächst in einer Sprache, die Bäumle nicht verstand, dann fuhr sie in hölzernem Hochdeutsch fort. In Bäumles Adern pulsierte es bereits, es fiel ihm zusehends schwer, andere PolitikerInnen reden zu lassen, ohne widersprechen zu können. Seine Frau hatte ihm empfohlen, «andere ausreden lassen» als Vorsatz für 2012 zu fassen, aber da er sie nicht ausreden liess, hatte er nur «andere» verstanden, und «andere» erinnerte ihn an die vielen AsylbewerberInnen, von denen ihn ja keine und keiner wählen konnte. Als Widmer-Schlumpf mit Grabesstimme verkündete, es würde ein schwieriges Jahr mit vielen offenen Fragen und wenigen klaren Antworten werden, da griff er nach den Stilettos seiner Frau, schmiss sie zielsicher Absatz voran in Richtung Eveline und entfachte ein Feuerwerk, wie er es noch nie gesehen hatte.
Für alle anderen, die Silvester trotz der Neujahrsansprache der Bundespräsidentin so weit unbeschadet überstanden haben, publizieren wir hier zwecks Inspiration die geheimen Vorsätze der wichtigsten Menschen im Land.
Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) fasst nach ihrer Ansprache den Vorsatz, Barack Obamas neues Buch zu lesen: «Ansprachen in Krisenzeiten – die Herausforderung lächelnd meistern».
Christophe Darbellay (CVP) gönnt sich in einem Unterwalliser Wellnesszentrum einen Feng-Shui-Kurs, damit er endlich seine Mitte findet.
Doris Leuthard (CVP) schickt sich selber ein gratis Reminder-SMS via Swisscom: «Zwischendurch blinzeln.»
Natalie Rickli (SVP) wünscht sich Schlag Mitternacht: «2012 mindestens zweimal bei ‹Giacobbo/Müller› eingeladen werden.»
Lukas Reimann (SVP) nimmt sich vor: «2012 mindestens dreimal bei ‹Giacobbo/Müller› eingeladen werden.»
Sergio Ermotti (UBS) nimmt sich vor, einen Teil des ihm zustehenden Bonus in einen Fonds einzuzahlen, aus dem durch entgangene Bonuszahlungen in Not geratene Banker unterstützt werden.
Roger de Weck (SRG) fasst vorsätzlich keine Vorsätze.
Alex Frei (FCB) will den Wechsel in die Politik vorbereiten – als Erstes plant er, sich als Sportredaktor bei der «Basler Zeitung» zu bewerben.
Johann Schneider-Ammann (FDP) notiert sich kurz nach der ersten Bundesratssitzung im neuen Jahr: «Warten, bis Eveline ihr Reden-Buch gelesen hat. Spätestens im Februar unauffällig nachfragen.»
Christoph Blocher (SVP) sagt zu seiner Silvia kurz nach Mitternacht: «Und Rahels Bub kriegt dann die WOZ.»
Esther Banz ist freie Journalistin in Zürich.