Medientagebuch: Deckmantel Transparenz
Stefan Keller über die Idee einer «Lex Weltwoche»
In den Nachwehen des Sturzes von Nationalbankchef Philipp Hildebrand forderten die Präsidenten von sechs Parteien – darunter alle Bundesratsparteien ausser die SVP – letztes Wochenende eine Aufklärung über die Besitzverhältnisse bei der «Weltwoche». Natürlich möchte man sich diesem Anliegen sofort anschliessen: Von jedem Medium würde man gerne wissen, wem es gehört, und nach der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», dem Kodex des Presserats, den die Zeitungsverleger mittragen, haben zumindest die JournalistInnen der «Weltwoche» selbst einen verbrieften «Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers». Ob sie ihn geltend machen und ob sie ihre Jobs dann noch lange behalten, ist eine andere Frage.
Doch es waren ja nicht «Weltwoche»-JournalistInnen, die sich letzten Sonntag an die Öffentlichkeit wandten und eine gemeinsame Erklärung ankündigten, sondern die Präsidenten jener Parteien, die es selber bis heute nicht geschafft oder nicht für nötig befunden haben, gemeinsam Transparenz über ihre eigenen Verhältnisse herzustellen: wer in der Schweiz wie viel Geld für welche politische Arbeit spendet, wer die Kosten von Abstimmungskampagnen zu welchen Bedingungen spendiert und worin sich die Finanzierung der Politik durch private MäzenInnen und Unternehmen von dem unterscheidet, was in anderen Ländern Korruption genannt wird. Die Parteipräsidenten haben natürlich das Recht, von der Presse Transparenz zu verlangen, sie sind aber – in ihrer Mehrheit – nicht besonders glaubwürdig dabei.
Einige Politiker, so SP-Präsident Christian Levrat (er legt die eigenen Parteispenden offen) und CVP-Präsident Christophe Darbellay (er tut das nicht), sprachen laut «SonntagsZeitung» gar von «neuen medienrechtlichen Bestimmungen», mit denen man nun bei den Verlagen Transparenz herstellen müsse. Von einer «Lex Weltwoche» ist die Rede, man möchte für Medienhäuser spezielle Regeln einführen, die für andere Unternehmen nicht gelten.
«Die Situation bei der ‹Weltwoche›», sagte Levrat zur Begründung, «ist unhaltbar», dort würden «unter dem Deckmantel von Recherchen» politische Kampagnen gefahren. Pardon, lieber Christian, falls du das wirklich so gemeint hast, lies mal in der Verfassung nach, Artikel 17, Medienfreiheit: «1. Die Freiheit von Presse, Radio und Fernsehen sowie anderer Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist gewährleistet. – 2. Zensur ist verboten. – 3. Das Redaktionsgeheimnis ist gewährleistet.»
Es ist also bestimmt nicht an der Politik, einzuschreiten, wenn eine Zeitung «unter dem Deckmantel von Recherchen» politische Kampagnen anzettelt, wie die Politik übrigens auch kein Recht hat zu erfahren, woher die «Weltwoche» ihre Informationen hat, die zum Sturz von Hildebrand führten. Selbst wenn eine Zeitung wie die «Weltwoche» ständig halb wahre Informationen verbreitet und bösartige Unterstellungen publiziert, sollte die Politik sich hüten, deshalb gleich neue Mediengesetze zu fordern.
Nicht die «Weltwoche» hat Herrn Hildebrand abgesetzt, sondern die Politik hat ihn gegen die Kampagnen von Medien nicht weiter verteidigen können. Ob er nun zu Recht oder zu Unrecht gehen musste: Mit dem Opportunismus von PolitikerInnen, die sich jedem Mediengeheul beugen, hat das etwa gleich viel zu tun wie mit der Verkommenheit einer bestimmten Presse.
Stefan Keller ist WOZ-Mitarbeiter.