Fussball und andere Randsportarten: Der Sieg der Rinderzüchter

Nr. 6 –

Pedro Lenz über die Dopingsperre gegen Radstar Alberto Contador

Nach achtzehn Monaten Beratung hat der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) den spanischen Radrennfahrer Alberto Contador zu einer zweijährigen Sperre wegen Dopingmissbrauchs verurteilt. Die Sperre gilt vom Sommer 2010 bis zum August 2012. Dem Radstar werden nun die Siege in der Tour de France 2010 und im Giro d’Italia 2011 aberkannt.

Vielleicht weiss noch jemand, welche Fahrer in den besagten Radrundfahrten den zweiten Platz belegten und jetzt nachträglich zu Gewinnern erklärt werden. Für diejenigen, die es nicht mehr wissen, haben wir es nachgeschlagen: In der Tour de France heisst der neue Sieger für das Jahr 2010 Andy Schleck aus Luxemburg. Er sagt zum geerbten Sieg: «Es gibt keinen Grund, glücklich zu sein. Alberto tut mir leid.» Der Girosieg 2011 geht neu an den Italiener Michele Scarponi. Auch er beteuert, dieser Entscheid tue ihm sehr leid für Contador. Selbst Pat McQuaid, der Präsident des Internationalen Radsportverbands UCI, stellt klar, das Urteil löse keine Befriedigung aus, weil es keine Gewinner gebe, wenn es um Doping gehe.

Als ehemaliger Velosportfan, der früher stundenlang am Fernsehen sass, wenn in den dreiwöchigen Radrundfahrten die grossen Alpenetappen übertragen wurden, hat mich die Nachricht von Alberto Contadors Bestrafung fast schon kühl gelassen. Zwar mag ich Contador als Athlet wegen seines Kämpferherzens und seiner offensiven Fahrweise. Gleichzeitig habe ich mich in den letzten Jahren daran gewöhnt, dass im Radsport keinem Resultat zu trauen ist.

Wer einen Sportanlass verfolgt, tut dies ja unter anderem wegen der Spannung. Der Umstand, dass vor einem Spiel, einem Rennen oder einem Wettkampf alles offen und danach alles entschieden ist, macht fast den ganzen Reiz des Sports aus. Fiebere ich jedoch drei Wochen mit den Stars der Tour de France mit, muss ich nach der letzten Etappe zuweilen Monate oder Jahre warten, bis ich weiss, ob das miterlebte Ergebnis auch dem effektiv zählenden Resultat entspricht. Wie soll ich da noch jubelnd die Arme in die Luft strecken, nachdem mein Lieblingsfahrer an der Alpe d’Huez alle seine Gegner abgeschüttelt hat, wenn ich immer damit rechnen muss, dass die Rangliste später von einem Sportgericht korrigiert wird?

Wirklich freuen über diesen Dopingfall dürften sich nur die baskischen Rinderzüchter. Nachdem in Contadors Dopingprobe an der Tour 2010 das Kälbermastmittel Clenbuterol gefunden worden war, behauptete der Fahrer nämlich, das Mittel müsse über Kalbsschnitzel in seinen Körper gelangt sein. Einige Landsleute, die ihn an einem Etappenzielort in den Pyrenäen besucht hatten, hätten ihm spanisches Kalbfleisch mitgebracht, das vermutlich kontaminiert gewesen sei. Die Geschichte klang recht verwegen, aber sie erzürnte den Verband der baskischen RinderzüchterInnen. Ihr Fleisch sei nachgewiesenermassen sauber, liessen die ZüchterInnen unmittelbar nach Contadors Erzählung verlauten. So viel Clenbuterol, wie dem Radrennfahrer nachgewiesen worden sei, finde sich in keinem einzigen ihrer Kälber. Denn ähnlich wie die Radrennfahrer würden auch die baskischen Kälber regelmässig auf Doping kontrolliert.

Contadors Anwälte haben aus der Geschichte mit den Kalbsschnitzeln eine 600 Seiten starke Verteidigungsschrift gezimmert. Deswegen habe es eineinhalb Jahre gedauert, bis der Internationale Sportgerichtshof zu seinem Urteil gekommen sei. Ganz gleich, ob die SportrichterInnen in Lausanne die Zeit gebraucht haben, um die 600 Seiten zu studieren oder um allen baskischen Kälbern Urinproben zu nehmen – fest steht jedenfalls, dass letztlich Alberto Contador das Kalb ist. Und obgleich jetzt alle Stimmen aus dem Radsportmilieu beteuern, bei einem Dopingfall gebe es keine Gewinner, können sich in diesem Fall zumindest die FleischbäuerInnen als Sieger fühlen.

Pedro Lenz (46) ist Schriftsteller und lebt in Olten. Wenn er Rad fährt, tut er das nach eigenen Angaben ohne unerlaubte Substanzen.