Kost und Logis: Das neue Wunderhorn
Karin Hoffsten über spätkapitalistische Sparmethoden
Alle kennen das: Kaum ist einem ein Wort zum ersten Mal im Leben begegnet, hört man es an allen Ecken und Enden. So gings mir kürzlich mit «Groupon». Nur steckt dahinter nicht der Zufall, sondern ein offenbar erfolgreiches Marketingkonzept.
Am Anfang stand ein Irrtum. Als ich abends nach Hause komme, sagt der Liebste, eine Frau habe angerufen und bitte um meinen Rückruf, es gehe um eine Internetplattform und klinge ganz interessant, die Website heisse groupon.ch. Das hat vermutlich mit meinen Theaterprojekten zu tun, denken wir beide, dort kann man sich sicher super vernetzen. Also gut.
Doch das Erste, was mich auf groupon.ch anspringt, ist ein «romantischer Herz-Anhänger mit edlem Swarovski-Kristall und Sterling-Silber», ausnahmsweise für 28 statt 120 Franken, also mit 77 Prozent Rabatt, angeboten. Es geht nämlich um «Deals». Wenn sich innerhalb einer bestimmten Zeit genügend InteressentInnen für ein Angebot finden, erhalten alle die Ware zum versprochenen Rabatt, wenn nicht, verfällt das Angebot.
Gegen Swarovski-Glitzersteinchen bin ich immun. Aber leider bin ich neugierig. Weil man die E-Mail-Adresse angeben muss, um Groupons Schätze anzuschauen, tu ich das, und schon rappelts in der Mailbox. Als hätte ich mit dem Schlagbohrer ein gigantisches Loch in eine Silowand gehauen, stürzen giessbachfallartig Waren und Dienstleistungen auf mich herab. Es ist der Traum aller Schnäppchenjäger: Hier wird nicht gekauft, hier wird nur gespart!
Ob Wasserbett (999 statt 1998 Franken), Unterbodenschutz mit Hohlraumversiegelung (489 statt 1025), Gambas à discrétion für zwei Personen (29 statt 101) oder die Beratung bei der Steuererklärung (49 statt 150) – auch wenn ich nichts von all dem brauche: Mit der Summe, die ich bei den Deals sparen würde, könnte ich glatt die nächste Miete zahlen!
Durch den Verzicht auf eine Hyaluron-Gesichtstherapie mit Kaltlaser (98 statt 350 Franken) und die ästhetische Oberarm- oder Oberschenkelstraffung beim Facharzt (4390 statt 8800) entgehen mir weitere ungeheuerliche 4662 Franken. Dafür flögen zwei Personen in der Businessclass nach Beijing und zurück.
Zwei Tage später eine Wiederbegegnung mit dem neuen Wort: Eine Bekannte hat eine spottbillige Massage erdealt. Tags darauf höre ich auf einem Fest von einem mir bis anhin unbekannten Herrn, heute habe er den Groupon-Gutschein gekriegt: zweimal Wiener Schnitzel in Winterthur. Wann sonst könne er schon mit seiner Frau für 27 Franken essen gehen?
Das hat sicher seinen Sinn, der Mann ist Paarberater von Beruf. Schluss mit Rosen, Rotwein, Kerzen und Kamin – Schnipo in Winterthur lautet die Devise für eine lebendige Paarbeziehung. Ich hab den Groupon-Newsletter trotzdem wieder abbestellt.
Karin Hoffsten lebt in Zürich, schreibt für die WOZ und macht regelmässig Theater.