Steuerstreit: Too Big to Jail

Nr. 20 –

Wenn Bankangestellte in der Finanzkrise etwas gelernt haben, dann das: Scheisse rutscht immer den Berg runter.

Als Ende Januar dieses Jahres bekannt wurde, dass Schweizer Banken Daten an die US-Behörden geschickt hatten, ahnten einzelne BankmitarbeiterInnen, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Die meisten aber wiegten sich zu diesem Zeitpunkt in Sicherheit, liess doch das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) ausrichten, dass bei den gelieferten «Daten zum US-Geschäft» Mitarbeiternamen nur codiert übermittelt worden waren. Ihre Namen würden die US-Behörden also nur dann erfahren, wenn eine «Globallösung» im Steuerstreit von elf Schweizer Banken mit den USA zustande käme.

Die sogenannte Globallösung ist in weite Ferne gerückt, aber die Namen der Bankangestellten sind trotzdem in den USA gelandet: Mitte April bestätigte das EFD eine Meldung des «Tages-Anzeigers», wonach der Bundesrat den unter Druck geratenen Banken erlaubt habe, auch unverschlüsselte Daten zu BankmitarbeiterInnen zu übermitteln. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf rechtfertigte die von Juristen als «illegal» bezeichnete Ermächtigung letzte Woche gegenüber der «Rundschau»: Mitarbeiterdaten dürften geliefert werden, wenn es um «Selbstverteidigung» der Banken gehe und der US-amerikanische Druck so verringert werden könne.

Denise Chervet, Geschäftsführerin des Schweizer Bankenpersonalverbands, geht davon aus, dass «mehrere Tausend Namen» von Bankangestellten an US-Behörden geschickt wurden. Ihre Schätzung begründet sie damit, dass allein schon eine einzelne Bank tausend Namen geliefert habe. Bei den übermittelten MitarbeiterInnennamen handelt es sich aber keinesfalls nur um KundenberaterInnen, die mit hoher krimineller Energie das Steuerhinterziehungsgeschäft der Schweizer Banken betrieben hätten. Im Gegenteil: Die WOZ weiss von einem Fall, in dem der Name einer Sekretärin übermittelt wurde, die im Auftrag eines Kundenberaters bloss eine E-Mail in die USA geschickt hatte. Des Weiteren sind auch Bankangestellte darunter, die nie in den USA waren, sondern lediglich Zahlungsaufträge für Kunden ausgeführt haben. Ohnehin: Die Strategie und der Druck, reiche KundInnen mit fettem Portemonnaie zu akquirieren, kamen von oben. Das war schon bei der UBS so gewesen, die 2009 ihr Steuerhinterziehungsgeschäft in den USA mit einer 780-Millionen-Dollar-Strafe büsste. Und das war bei den jetzt unter Druck stehenden elf Banken nicht anders. Die Bankangestellten taten bloss, wie ihnen geheissen wurde. Als LohnempfängerInnen hatten sie die Rechnung schnell gemacht: entweder die hohen Erwartungen erfüllen – oder die Bank verlassen. Die Arbeit der VermögensverwalterInnen wurde stets eng begleitet – von den Chefs, vom Controlling. Wenn also ein Kundenberater in die USA flog, dann wusste sein Chef Bescheid.

Umso stossender ist es, dass sich die Banken nun aus der Verantwortung stehlen wollen und ihre Angestellten abstossen wie faule Wertpapiere. Auf einige wartet ein Prozess in den USA, auf andere die Ungewissheit: Werden sie bald verklagt? Dürfen sie noch reisen? Finden sie einen neuen Job? Wurden ihre Namen überhaupt übermittelt?

Die Bankangestellten fühlten sich im Stich gelassen, sagt Denise Chervet – von den Banken, aber auch von der Politik.

Das Finanzdepartement wäscht seine Hände in Unschuld. Dabei hatte es mit seiner Ermächtigung erst veranlasst, dass die Banken die MitarbeiterInnendaten in die USA schicken. Jean-Christophe Schwaab, SP-Nationalrat und Präsident des Westschweizer Bankenpersonalverbands, hat deshalb in einer Interpellation eine Reihe von Fragen an das Finanzdepartement eingereicht. Er fordert, dass der Bundesrat seine Verantwortung wahrnimmt und die Bankangestellten unterstützt.

Die Banken haben in den letzten Jahren eine Kultur geschaffen, die manche Angestellten korrumpiert und skrupellos gemacht hat. Zuckerbrot und Peitsche heissen in der Bankenbranche Bonus und Konkurrenzkampf.

Wenn uns die Krise etwas gelehrt hat, dann das: Die Kleinen werden gefangen, die Grossen sind «too big to jail».