Drei Jahre nach dem Putsch: Honduras ist «ein gescheiterter Staat»
«Alarmierend und kompliziert» sei die Situation in Honduras drei Jahre nach dem Putsch vom 28. Juni 2009. Das sagt Carlos Humberto Reyes, Präsident der Gewerkschaft der nationalen Getränkeindustrie und Vertreter der honduranischen Volkswiderstandsfront FNRP, gegenüber der WOZ. Alarmierend, da die Menschenrechtsverletzungen seither stark zugenommen haben und Hunderte VertreterInnen von sozialen Organisationen, Gewerkschaften und Oppositionsparteien sowie JournalistInnen ermordet worden sind. Kompliziert, da an der Militarisierung des Landes nicht nur das Militär und die von ihm kontrollierte Polizei beteiligt sind, sondern auch die Drogenmafia sowie militärische Einheiten aus den USA und Kolumbien.
Reyes war Ende Mai in Bern, um VertreterInnen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten die Menschenrechtssituation in Honduras darzulegen. In einem Bericht des Komitees der Familienangehörigen der Verhafteten und Verschwundenen wird Honduras von Ramón Custodio, dem Ombudsmann des Nationalen Komitees für Menschenrechte, als «ein gescheiterter Staat» bezeichnet, der «kurz vor der Anarchie» stehe.
Reyes übergab der Schweizer Regierung auch eine Petition. Die Schweiz soll von Honduras ein Ende der Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen sowie deren Aufarbeitung fordern. Zudem solle sie nur Entwicklungsprojekte unterstützen, die die demokratischen Strukturen des Landes stärken und der Bevölkerung direkt zugutekommen. Das sei besonders wichtig, da das Bildungs- und Gesundheitswesen kurz vor dem Kollaps stehe: In den Spitälern gebe es kaum noch Medikamente, Tausende LehrerInnen hätten seit einem Jahr keinen Lohn erhalten, sagt Reyes. «Der Staat hat kaum noch Geld, da die meisten Unternehmen wegen der neoliberalen Politik keine Steuern bezahlen.»
Die Menschenrechtsverletzungen werden laut Reyes unter Präsident Porfirio Lobo Sosa «in den nächsten Monaten noch zunehmen, denn dann beginnt der Wahlkampf für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen». Auch die FNRP werde mit ihrer 2011 gegründeten Partei Libre daran teilnehmen. «In den vergangenen Monaten wurden zwei Libre-Mitglieder ermordet. Wer sozial oder politisch aktiv ist und morgens aus dem Haus geht, weiss nie, ob er abends noch lebt.»