Auf Norwegens Ölplattformen: Streiken verboten

Nr. 28 –

Wenn sich die norwegischen Öl- und GasarbeiterInnen wehren, spannt auch die rot-grüne Regierung mit den UnternehmerInnen zusammen.

Zwölfmal in den letzten zwei Jahrzehnten stoppten verschiedene norwegische Regierungen Streiks von Beschäftigten in der Öl- und Gasindustrie. In der Nacht auf Dienstag geschah es zum 13. Mal. Eine halbe Stunde bevor die Energieunternehmen als Reaktion auf einen begrenzten Streik eine umfassende Aussperrung der ArbeiterInnen auf den Öl- und Gasförderplattformen vornehmen wollten, zog Oslo die Notbremse. Die Regierung verbot den Arbeitskampf und damit auch den Streik. Wenn es um die Förderung der fossilen Energieträger geht, ist in Norwegen das Streikrecht praktisch ausser Kraft gesetzt.

Die Drohung wirkt immer

Das Ritual ist fast immer dasselbe: Eine Gewerkschaft beginnt einen begrenzten Streik, nachdem sie mit ihren Forderungen bei den Konzernen nicht durchgedrungen ist. Die Auswirkungen des Ausstands beeinträchtigen allenfalls die Arbeiten auf ein oder zwei der Offshoreplattformen in der Nordsee. Nach kurzer Zeit holen die UnternehmerInnen dennoch den dicken Knüppel hervor: Sie drohen mit einer vollständigen Aussperrung, die die gesamte norwegische Öl- und Gasförderung zum Erliegen bringen würde. Prompt sieht die Regierung in Oslo «lebenswichtige gesellschaftliche Funktionen» bedroht. Das erlaubt ihr nach norwegischem Gesetz, den Arbeitskampf zu verbieten, bevor die UnternehmerInnen ihre Drohung wahr gemacht haben. Ursprünglich für wirklich lebenswichtige gesellschaftliche Funktionen – wie das Gesundheitswesen – beschlossen, wird die entsprechende Gesetzesbestimmung nun mit unschöner Regelmässigkeit für die Ölwirtschaft missbraucht.

Hat der reiche norwegische Staat ein Problem, wenn er einige Tage oder Wochen keinen fossilen Brennstoff fördern kann? Das fragen wieder einmal die frustrierten Gewerkschaften. «Besonders ärgerlich ist natürlich, dass eine rot-grüne Regierung nach der Pfeife der Arbeitgeber tanzt», klagte am Dienstag Martin Steen, Informationschef der Industrie- und Energiegewerkschaft Industri Energi. Sie ist eine von drei Gewerkschaften, die seit dem 24. Juni den jetzt verbotenen Streik geführt hatten. Wie der Rest der norwegischen Gewerkschaftsbewegung ist man auch bei Industri Energi überzeugt, dass die Aussperrungsdrohung des Unternehmensverbands Oljeindustriens Landsforening nicht ernst gemeint war: Der Regierung sollte nur ein Grund zum Eingreifen geliefert werden. Angesichts der schon Tage zuvor gemachten Ankündigung von Ölminister Ola Borten Moe, es sei «natürlich undenkbar», dass Norwegen seine Gaslieferungen nach Europa stoppe, gingen die Ölkonzerne mit ihrer Drohung kein Risiko ein.

Kampf um Frühpensionierung

Beim jetzigen Arbeitskampf geht es nicht um mehr Lohn. Die Beschäftigten in der Förderindustrie gehören in Norwegen zu den bestbezahlten ArbeiterInnen. Ihre Jobs zählen aber auch zu den gefährlichsten und anstrengendsten. Mit dem Streik wehrten sie sich dagegen, dass der Staatskonzern Statoil eine seit 1998 geltende Pensionsregelung teilweise aufgekündigt hatte. Dabei ging es für den hochprofitablen Ölkonzern eigentlich um wenig. Die seit 1998 geltende Regelung erleichtert die Frühpensionierung ab dem 62. Lebensjahr. Laut Berechnungen der Gewerkschaften kostet dies Statoil jährlich umgerechnet etwa 4,8 Millionen Franken. Der sechzehn Tage dauernde Streik von 700 ArbeiterInnen, der der Aussperrungsdrohung gegen 6500 Beschäftigte vorangegangen war, hatte Statoil dagegen nach eigenen Angaben 480 Millionen Franken Einnahmenverlust beschert. Die Gewerkschaftsforderung hätte mit dieser Summe rechnerisch also für die nächsten hundert Jahre befriedigt werden können.

Regeln und Gerechtigkeit

Nicht ums Geld, sondern um eine grundsätzliche Politik gehe es den Ölkonzernen, lautet der Gewerkschaftsvorwurf: Die Unternehmen pochten auf das Recht, einmal gewährte Vergünstigungen auch wieder zurücknehmen zu können. «Sie wollen die Bonbons nach eigenem Gutdünken verteilen», sagt Leif Sande, der Vorsitzende von Industri Energi. «So ein Denken ist uns in der Gewerkschaftsbewegung fremd. Wir wollen Regeln und Gerechtigkeit.» Das Argument von Statoil, es werde lediglich einer «Arbeiteraristokratie» ein Teil ihrer Privilegien gestrichen, erwies sich denn auch als Eigengoal. Die Gewerkschaften hielten dem Konzern süffisant vor, welche Pensionsregelungen für deren DirektorInnen gelten. Dort gibt es ganz selbstverständlich ein Recht auf eine Pensionierung ab 62, dicke Abfindungen inbegriffen. Man könne sich ja gern auf neue Regelungen einigen, meint Sande: «Wenn die dann auch für die Bosse gelten.»