Porträt Billo Heinzpeter Studer: Für die Fische lobbyieren
Die Fischindustrie kennt keine Richtlinien für fairen Handel und Tierschutz. Billo Heinzpeter Studer kämpft für ein Label, das fairen Fischkonsum garantiert.
Billo Heinzpeter Studer mustert das Angebot an der Migros-Fischtheke in Winterthur. Die Lachsforelle stammt aus biologischer Zucht, viele der Fische aus Wildfang sind mit Labels versehen, die nachhaltige Fischerei versprechen.
Doch für Studer, Kopräsident der Organisation fair-fish, reicht das bei weitem nicht. Er kauft fast nie Fisch, denn er kritisiert, dass es selbst in Labelprogrammen keine Richtlinien zu zwei entscheidenden Kriterien gibt: fairer Handel und Tierschutz. Seit fünfzehn Jahren arbeitet er deshalb daran, das Label fair-fish auf den Markt zu bringen. «Fairer Fisch heisst, dass der Fisch anständig gefangen und der Fischer anständig bezahlt wurde», sagt Studer. «Die Tiere sollen möglichst wenig Schmerz und Stress erleiden.» Und noch etwas bemängelt er an den Richtlinien der gängigen Labels: «Was fehlt, ist eine Mengenbeschränkung.» Die Fischerei, wie Studer sie sich vorstellt, orientiert sich in erster Linie daran, wie viel gefangen werden kann, ohne die Bestände zu gefährden: «In der Schweiz essen wir einmal pro Woche Fisch – das ist zu viel. Gewisse Ärzte empfehlen noch mehr – was natürlich Bullshit ist.»
Vom See auf den Ozean
Billo Heinzpeter Studer ist so etwas wie ein Lobbyist für Fische. Er nutzt ein Netz aus Beziehungen zu ProduzentInnen, HändlerInnen und Organisationen, um den Fischkonsum von Herr und Frau Schweizer sozial- und umweltverträglicher zu machen. Der studierte Sozialpsychologe arbeitete als Journalist, bevor er 1985 die Leitung der Tierschutzorganisation KAG-Freiland übernahm. Als Coop und andere nach fairem Zuchtfisch fragten, nahm Studers Engagement für den Fisch seinen Lauf. Heute hat Bio Suisse viele seiner Forderungen umgesetzt, was das artgerechte Halten und Töten von Zuchtfischen angeht. Doch bei Fisch aus Wildfang war es schwieriger, auf die Märkte einzuwirken. Der einzige Schweizer Berufsfischer, der beim Label fair-fish mitmachte, ging bald in Rente. Dafür eröffnete sich die Möglichkeit, den Einsatz für eine faire Fischerei von Schweizer Seen auf den Ozean auszuweiten. Auf Einladung der Entwicklungsorganisation Ecosolidar reiste Studer in den Senegal. Er sah, wie die Männer aus den Fischerdörfern auf kleinen Pirogen mit Handleinen und Netzen Fische fingen und sie zur Verarbeitung und zum Verkauf an ihre Frauen und Schwestern weitergaben. Das sollte er sein, der erste faire Fisch auf Schweizer Tellern.
Die Migros stieg ein und wollte für einen Testmarkt im Raum Zürich 500 Kilogramm frische Filets pro Woche. Studer kümmerte sich im Senegal um die Verträge mit den Fischerfamilien und schickte Testexporte in die Schweiz. Nach der externen Zertifizierung des Programms und einer Machbarkeitsanalyse war die Migros zufrieden. 2007 stand Studer kurz vor dem Ziel.
Weniger ist genug
Doch da stieg die Migros völlig unerwartet aus dem Deal aus. Das wirtschaftliche Risiko sei zu gross, hiess es. «Das hat uns fast das Genick gebrochen», sagt Studer heute. Die Verträge waren unterschrieben, der Idealist Studer musste mit eigenem Kapital geradestehen. Versuche, mit anderen Detailhandelsunternehmen ins Geschäft zu kommen, scheiterten daran, dass diese grössere Mengen wollten, als Studer verantworten konnte. «Die internationale Fischindustrie wächst sehr schnell», sagt Studer. «Sie ist ein Karpfenteich für viele Finanzhaie.» Doch fairer Fisch könne nicht auf schwimmenden Fabriken produziert werden, sondern nur mit traditionellen Methoden und in kleinen Mengen. Bis das Label fair-fish auf dem Markt ist, empfiehlt Studer, bei Fisch aus Wildfang auf Labels wie MSC (Marine Stewardship Council) oder Friend of the Sea (FOS) zu achten und Zuchtfisch aus biologischen, wenn möglich regionalen Betrieben zu kaufen. Das Wichtigste sei aber, sich auf eine Fischmahlzeit aus Wildfang pro Monat zu beschränken.
Billo Heinzpeter Studer ist heute 65 und lebt von der AHV. Das Geld aus der zweiten Säule ist im Senegal geblieben. Er lebt mit seiner Frau in Graz, vor kurzem haben die beiden eine kleine Wohnung in der norditalienischen Hafen- und Werftstadt Monfalcone gekauft, damit Studer endlich näher an dem ist, womit er sich täglich beschäftigt: dem Meer.
Auch nach der Pensionierung und harten Rückschlägen behält Studer seinen Optimismus und denkt nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Mit einer Kampagne, die gerade anläuft, will der Verein fair-fish erreichen, dass die Fangmethode von Meerfisch deklariert werden muss. Gleichzeitig sucht Studer weiterhin nach einem Partner im Markt, um zu zeigen, dass die Idee vom fairen Fisch funktionieren kann. «Noch blocken viele Händler und Produzenten ab, es ist wie bei der Biobewegung vor dreissig Jahren. Aber langsam beginnt man, den Fisch als Lebewesen zu sehen.»