Kost & Logis: Am Rhein isset so schön
Karin Hoffsten über eine Reise in die vertraute Fremde
Wo ist Heimat?, fragt sich der mobile Mensch zuweilen. Wo das Herz schlägt, sagt der Volksmund.
Kürzlich war ich wieder mal in Köln, einer meiner früheren Heimaten. Weil die Zeit knapp war, buchten wir mit nicht ganz reinem Gewissen einen Billigflug: zwei Personen hin und zurück für 217 Franken. Doch ein Billigflug ist billig, weil alles, was über den Leibestransport hinausgeht, extra kostet. Schon beim Check-in wuchs das günstige Gesamtpaket wegen der Koffer um je 26 auf 269 Franken, auf dem Rückflug kamen noch mal vierzig Euro dazu, und selbst der Becher Wasser an Bord war nicht gratis. Aber dafür kann Köln ja nichts.
Dort wollten wir zum Ausgleich unserer persönlichen Klimabilanz mit dem öffentlichen Verkehr zum Hotel, das als flughafennah beschrieben worden war. Also folgten wir im hufeisenförmigen Terminal den Anzeigen zu «Train», «S-Bahn» und «Bus», bis wir einmal rundherum waren und die Pfeile wieder in die gleiche Richtung zeigten. «In der Zeit wären wir zu Fuss da gewesen!», jammerte ich.
Beim zweiten U-Turn entdeckten wir eine menschenleere Rolltreppe in die Tiefe. Unten war niemand, kein Infostand, kein Fahrkartenschalter, nur eine weitere Rolltreppe. Ein Putzmann, des Deutschen nicht mächtig, wischte an etwas herum. Unsere Stimmen hallten.
Auf der nächsttieferen Ebene stand eine Infosäule: Links leuchtete der Notrufknopf, den zu drücken uns zu früh schien. Rechts lockte ein Button mit dem Hinweis, nach wenigen Sekunden werde man mit den Kölner Verkehrsbetrieben verbunden. Ich drückte. Es tutete. Und tutete. Nach fünf Minuten gaben wir auf. Inzwischen war eine halbe Stunde vergangen.
«Ich will ein Taxi!», quengelte ich, denn diese warteten gut sichtbar und zahlreich rund ums U im Mittagslicht. Als wir unser Ziel nannten, rief der Taxifahrer: «Was? Das ist nur ein Kilometer!» Ich sagte «Siehst du!» zu meinem Begleiter und «Wir kommen aus dem Ausland!» zum Chauffeur und fühlte mich sehr fremd.
Auch in den nächsten Tagen liessen wir nicht nach im zähen Ringen mit der innerstädtischen Verkehrsstruktur. Zwar wollten uns FreundInnen ständig mit dem Auto irgendwohin bringen, doch ich sagte: «Mein Köln will ich mir selbst wieder erobern, das bin ich gewöhnt.» So sassen wir in hochmodernen Bahnen, hatten mal Anschluss, mal auch nicht, erwischten Buslinien, die nur drei Stunden am Tag fahren, dann aber genau vor unser Hotel, und liefen sehr weite Strecken zu Fuss. Plötzlich standen mir die vielen Stunden vor Augen, die ich früher durch diese Stadt marschiert war.
Für den Rückflug liessen wir uns vorsichtshalber doch von Freunden im Auto zum Flughafen bringen. Und eins weiss ich jetzt: Heimat ist auch dort, wo das Tram kommt, wann es soll.
Karin Hoffsten lebt und schreibt in Zürich und macht regelmässig Theater.