Immer und Ewig: Eine Welt in Tränen
«It could be sweet, like a long forgotten dream», haucht die Frau mit hoher Stimme zu rhythmischen Beats: Es könnte so schön sein, wie ein lang schon vergessener Traum.
Das war es. Genau das. Diese elfenhafte Stimme, die traurigen Texte, dazu eine gespensterhafte, fast mystische Musik – sie trafen mich wie ein Blitzschlag. Es war wie eine Offenbarung, als ich als Teenager zum ersten Mal die CD «Dummy» von Portishead hörte. Und die CD blieb über Jahre meine wichtigste und treuste Begleiterin.
Allein schon die Hülle hatte etwas Faszinierendes: Da war auf dunkelblauem Hintergrund das Foto einer Frau, die in einem hell leuchtenden Kleid auf einem seltsamen Stuhl sass. Das sei ein elektrischer Stuhl, erklärte mir ein Freund (ich selbst sah das tatsächlich nicht). Die Frau, es ist die Sängerin Beth Gibbons, sitzt also in der Todeszelle. Und das Bild passt zur Musik: Da singt eine Frau um ihr Leben. Bevor sie hingerichtet wird, lässt sie die Welt in Tränen untergehen. Es gibt kein Morgen mehr. «How can it feel this wrong?» – Wie kann es sich so falsch anfühlen? –, fragt sich Gibbons in «Roads», dazu klingen Streicher und elektronische Beats. Und sie sang mir aus dem Herzen. Aus dem Herzen einer Achtzehnjährigen, die sich nach mehr sehnte, als das belanglose Teenagerleben zu bieten hatte.
Portishead produzierten weitere CDs, Beth Gibbons gelang mit «Out of Seasons» ein starkes Soloalbum. Noch heute treten die eigenbrötlerischen MusikerInnen ab und zu auf. Doch ich blieb musikalisch gesehen im Alter von achtzehn Jahren stehen: Was nach «Dummy» kam, interessierte mich kaum. Noch immer begleitet mich diese wundersame CD und findet die richtigen Worte und Klänge, wenn mich der Weltschmerz mal wieder überkommt – «Cos this life is a farce I can’t breath through this mask» (Denn dieses Leben ist eine Farce, ich kann durch diese Maske nicht atmen). Oder wenn ich Trost brauche: «Nobody loves me, it’s true, not like you do» – Niemand liebt mich, es ist wahr, so wie du das tust.
Portishead: Dummy. Go! Beat