Bahnhofausbau: Genfer Sieg über die SBB

Nr. 28 –

Eine unabhängige ExpertInnenkommission kommt zum Schluss, dass der Ausbau des Genfer Bahnhofs unterirdisch geschehen sollte. Für die Quartiergruppe Collectif 500 ist das ein Sieg auf ganzer Linie. Sie hat sich seit über einem Jahr gegen die SBB-Ausbaupläne gewehrt.

Letztes Jahr legten die SBB ihr Projekt «Léman 2030» für eine überirdische Verbreiterung des Genfer Bahnhofs um zwei Gleise vor. Sofort regte sich im betroffenen Quartier Les Grottes Widerstand. Denn die Pläne der SBB würden bedeuten, dass hinter dem Bahnhof Cornavin eine ganze Häuserzeile abgerissen würde. Doch in Les Grottes ist nicht nur Wohnraum bedroht, das Quartier ist eine Hochburg alternativen und selbstverwalteten Lebens. Seit es in den siebziger Jahren vor dem Abriss und einem Schicksal als Satellitenstadt bewahrt wurde, haben sich hier zahlreiche selbstverwaltete Inseln der Zukunft entwickelt. Der damalige Kampf um das Quartier – inklusive Besetzungen, Räumungen und Wiederbesetzungen – prägte eine ganze Generation von Linken.

Mit dem Collectif 500 übernahm eine neue Generation den Widerstand. Die Gruppe lancierte eine Initiative für den unterirdischen Ausbau und verlangte eine Expertise für diese Variante. Tatsächlich: Was die BefürworterInnen der SBB-Pläne als Fantastereien bezeichneten, erweist sich nun als die planerisch beste Option. Denn nur ein unterirdischer Ausbau ermöglicht eine nachhaltige Entwicklung des Genfer Bahnhofs auch über 2030 hinaus. Die Variante kommt zwar rund 400 Millionen Franken teurer zu stehen, aber diese Summe hätte bei einem oberirdischen Ausbau in die Neugestaltung der öffentlichen Verkehrsströme rund um den Bahnhof investiert werden müssen.

Die Expertise wurde von links bis rechts, von Behörden wie Bevölkerung mit grosser Befriedigung zur Kenntnis genommen. Dabei geht beinahe vergessen, dass die unterirdische Variante ohne die Mobilisierung aus dem Quartier wahrscheinlich nie geprüft worden wäre. Trotz des Sieges bleibt in Genf ein schales Gefühl zurück: dass nämlich die SBB mit ihrer inakzeptablen Variante nur gepokert haben könnten, um Stadt und Kanton Genf zu zwingen, sich finanziell für die bessere, also die unterirdische Variante zu engagieren.

Nachtrag zum Artikel «Sie müssen uns schon mit Gewalt vertreiben» in WOZ Nr. 9/12.