Beijing: Neue Visabestimmungen!

Nr. 35 –

In meiner Studienzeit holte ich mir das Papier zum Mitschreiben immer aus den Papierkörben neben den Kopierern. Das war kostensparend und umweltschonend und hatte noch einen Vorteil: Wenn es bei Vorlesungen zu «Strategischem Management» oder «Investitionsgütermarketing» zu schlimm wurde, konnte ich das Blatt einfach umdrehen und mich damit trösten, dass die anderen viel Langweiligeres studierten. Ich erinnere mich noch gut an eine Karte der alemannischen Dialekte 1700 bis 1750.

Als mich nun mein Chef zum Seminar «Erläuterung des neuen Gesetzes für Ein- und Ausreise von Ausländern in China» schickte, habe ich deswegen erst einmal nachgesehen, über was in den anderen Konferenzräumen des Beijinger Kempinski-Hotels referiert wird. Der «VW 2. QPL-Workshop» war schon mal schlechter – und das Referat eines Wirtschaftswissenschaftlers vor Angestellten einer Versicherungsgesellschaft auch nicht besser als mein Seminar. Gleichzeitig gab es jedoch einen «Round-Table zu Risikomanagement und Menschenrechten». Das war nicht fair.

Der Leiter meines Seminars bedankte sich zunächst für die Unterstützung des Beijinger Amts für öffentliche Sicherheit. Und erläuterte, was sich für AusländerInnen ändert: Neu seien Haftstrafen (bis zu fünfzehn Tage), Ausreiseverbote (bei nicht gezahlten Gehältern) und Gewinnbeschlagnahmungen. Xu Ruoxin, Referent des Abends und seit vierzehn Jahren Polizist, wäre wahrscheinlich auch lieber zur Veranstaltung über Menschenrechte gegangen. Denn er beschwerte sich gleich zu Anfang, wie ermüdend es sei, die ganze Zeit am Rednerpult stehen zu müssen. An einem runden Tisch könnte er wenigstens sitzen.

Dann ging es los, wie befürchtet und wie an der Uni, mit Geschichte, Zielsetzung und Wortdefinitionen: Illegale Arbeit ist, was den Beschrieb in der Arbeitserlaubnis überschreitet – und was die Polizei dafür hält. Viele der neuen Vorschriften waren aber trotz der Definitionen nur schwer zu verstehen. So kann man nun auf der Durchreise 72 Stunden ohne Visum in Beijing bleiben, darf sich aber nur 48 Stunden in der Transitzone des Flughafens aufhalten. Und vor Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung muss die Arbeitserlaubnis erneuert werden. Aber das macht das Arbeitsamt frühestens dreissig Tage vor Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung, deren Verlängerung man dreissig Tage vor Ablauf beantragen muss.

Es gibt aber eine Verbesserung: Aufenthaltsgenehmigungen für Familienangehörige können in Zukunft auch für die Schwiegereltern ausgestellt werden. Ist das nicht mindestens so interessant wie die Verbreitung des Alemannischen im 18. Jahrhundert?

Wolf Kantelhardt berichtet für 
die WOZ aus Beijing.