Erdgasbohrung im Jura: Projekt «Weisser Schwan»
Im Val de Travers nach Erdgas bohren und gar per Fracking Schiefergas fördern? Der Widerstand formiert sich.
Aufruhr im Val de Travers: Ausgerechnet im idyllischen Örtchen Noiraigue im Neuenburger Jura will die englische Firma Celtique Energie ein Loch von 2300 Metern Tiefe bohren. Die Firma vermutet Erdgas im Untergrund und malt der Bevölkerung eine rosige Zukunft aus: die Förderung eines Erdgasvorkommens, das sieben Jahre lang den gesamten Erdgasbedarf der Schweiz decken könnte, fünfzig bis hundert Arbeitsplätze, Hunderte von Millionen Franken für die Förderrechte, dazu Steuereinnahmen … Das Projekt «Weisser Schwan» würde das arme Tal auf einen Schlag reich machen.
Bereits im nächsten Jahr will Celtique Energie mit der Probebohrung beginnen. Die in London ansässige Firma plant Bohrungen in der Schweiz, in Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Rumänien und Grossbritannien. Im Zentrum ihres Interesses steht im Moment der Jura dies- und jenseits der Grenze. Die Chance, im Untergrund von Noiraigue auf den gesuchten Schatz zu stossen, liege bei etwa fünfzig Prozent, schätzt sie.
Angst ums Trinkwasser
Doch die Bevölkerung ist skeptisch. Ein AnwohnerInnenkollektiv hat rund 10 500 Unterschriften gesammelt und sie am Dienstag dieser Woche dem Neuenburger Kantonsparlament überreicht. Auch die beiden Städte Neuenburg und La Chaux-de-Fonds haben bekannt gegeben, dass sie nicht nur das Projekt, sondern auch die Probebohrung ablehnen. Zwei Drittel der Bevölkerung beziehen ihr Trinkwasser aus Wasserfassungen im Naturparadies der wilden Areuseschlucht. Die Bohrung könnte das Grundwasser verunreinigen. Die Städte haben bisher auch keine Antwort auf die Frage erhalten, wie elf Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr durch alternative Quellen ersetzt werden könnten.
Für Wirbel sorgte auch ein internes Dokument der Firma, das die linke Tageszeitung «Le Courrier» veröffentlicht hat. Sie berichtete im Juni, dass Celtique Energie nicht nur auf der Suche nach konventionellem Erdgas, sondern auch nach Schiefergas ist. Die Firma schätze die Schiefergasreserven im Jura-Untergrund sogar auf bis zu 32-mal höher als die potenziellen Erdgasreserven. Die Schiefergasvorkommen sollen im Zentrum und im Norden des Gebiets, das die Firma interessiert, besonders gross sein – also gerade in der Region um Noiraigue.
Die Förderung von Schiefergas ist eine ökologische Katastrophe, wie Erfahrungen in den USA zeigen: Beim sogenannten Fracking werden Wasser und Chemikalien unter hohem Druck in das Gestein gepresst, um das Gas aus den Schichten zu lösen. Die Verschmutzung von Grund- und Oberflächenwasser und die Ablagerung von Chemikalien in den Gesteinsrissen sind dabei nicht zu verhindern. Es kann auch, wie bei Erdwärmebohrungen, zu grösseren Erdbeben kommen.
Exbotschafter Borer weibelt
Celtique Energie bestreitet die Existenz des Dokuments nicht, das zuhanden internationaler Investoren erstellt wurde. Die Firma versichert aber, in Noiraigue suche sie nicht nach Schiefergas, sondern nach konventionellem Erdgas. Seither führt sie eine intensive Informationskampagne, geleitet von Thomas Borer, dem mediengewohnten früheren Schweizer Botschafter in Berlin. Das Risiko einer Grundwasserverschmutzung sei von Experten abgeklärt worden, diese schätzten es als «unerheblich» ein, sagt Celtique Energie.
Nun haben aber die GegnerInnen Unterstützung von höchster Stelle erhalten: Bundesrätin Doris Leuthard antwortete auf den Brief einer Anwohnerin, sie verstehe die Beunruhigung: «Jede Bohrung stellt ein Risiko für die Umwelt dar – vor allem für das Grundwasser.» Nun liegt der Ball beim Kantonsparlament.