Argentinien und Spanien: Haftbefehle aus Buenos Aires
Es war der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, der diese Rechtsfigur bekannt gemacht hat: Wenn Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Land, in dem sie begangen wurden, nicht verfolgt werden, greift das universelle Recht. Im Herbst 1998 setzte er den ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet, von 1973 bis 1990 an der Macht, mit einem Haftbefehl in London fest. Bereits 1997 hatte er einen Haftbefehl gegen den argentinischen General Jorge Rafael Videla, von 1976 bis 1981 Chef der argentinischen Militärjunta, ausgestellt.
In der vergangenen Woche griff nun die argentinische Untersuchungsrichterin María Servini de Cubría zum selben Instrument; nur wendet sie es in umgekehrter Richtung an: Sie stellte Haftbefehle gegen vier Folterknechte des Franco-Regimes (1939 bis 1975) aus, weil diese in Spanien Straffreiheit geniessen. Sie verlangt ihre Festnahme und Auslieferung, um sie in Argentinien vor Gericht zu stellen.
Chile und Argentinien haben die Botschaft von Garzón verstanden. In Chile begann nach der Verhaftung von Pinochet eine Welle von Prozessen gegen die SchergInnen der Diktatur. Dutzende wurden verurteilt, Pinochet selbst starb 2006 als Angeklagter. In Argentinien waren die Putschgeneräle gleich nach dem Ende der Diktatur verurteilt worden, Präsident Carlos Menem (1989 bis 1999) aber erliess eine Amnestie. Die hob Präsident Nestor Kirchner (2003 bis 2007) wieder auf. Videla kam zum zweiten Mal vor Gericht und in Haft und starb im Mai dieses Jahres als verurteilter Verbrecher. Die Prozesse gegen seine Folterknechte werden die Gerichte noch lange beschäftigen.
Nur in Spanien sind die Menschenrechtsverletzungen des Franco-Regimes weiterhin straffrei. Und es geht um viel mehr als in Argentinien und Chile. Allein bei Massenexekutionen wurden weit über 100 000 Menschen erschossen. Nach seinen Verfahren gegen lateinamerikanische Diktatoren wollte Garzón auch den heimischen Henkern an den Kragen. Er wurde deshalb im Mai 2010 vom Dienst suspendiert. Nun ist die argentinische Kollegin in die Bresche gesprungen.